Als ich wach werde, ist der Strom schon weg. Die Erkenntnis kriecht langsam in mein Hirn. Erst fehlt das Licht der Nachttischlampe. Mist, denke ich, musst du morgen ins Kaufhaus, und wenn du vergisst, die kaputte Birne mitzunehmen, kaufste garantiert die falsche. Zwei Sekunden Selbstmitleid. Als das Deckenlicht auch ausbleibt, weiß ich, dass es was Ernstes sein muss, Wo war doch gleich der Sicherungskasten? Kurz darauf gibt es nur noch die Hoffnung, dass es das ganze Haus betrifft und sich bereits jemand kümmert. An einem Sonntag würde es nicht leicht sein, den Hausmeister zu erreichen. Das hatte ich schon mal wegen der Hausflurbeleuchtung versucht.
Was soll's, denke ich, hast ja eh nichts weiter vor, erstmal Kaffee und ins Internet. Natürlich geht weder der Wasserkocher an, noch kann ich Verbindung zur Außenwelt aufnehmen - Telefon, W-Lan, alles tot. Und das Handy hat auch nicht mehr viel Saft, den galt es also einzuteilen. Wenigstens ist es draußen hell.
Ein guter Tag, den Müll fortzuschaffen. Im Treppenhaus, hier brennt sogar noch Licht, treffe ich sogar den Strom-Fritzen, in dessen Rede ich die Wörter "Problem" und "dauern" markiere. Er bittet darum, Haus- und Kellertüren nicht zu verschließen, schließlich könne er ja nicht klingeln, jetzt werde nämlich alles abgedreht. Aber gern!
Das alles passiert so gegen 11 Uhr. Es wird 12 werden, 13, 14 und auch 15 Uhr. Ich lese die ZEIT und liegengebliebene Tagepresse. Ich lese mal Anna Gavaldas "Ein geschenkter Tag" und beginne Milena Agus' "Die Gräfin der Lüfte". Wie halbherzig habe ich bisher den Duft eines dampfenden Kaffees, den Segen einer heißen Suppe bejubelt. Wann habe ich eigentlich meinem Kühlschrank das letzte Mal gesagt, dass ich ihn brauche?
Weil auch die Heizung nicht mehr funktioniert, entsinne ich mich der wärmenden Wirkung vieler, vieler Kerzen und trage viele, viele Kerzen in die Küche. Öko-Strom. Als kleinster Raum würde die hoffentlich schnell warm werde. Nebenbei lausche ich auf das Klappen der Haustür und stelle den Wasserkocher an, damit mir sein Rauschen sofort verrät, wenn wieder Leben einkehrt. Es ist so still hier drinnen.
Die Haustür klappt oft. Draußen werden die Parktaschen geleert. Bin ich die Letzte? Ist es verboten, bei Stromausfall zuhaus zu bleiben? Was hat eigentlich der Tsunami angerichtet? 18 Uhr macht mein Stammlokal auf, dort würde es auch W-Lan geben und also eine Hoffnung für den Abend. Keine vier Stunden mehr. Wieder fällt eine Tür ins Schloss.
Wie entbehrlich sind doch Fernsehen, Radio, Computer.
Dann plötzlich ein Rumpeln, ein Rauschen. Der Kühlschrank! Der Wasserkocher! Im Flur flammte Licht auf. Kaffeepulver in die Tasse, Fernseher ein, Computer hoch, Suppe auf den Herd - Bestzeit!
Die Kerzen flackern, auf dem Tisch liegt "Ein geschenkter Tag", ein Buch, das wunderbar zu diesen Stunden passt.
Kommentare 28
:-))
Aber auch ein bisschen Internet-abhängig? Ich dachte, ich bin die Einzige.
vor allem, wenn's weg ist!
Ja, Stromsperren ....
Heute fiel hier - wohl wegen Regens - kurzzeitig auch der Strom aus. Mein Akku überlebte das nur für 20 Minuten, mein Laptop zeigt derzeit leichte Alterserscheinungen ... auch die Shift-Taste i.Ü., wenn ich mal zuviel klein schreibe, bitte um Verzeihung, Lappi mag manchmal nicht mehr.
Also heute, kein Strom, kein Internet, kein TV (für andere Hausbewohner), kein Licht zum Lesen. Trotzdem, nicht so schlimm: Herd, Gas - also warmes Essen, Heizung: Gasofen, also keine Kälte. Wenn man mal einerseits in einem brandenburgischen Kaff gewohnt hat, und ein Wintersturm die Überlandleitung mit einem Baum gefällt hat, woraufhin festzustellen war, dass auch eine Ölheizung wg. Pumpe ja stromabhängig ist, wird verstehen, dass ich meinen Gasofen heute liebe.
Ganz andere Erinnerungen die jeweils genau einstündigen Stromsperren in Pakistan... Aber ich werde grenzenlos off topic.
Gern gelesen - deine Auswahl an Büchern macht neugierig.
lieber alien59,
ich musste wiederum an die neulich eingeschneiten denken. abends oder nachts ist so ein stromausfall zwar irre romantisch, wär' aber nichts für mich. meine nächste küche wird einen gasherd haben, nehme ich mir vor. finde ich zum kochen sowieso besser.
zu den büchern: man muss schon gavalda-fan sein, um in entzücken auszubrechen. ich bin das nicht. aber es ist eine hübsche kleine geschichte über vier geschwister, die sich spontan aus ihren leben lösen, einen tag gemeinsam zu verbringen, was sie noch einmal so richtig sentimental und glücklich macht.
milena agus ist da von ganz anderem kaliber. zufällig geht es auch hier um geschwister, um drei sehr unterschiedliche schwestern, verarmter adel, die in einem heruntergekommenen palazzo in cagliari darum kämpfen, ihr haus, ihre lebensentwürfe oder eben sogar ihr leben zu retten. das hat vielmehr tiefe. da war ich aber erst auf seite 80, als der strom zurückkam.
herzlich
kk
Danke für die Buchbeschreibungen.
Ahm... sorry, I'm a lady.
oh, pardon, das war gedankenlos von mir. zumal es ja wirklich deutlich in deinem profil steht. da bitte ich um entschuldigung!
Ist nicht so wichtig, aber ich dachte, dass es auch das Verständnis meiner eigenen Texte betrifft. Gerade den letzten.
kay.klötzer, zuerst mußt Du immer gucken, ob im Kühlschrank schon wieder Licht brennt. Wenn dann auch noch die Kerzen angehen, ist alles wieder in Ordnung.
Gasherd ist ein Muss. Aber am besten mit tüp (Gasflasche) Wer weiss, ob bei Stromausfall das Gas aus den öffentlichen Leitungen noch fliesst? Und an die Türen und Kassen der Kaufhaeuser bei Euch mag man ja gar nicht denken....Weder bezahlen noch Verlassen des Hauses geht...
Hier faellt der Strom öfter mal aus. Mal bei Sturm und Regen, mal bei Windstille und Sonnenschein. Ich hab da eine Theorie: im Zentralkraftwerk sitzt der Aufseher und liest Zeitung. Dabei kibbelt er mit dem Stuhl. Er wird müde, die Augen fallen ihm zu, der Stuhl mitsamt dem Mann und der Zeitung kippt nach hinten - mit dem Hinterkopf faellt der Schlaefer gegen den Hauptschalter und überall geht sogleich der Strom aus!
"Draußen werden die Parktaschen geleert." - :)
Du hast wirklich eine satirische/ironische/parodistische (?) Ader!
Meine früheste Erinnerung an Stromausfälle haben mit Gewittern zu tun. Wenn's so richtig blitzte und knallte in der Uckermark, dann fiel auch bald der Strom aus, die Eltern holten uns aus dem Bett, und dann saßen wir zu sechst schweigend da, bis es vorbei war.
Liebe kay.kloetzer,
dass Dein Kühlschrank schweigt, geht ja noch. Blöder ist, wenn Dein Waffeleisen roger sagt, wegen des CB-Funker im Keller.
weinsztein
CB-Funkers
"...und dann saßen wir zu sechst schweigend da, bis es vorbei war..."
Die Uckermärker, selbst in der größten Not schwiegen sie sich schweigend an.
Naja, Hauptsache, ihr hattet 6 Stühle, oder Hocker, oder Sitzbank ;)
3 Stühle, folgende Besetzung: Stuhl 1, mein ältester Bruder und ich; Stuhl 2, meine Mama, meinen jüngsten Bruder auf dem Schoß; Stuhl 3, mein Papa, meinen zweitjüngsten Bruder, den dicken, auf dem Schoß...
Watt, nur Brüder? Da war die Entwicklungsstörung vorprogrammiert.
Aber ich hab da auch so mein Zählproblem bei Geschwistern. Ich habe einen Bruder und drei Schwestern. Bei meinen Schwestern war das so schön ausgeglichen, jede von ihnen hatte 2 Brüder und 2 Schwestern. Ist das nicht gemein? War bestimmt der Klassenfeind dran Schuld.
Mit 3 Stühle, da hatteter keen ordentlichen Tisch? Stand da noch die Brennsuppe von vorgestern drauf? Wieso gab's im Sozialismus der DDR-Ausprägung dicke Brüder? War das evtl. ein Waffenbruder? In der Uckermark gab's ja Russen, mehr als in der Sowjetunion.
@ rainer: seitdem stelle ich jeden abend eine kerze in den kühlschrank, damit, wenn bei mir morgen ist, noch licht brennt.
@hibou: an so einen zentralkraftwerker habe ich auch schon gedacht. es war ja die ganze straße ohne strom. da hat, dachte ich, irgendeiner mit rot-grün-schwäche die kabel nach gefühl sortiert - und dann fühlte es sich eben eher kalt und dunkel an.
@goedzak: dit vasteh ick nich. bei fernsehen und bei radio und bei halma schweigen - is klar. aber warum bei stromausfall? wegen der konzentration auf die stuhl-balance? da hättet ihr doch immer noch "reise nach jerusalem" spielen können?!
@ luggi: ich hab's immer geahnt: mathematik schleust ungerechtikeit ins schicksal!
@weinsztein: das habe ich mal erlebt, dass das radio knistert, weil der nachbar seine mikrowelle einschaltet. nicht bei mir natürlich, kommt mir nicht ins haus. also die mikrowelle.
mist, steht falsch, also hier nochmal unter alles:
@ rainer: seitdem stelle ich jeden abend eine kerze in den kühlschrank, damit, wenn bei mir morgen ist, noch licht brennt.
@hibou: an so einen zentralkraftwerker habe ich auch schon gedacht. es war ja die ganze straße ohne strom. da hat, dachte ich, irgendeiner mit rot-grün-schwäche die kabel nach gefühl sortiert - und dann fühlte es sich eben eher kalt und dunkel an.
@goedzak: dit vasteh ick nich. bei fernsehen und bei radio und bei halma schweigen - is klar. aber warum bei stromausfall? wegen der konzentration auf die stuhl-balance? da hättet ihr doch immer noch "reise nach jerusalem" spielen können?!
@ luggi: ich hab's immer geahnt: mathematik schleust ungerechtikeit ins schicksal!
@weinsztein: das habe ich mal erlebt, dass das radio knistert, weil der nachbar seine mikrowelle einschaltet. nicht bei mir natürlich, kommt mir nicht ins haus. also die mikrowelle.
Im Haus habe ich immer einen Campingkocher und ein paar Kartuschen. Alter Pfadfinder (ohne Feuerstelle)
...und unterwegs Taschenmesser, Streichhölzer und Bindfaden?
Nur ein Taschenmesser, der Rest wird gebastelt.
MacGyver?
leelah, wasn passiert? Dein Teint wirkt plötzlich so ungesund...
Sehr schön.
Ich durfte mal ein Wochenende ohne Strom erleben, freiwillig und angekündigt: Bundeswehrzeit, eine Kaserne in einer westdeutschen Großstadt. Einige von uns blieben trotz der Ankündigung vor Ort, da wir zu Hause eh nichts weiter vor hatten.
So besorgten auch wir Kerzen, holten die Spiegel aus dem Waschraum (Hat man eigentlich MEHR Licht, wenn man eine Lichtquelle spiegelt?), stellten klassische Musik an (Batterien!) und ein Schachbrett auf, dazu Bücher und erzählte Geschichten. Es war und blieb ein eher seltener Zeitvertreib - zumal in einer Kaserne...
@ merdeister
Ein Taschenmesser reicht auch voll und ganz... (Bewertungen lesen!)
Bei uns wird gerne gefeiert. Alle feiern. Vor allem die Natives. Am liebsten im Sommer. Aber im Winter auch.
Wir hatten bis vor wenigen Wochen ein zentrales Krafwerk.
Für uns ist es aus den o.g. Gründen alltäglich gewesen, dass hier die Gesamte Versorgung durch Strom Wasser stundenlang ausfiehl. Es wurde Jahrzehnte hingenommen.
Jetzt ist das nicht mehr so. Wir werden über das Festland versorgt. Bis jetzt funktioniert alles einwandfrei.
Was macht man in den Stunden des Stromausfalls üblicherweise?
Man geht vor die Tür. Trifft dort auf die Anderen. Dann geht man in die Kneipe. Falls man nicht vorher schon in der Kneipe gesessen hat. Alles kein Problem.
@leelah MacGyver!
@ Friedland das Problem mit dem Fluxkompensator war mir tatsächlich nicht bekannt. Danke-.
MerdeGyver find ich gut!
@goedzak: das passiert wenn Schlaflosigkeit, Photoshop und völlige Talentfreiheit in Sachen Bildbearbeitung aufeinandertreffen ;)
@Friedland: das ist SO gut, danke, dass du es mir wieder in Erinnerung gerufen hast. Ich stelle mir immer vor, wie der erste auf die Idee kam und fassungslos zusehen kann, wie einer nach dem anderen auf den Zug mit aufspringt.