mdw – der osten baut an

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Diese Woche feiern wir 80. Ja, wir alle. Also nicht ganz alle, die Ostdeutschen eben. Denn Rudolf Horn wird 80. Und der war Möbeldesigner in der DDR. Was? In der DDR gab es Möbel? Da gab es doch noch nicht mal Holz. Das ganze Erzgebirge – ein Waldsterben. Der ganze Rest – im Ofen verfeuert, wenn mal wieder Kohlen knapp waren. Und überhaupt: Wozu Möbel, wo es doch gar keine richtigen Wohnungen gab? Nur Plattenbauten für Parteisekretäre und für Bonzen eine Datsche. Wozu Design, wo der Formwillen der Zonis sich in Kittelschürzen erschöpfte? Rote Blüten auf blauem Grund. Das Zauberwort hieß Hellerau, die Möbelserie MDW. Horn hat sie entwickelt, und wer Glück hatte, hatte sie, die Anbauwand, die mitwuchs und heute im Keller noch gute Dienste leistet. Horns Möbel hatten keine Oben und kein Unten, keine Schnörkel und keinen Haken. Und keine Erben. Denn, sagt das Geburtstagskind: „Es ist ein bedrückender Zustand, wenn ich jetzt durch die Möbelgeschäfte gehe und sehe: es ist nicht viel passiert seit den 60er Jahren.“ So ist es. Manch Brüder und Schwestern, Nichten und Neffen halten MDW für die Abkürzung von Meine Deutsche Wirklichkeit und die DDR für ein Versandhaus billiger Utopien. Sie halten Selbstgespräche für Diskussion und die Wiedervereinigung für abgeschlossen. Sie haben keinen Keller, in dem eine Designer-Schrankwand Bewusstsein bewahrt. Wer jetzt ein Haus hat, hat bald keines mehr. Wer jetzt nicht fragt, der lässt es eben bleiben.

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Geschrieben von

kay.kloetzer

Kulturtante in Leipzig.

kay.kloetzer

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