Gottschalk - Die FDP des deutschen Fernsehens

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Vielleicht will er einfach nur gerettet werden, und niemand hilft ihm. Als Thomas Gottschalk vor ein paar Jahren schon den Eindruck erweckte, er habe keine Lust mehr auf seine „Wetten, dass ..?“-Show, stellten sie ihm Michelle Hunziker an die Seite. Als sein nonverbales Flehen schon lange nicht mehr zu überhören war, gab es den tragischen Unfall des Wettkandidaten Samuel Koch. An jenem Abend war wirklich Schluss. Doch es musste noch ein Jahr dauern, bis Gottschalk zum letzten Mal die Show moderierte. Seit Ende Januar geht das Drama in der ARD weiter.


Wenn nichts passiert, wird Gottschalk zur FDP des Deutschen Fernsehens und die ARD zum ZDF der Unterhaltung. „Gottschalk live“ floppt am Vorabend. Als habe ihm ein verantwortlicher Redakteur gesagt, er solle einfach sein wie immer, ist Gottschalk einfach wie immer. So lässt sich wohl noch eine Tüte Gummibären ans Kind bringen, aber nicht ausreichend Publikum vor den TV-Apparat. Daraus wurden mehrere Schlüsse gezogen: neuer Chef, Studiopublikum und Durchhalteparolen.

So weit, so symptomatisch. Nun aber gehen sie wirklich an die Grenzen: „Die ARD denkt gemeinsam mit Thomas Gottschalk (61) über Sendungen mit dem Entertainer auch im Abendprogramm nach“, vermeldet die Deutsche Presse-Agentur. Zusätzlich! Im Gespräch sei ein Show-Format, das mit „Wetten, dass ..?“ vergleichbar sei, weiß die Bild am Sonntag.

Die ARD-Chefs hätten dem Entertainer unter anderem die Moderation der Quiz-Show „Frag doch mal die Maus“ angeboten, die schon von Jörg Pilawa und zuletzt von Eckart von Hirschhausen präsentiert wurde. Das, und jetzt kommt die gute Nachricht, habe Gottschalk allerdings abgelehnt.

Liebe ARD! So kann man jeden noch so guten Entertainer kaputtmachen. Und bevor Ihr laut darüber nachdenkt: Nein, Gottschalk ist kein Mr. Tagesthemen. Nein, er sollte keine Kochshow bekommen. Und nein, auch den Eurovision Song Contest wird er nicht retten können. Er sollte sich retten. Schnell.

(zuerst hier)

Dazu gibt es heute auf bildblog.de zwei interessante Links:
Malte Welding fragt auf berliner-zeitung.de, ob das Land an Langeweile stirbt und sieht einen Zusammenhang zwischen dem Versagen der Fernsehkultur und der geistigen Verfassung des Landes: "Man mag glauben, dass es die totale Kommerzialisierung sei, die das Fernsehen so schlecht sein lässt. Aber das amerikanische Fernsehen, Hollywood gar, kann wohl kaum als Heimstätte des Sozialismus gelten. Gier schadet der Unterhaltung nicht unbedingt, Dummheit, Drögheit und angemaßte Kompetenz tun es." Eine lesenswerte Abrechnung.

Auf zeit.de zeigt Anne Kunze am Beispiel Gottschalk, "mit welchen Methoden die ARD Verträge mit Starmoderatoren schließt – an den Kontrollgremien vorbei." Sie schreibt: "Der Vertrag für Gottschalk live wurde zwischen der privaten Produktionsfirma Grundy Light Entertainment und der ARD-eigenen Gesellschaft Degeto geschlossen. Der Medienforscher Horst Röper spricht von einem ,Trick, den die Intendanten schon mehrfach angewendet haben, um die Gremien zu umgehen. Es geht nicht um Peanuts, sondern um Riesenaufträge. Eine wirkungsvolle Kontrolle durch die Gremien findet nicht statt. Das geht doch nicht.'"

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Geschrieben von

kay.kloetzer

Kulturtante in Leipzig.

kay.kloetzer

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