Helene Hegemann hat abgesagt. Die Veranstalter in der Leipziger Moritzbastei sind so freundlich, darüber gleich an Eingang zu informieren, so dass sich kein Fan vergeblich den Weg zur Veranstaltungstonne bahnen muss. Vor allem kein Kamerateam, kein Paparazzo und kein Boulevard-Experte. So bleibt dieses sonntagnachmittägliche MDR-Figaro-Lese-Café das, was es sein soll: eine MDR-Figaro-Lese-Café. Denn eingeladen sind neben Hegemann auch Anne Weber und Lutz Seiler - ebenfalls nominiert für den Preis der Leipziger Buchmesse.
Als er von dem Termin erfuhr, konnte Seiler noch fragen: Helene wer? Nun müssen er und Weber zunächst auf Michael Hametner Gretchenfrage antworten: Wie halten Sie es mit dem Urheberrecht? Alles wie es sein muss, alles wie bekannt. Im Gegensatz zu "Axolotl Roadkill" übrigens, so dass das Dichter ein Urteil verweigern und es dann doch bald um deren neue Bücher gehen kann. Weber berichtet vom Schreiben auf Deutsch und auf Französisch und liest aus ihrem Roman "Luft und Liebe". Seiler plaudert über Herkunft und amüsiert mit einer Erzählung aus dem Band "Die Zeitwaage" das Publikum. Der Raum ist randvoll, Zusatz-Stühle mussten herbeigeschafft werden, die meisten der rund 100 Zuhörer haben ihren 30. Geburtstag noch in der DDR gefeiert. Über die Qualität des Gehörten lässt sich reden: über Romanskonstruktionen, Humorbewusstsein und Sprachgefühl. Darüber, ob der Sinn des Lebens tatsächlich darin besteht, davon zu erzählen.
Hegemanns Absage hat als nicht unbedingt etwas verhindert, sondern etwas ermöglicht. Darum ist es vielleicht vor allem für sie am besten so. Denn gestern, das wird erzählt, war sie bei der Berlinale. Wurde dort erst blöde angemacht und geriet dann in eine Verfolgungsfahrt mit Paparazzi. Wobei sie im Taxi vorneweg fuhr.
Nun hat sie für das Radio-Café am 28. Februar zugesagt, wird dann mit den Nominierten Jan Faktor und Georg Klein auf dem Podium sitzen. Und dann vielleicht schon wieder die Chance haben, über ihr Buch zu sprechen. Oder den Sinn des Erzählens. Oder die Kunst des Lebens. Mal sehen, ob dann noch Kamerateams am Eingang lauern.
Kommentare 8
Das versteht man, dass sie jetzt Nerven kriegt. Davon abgesehen ist bei solchen Sachen auch Timing alles.
diese absage ist vielleicht erfreulich für die radiokunst oder -kultur, sofern man noch davon sprechen kann; mich nervt kollege hametner mittlerweile, weil auch er nur (er oder der verantwortliche intendant im funk?) auf jeden erdenklichen hype aufspringt, sich dafür nicht zu schade ist ... Aber was für ein wunder angesichts des neuen word-jingles von mdr-figaro: kultur und gut (erinnert an die kaffeesahne "immergut" oder mehr noch: hier haste was, und nu klappe halten) ...
Am besten wäre es, wenn Frau Hegemann nirgendwo mehr auftreten würde, nie mehr.
Gut, andrerseits; Wie war das seinerzeit mit Plenzdorf?
Goethe reloaded? Oder gar... alles nur geklaut?
plenzdorf? naja, das sind ja nun mal äpfel und birnen. übersetzt auf den hegemann-fall hätte ihr buch dann "lichtblitz feat. strobo" heißen müssen. und davon handeln, dass die minderjährige mifti aufm klo vom berghain sich aus der letzten seite vom kulturgut eines gewissen airen einen joint dreht oder meinetwegen auch ein koks-röllchen und dann tag für woche sms an ihre freundin tippt, in denen sie airen zitiert, und hinten hinaus findet sie dann parallelen zu ihrem leben,bisalles aufs tragischste ineinander aufgeht ...
okay, am ende haut's hin.
kk
"Herta who?" - "Helene wer?"
Was soll die "moralische Entrüstung" über das Machen eines Buches?
Was schert uns "ein Buch", wenn das "Machen einer Nobelpreisträgerin" uns nicht weiter kümmert?
"Herta who?" - Das fragt man immer noch, hier in Deutschland und weltweit!
So funktioniert Ablenkung!
Ein offensichtliches "Plagiat" führt zu einer Diskussion, während man in Fall von Herta Müller die "Selbstmythisierung" und Darstellung als Widerstandskämpferin und Systemopfer unkritisch hingenommen hat, ohne zur Kenntnis nehmen zu wollen, dass Herta Müller eigentlich lange Zeit eine Systemloyale war, die nach ihrer Ausreise 1987 in die BRD zum geschickten "Wendehals" wurde und sich von CDU (KAS) und SPD (Michael Naumann) fördern bzw. instrumenatlisieren ließ.
Die DDR-Bürgerrechtler können dazu etwas beitragen!
Es wird ein Buch "gemacht" - von leistungsfähigen, materiell potenten Großverlagen wie ein anderes "Produkt" auch, das verkauft werden soll.
Und es werden sogar Nobelpreisträger "gemacht", wenn Kulturpolitiker über bestimmte Namen und Symbole ihre Ziele erreichen wollen.
Doch sind es die richtigen Namen und Symbole?
Statt "moralischer Entrüstung" wäre besser eine "Moral"-Debatte angebracht,
im Geistigen: Zur Nobelpreisvergabe an eine Unbekannte und Kontroversierte,
im Politischen: Zur "Dekadenz"-Thematik, zum Wertewandel in dieser Republik und Werte-Verfall bzw. zum neuen "Untergang des Abendlandes".
Carl Gibson
@THX1138
Gut, andrerseits; Wie war das seinerzeit mit Plenzdorf? Goethe reloaded? Oder gar... alles nur geklaut?
Pardon, das war denn doch ein kleines bißchen anders. Plenzdorf hat Goethes Plot genommen und daraus etwas ganz anderes gemacht. Ein Stück, in dem einerseits Goethes Plot in groben nachgelebt wurde, in dem andererseits Goethes Geschichte auf der zweiten Ebene eine Rolle spielt. Und er hat schon im Titel allen klargemacht, daß er hier auf Goethes Geschichte anspielt.
Ciao
Wolfram
Wer mag, kann auch auf den web2.0-hype von MDR Vieh-gar-oh aufspringen, auf meinfigaro.de/
Ich bin dort übrigens als "spratzky" unterwegs, der exzentrische Kammersänger Leo Spratzky - hoffentlich gibt es den nicht wirklich ...
Goethe hat selber abgeschrieben. Von Hafiz. Einem persischem Dichter. Das weiss doch jeder. Oder? Wieder nur halbgebildete unterwegs?
Kein Wunder das Hegemann einen Hit landen konnte. Bei dem Deutschen Bildungsstand.