Manches geht dann eben nicht auf - Zum Tod des Lyrikers Heinz Kahlau

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Es war kein schlechtes Land für Dichter. Weil es ihnen Brot gab und Bücher. Und auch immer wieder Anlass zu zweifeln. Heinz Kahlau hat sich mit seinem Land auseinandergesetzt, hat Grenzen verschoben und auch überschritten. Er hat sich darin gesucht und die Spuren in Gedichten verfolgt. Am Karfreitag ist er im Alter von 81 Jahren gestorben - auf Usedom, wohin er und seine Frau sich 2006 zurückgezogen haben.

Die Rechthaber

Rechthaber
fordern von meinem Kopf nur
ein Nicken.
Ich bin gegen Rechthaber
und begünstige dennoch
die sozialistische Art.
An ihnen übe ich Langmut,
wohl,
weil ich an ihrer Sache beteiligt bin.
So erlaube ich ihnen
zum Beispiel,
wie Kinder herumzutrampeln
auf dem Saatacker.
Manches geht dann eben nicht auf.


(Heinz Kahlau: Flugbrett für Engel. Aufbau Verlag 1973)

In die Wiege gelegt war das Schreiben ihm nicht. Sein Stiefvater verbrannte alles Gedruckte, das er bei ihm fand. Erst mit 19, als Patient in einer Tbc-Heilstätte, hatte er seine „vergnügliche Begegnung mit Gedichten“ und schrieb seine ersten Verse im Stil von Ringelnatz. „Er las und versuchte, wie ein Junge mit Bausteinen spielt, ebenso das Dichten. Zeitungen druckten seine Texte. Er wurde gefördert. Plötzlich war er ein Dichter“, schreibt Hans-Eckardt Wenzel auf seiner Facebook-Seite in einem Nachruf auf den Freund. Ohne Wenzel hätte womöglich bis jetzt niemand erfahren vom Tod des Lyrikers, dessen Gedichtbände in Millionen-Auflagen erschienen sind. Am bekanntesten sind wohl die Liebesgedichte, 1971 vom Aufbau Verlag unter dem Titel „Du“ herausgegeben. Kaum jemand, der sie nicht kannte, damals, in der DDR. Der nicht wusste von jenem Paar:

Sie lagen Bein an Bein,
wie sie gestorben waren,

bis man sie fand.

Sie lagen so
seit sechzigtausend Jahren.

Man löste seine Hand aus ihrer Hand.


(Heinz Kahlau: Du. Edition neue Texte im Aufbau Verlag, 1971)

Kahlau hatte keine Angst vorm Reim, vor dem Alltäglichen. Nicht vor Natur-Gedichten und auch nicht vor dem politischen Bekenntnis. 1957 wegen kritischer Verse in Zusammenhang mit dem Ungarn-Aufstand mit Haft bedroht, unterschrieb er beim Ministerium für Staatssicherheit. Und löste sich wenige Jahre später selbst aus dieser Verpflichtung. So wie er sie auch selbst 1990 bekannt machte, seine Biographie den Deutungen der Unwissenden zu entziehen.

Kahlau war PEN-Präsident und Mitglied im Zentralvorstand des Schriftstellerverbandes der DDR. Er bekam den Nationalpreis und den Vaterländischen Verdienstorden - nach dem Heinrich-Heine- und dem Lessing-Preis. Ihn trieb Verantwortung, ihn trugen Sprachgefühl, auch Zärtlichkeit und Witz.

An meine Generation

Nie ist bekannt geworden,
daß der Erfinder des Dieselmotors
vom Erfinder der Dampfmaschine
verdächtigt worden wäre,
wieder errichten zu wollen
die Herrschaft der Pferdebahn.


(Heinz Kahlau: Der Fluß der Dinge. Aufbau Verlag 1964)


Kahlau wurde am 6. Februar 1931 in Drewitz bei Potsdam geboren. Er wurde Meisterschüler von Bertolt Brecht an der Deutschen Akademie der Künste in Berlin und veröffentlichte 1954 seinen ersten Gedichtband, schrieb auch Dramen, Prosa und Lieder, arbeitete als Funk- und Filmautor.

Ihm war der Tod vertraut, er hat den Dämonen der Nächte bei Tag ins Gesicht geschaut.

Wunsch

Wenn der Mensch eine Mutter hätte,
die ihn aufnimmt am Ende,
wie eine Mutter ihn hergab
am Anfang -
wie leicht wär der Tod.


(Heinz Kahlau: Lob des Sisyphus. Reclam Verlag 1980)

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Geschrieben von

kay.kloetzer

Kulturtante in Leipzig.

kay.kloetzer

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