Josef Hader gastiert im ausverkauften Centraltheater. Grotesk: Der Höhepunkt der Leipziger Lachmesse* ist gar kein Kabarett.
24 000 Besucher zählen die Veranstalter dieses 19. Europäischen Humor- und Satire-Festivals, das am Sonntag zu Ende ging. Das ist viel für eine Stadt wie Leipzig, es ist wenig für eine Stadt, in der im November 2010 Mario Barth fünf Mal die Arena füllen wird, eine Halle, die zwischen 3000 und 12 000 Zuschauer fasst. Man könnte glatt vom Glauben abfallen, vom Glauben an das Kluge im Menschen. Denn Leipzig ist anders, hier gab es immer schon mehr Kabarett pro Einwohner als anderswo, auch besseres, das kann man sagen. Doch 24 000 Besucher, das sind 2000 weniger als in den vergangenen Jahren, und zu erklären ist das nicht. Nicht mit der Qualität der Programme, nicht mit der Auswahl der Künstler, nicht mit dem gleichzeitig stattfindenden Köln Comedy Festival, nicht mit Ebbe im Portemonnaie und nicht mal mit einer Mischung aus allem.
Josef Hader kennt einen Weg. Der österreichische Kabarettist, Drehbuchautor Filmregisseur und -schauspieler (Indien, Komm süßer Tod, Der Knochenmann) kam mit seinem Programm „Hader muss weg“ als Theatermann ins hoffnungslos ausverkaufte Centraltheater. Und entschuldigt sich fast, am Ende mit den Blumen im Arm, an diesem Abend vom Kabarett weggeführt zu haben. Hat er das? Das auffallend junge Publikum war vielleicht zunächst irritiert, aber schließlich hell begeistert.
Es beginnt damit an, dass es nicht anfängt. Irgendwas mit dem Ton, der Techniker muss kommen, und hinter der Bühne nehmen beide im Null-Bock-Geplänkel den Roten Faden auf: Es gibt kein Leben im Konjunktiv. Eine Überwachungskamera überträgt in grobem Schwarz-Weiß auf die Videoleinwand, was man immer schon über Künstler gedacht hat: Alkohol, Koks, Geld. Wer von Überdruss sprechen würde, tut es schon.
Ja, verpfuscht ist alles. Keine Liebe, keine Lust, nur Last. Hader lästert über ewig gleiche Journalistenfragen, der Techniker schaut schon lange nicht mehr auf die Bühne, er will nach Hause. Schwarz sind die Gedanken, und schwarz ist die Nacht, in die Hader schließlich auf die Bühne stolpert. Um in Hose, Hemd und Mantel in öder Vorstadt sieben Gestalten zu spielen – charakterisiert in Gesten, Ticks und variierendemWeltekel. Ein Opportunist weiß nicht, was er will von seiner Freundin. Eine Freundin weiß nicht, was sie ohne Emotionen fühlen soll. Ein bankrotter Tankstellenbesitzer weiß nicht, wie er nett sein soll. Ein Bar-Pianist weiß nicht: Wofür das alles? Eine ukrainische Opernsängern weiß nicht, dass 50 Euro fürs Reden nicht viel ist. Ihr Zuhälter weiß nicht, dass mehr dahinter steckt. Josef Hader weiß nicht wie ihm geschieht und ist der erste Tote dieser eskalierenden Selbstzerstörung.
Er zeigt Durchschnittstypen mit Durchschnittsansprüchen, die im eigenen Saft ertrinken. Seine Mittel – hinzu kommen noch Schattenspiel oder eine Videokamera, die Schrecken erstarren lässt – sind theatralisch ausgeklügelt. Nicht zu viel, nicht zu wenig. Die anfangs behauptete Panne entpuppt sich als grundsätzlicher Defekt im System, als Leerstelle im Lebensplan der Protagonisten, als Mangel an Visionen. Irreparabel.
Das ist nicht lustig, aber es ist aufgeräumt. Es ist nicht Politik, aber Gesellschaft. Ist nicht Parodie, aber Satire. Nicht Comedy, aber Kabarett. Denn wenn die Bedürfnisse für zu leicht befunden werden, die Eliten schmollen, muss die Kunst dickere Bretter bohren. Wer lieber Witze hören würde, hat den Ernst der Lage schon erkannt. Oder spürt zumindest, dass der Konjunktiv die Zukunft paralysiert. Das zeigt Hader, das zeigen seine Kollegen, wenn sie gut sind. Der Sprache der Wahrheit ist leis, aber sie lässt sich hören. Morgen lachen wir drüber. Vielleicht.
*Die Leipziger Lachmesse präsentierte an elf Tagen 160 Künstler aus sechs Ländern in 12 Spielstätten – vom Kabarettkeller der Academixer bis zum Opernhaus. 1990 gegründet mit dem Anspruch, Kabarettisten, Comediens, Schauspieler, Clowns oder Musiker aus Ost und West zusammenzubringen., wird jährlich der „Leipziger Löwenzahn“ verliehen – zu den bisherigen Preisträgern gehörten die Missfits, Georg Schramm, Tom Pauls, Bruno Jonas, Thomas Freitag, Schwarze Grütze, Matthias Deutschmann, Horst Schroth oder das Erste Deutsche Zwangsensemble. Im kommenden Oktober findet das Festival zum 20. Mal statt. www.lachmesse.de
Geschrieben von

Kommentare 15
"24 000 Besucher zählen die Veranstalter dieses 19. Europäischen Humor- und Satire-Festivals, das am Sonntag zu Ende ging. Das ist viel für eine Stadt wie Leipzig, es ist wenig für eine Stadt, in der im November 2010 Mario Barth fünf Mal die Arena füllen wird, eine Halle, die zwischen 3000 und 12 000 Zuschauer fasst."
Hört sich nach der 20/80 Regel an.
20% teilen sich bei Herrn Barth auf:
60% Marketing
30% Proll
8% Sex
1,5% Mitleid
0,5% Witz
Damit bekommt er dann 80% des Publikums.
Bleiben 20% für die Lachmesse, viel überschneiden wird sich da nicht (1,5%), das leider bei 80% Einsatz.
Schade.
Und Danke.
ja, der hader: freu mich immer, wenn die wdr5-unterhaltung-am-wochendende ihn hören macht. wir haben uns weggelacht im münsteraner garten dieses jahr, zweimal, ein glück, und das je zum samstag über dem glockengeläute in dieser katholischen stadt. josef hader, erkenntnis lachen. da kann ich in dieser zusammenstellung nur wenig zusammenstellen.
Ja, den Herrn Hader hätte ich auch gerne gesehen, schon weil er Attwengerfan ist.
liebe kk, zu lachmessen im allgemeinen und zur leipziger lachmesse im besonderen fällt mir gar nichts ein. aber dein foto vom ostseestrand finde ich so einladend, dass ich am liebsten in es hineinfahren würde. konjunktiv.
"Wer lieber Witze hören würde, hat den Ernst der Lage schon erkannt. Oder spürt zumindest, dass der Konjunktiv die Zukunft paralysiert."
schön.
lieber h.yuren, jetzt, da ich das wort zweimal in deinem kommentar lese, fällt mir erst auf, wie 80er der begriff doch lachmesse ist (à la leistungsschau der humorschaffenden). da klingt comedy festival doch ganz anders. aber kommt ja auf wasdrinsteckt an.
wie wäre, ähm sieht es aus mit einer fototapete vom ostseestrand? ist auch 80er. wenn ich's könnte, würde ich dir ein weiteres foto schicken.
herzlich
kk
Lieber Rainer Kühn,
überhaupt der WDR. Macht 1a Kabarett-Programme, also im Fernsehen, meine ich. Dort hat das Genre einen ganz anderen Stand und vor allem eine ganz andere Qualität als beim Heimatsender MDR. Hier werden endlos recht peinliche Witzeabende wiederholt; die Bilder sind schon ganz blass vor Scham. Gestern Abend gab's zum ersten Mal eine Live-Gala (Hader, Freitag usw.), die ein bisschen über das hinausging, was sinst als lustig versendet wird. Sogar zur Hauptsendezeit. Die Quote? 290 000, also 6,2%.
Herzlich
kk
Lieber merdeister,
Mathe war nie meins, aber wenn Du Zahlen so schön von Polemik ableitest, kann sogar ich folgen. Eigentlich will ich mich am Schlag-den-Mario nicht mehr beteiligen (so wie am Das-Guido-Kichern) - aber das Entsetzen war stärker als die Konsequenz.
herzlich
kk
Ich war letzte Woche an der Ostsee im Urlaub und habe jede Menge Fotos übrig. Wenn daran Bedarf ist...
nein, nein, kk und tom, gebt euch keine mühe. den ersatz im konjunktiv meine ich ja gerade nicht. das bild ist so waschecht, dass ich es lange betrachten könnte (vorsicht konjunktiv), aber lieber noch ganz real vor mir hätte (s.o.). dann würde ich vielleicht wieder das runde geröll aufheben und von einem erhöhten punkt mit wucht auf ein anderes stück gestein werfen, um es zu sprengen und die kristalle darin anzusehen, gleich aber wieder die blicke über den weiten strand und die see schweifen lassen (noch konjunktivischer durch 'vielleicht'). was für ein bild!
warum hast du es ausgesucht, kk?
lieber h.yuren,
ich habe es ausgesucht, weil es diesen sog hat. weil ich einen weiten horizont mag. weil ich mich sehne nach der weite und dem licht auf hiddensee. weil ich ja noch weiß, wo und wann ich das bild gemacht habe und so erinnerungen wach bleiben an einen schönen tag, eine schöne zeit, an ein gefühl von unabhängigkeit.
herzlich
kk
Hier der Herr Hader:
Und zum Vergleich die beiden Herren Adwenger:
Passt doch!
aTTwenger!
Großartig! Alle.
Ist der MDR nicht dieser Satire-Sender?