"Schön, wie Sie reagieren"

Kabarett Uwe Steimle ist Polemiker aus Leidenschaft. Das gefällt „Pegida“-Demonstranten wie auch seinem Publikum. Am Donnerstag stand er auf der Kabarett-Bühne. Was sagt er dort?

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Kabarettist Uwe Steimle: Provokatiönchen aus der Prepper-Kiste
Kabarettist Uwe Steimle: Provokatiönchen aus der Prepper-Kiste

Foto: Guido Werner, Pressefoto Uwe Steimle. https://www.guido-werner.com/

„Genau“ sagt Uwe Steimle. Immer wieder sagt er es. „Genau“ fungiert als Scharnier zwischen zwei Gedanken oder markiert den Rand eines in alle Richtungen offenen Satzes, es ist sein „Andererseits“ und sein „Basta!. Man kann auch sagen: Es ist sein Pfeifen im Wald. Beim ausverkauften Gastspiel im Leipziger Kabarett Academixer beschert das den Zuschauer jene Bestätigung, die sie von einem Abend mit Uwe Steimle erwarten. Sie nicken und murmeln: „Genau!“

Uwe Steimle (55) ist Kabarettist, Schauspieler und Dresdner. Er ist aber auch Klassensprecher der Enttäuschten. Im MDR-Abendprogramm führt er durch „Steimles Welt“, die meisten im Saal haben es – Handzeichen! - eben erst gesehen. Die Zuneigung des MDR war etwas abgekühlt, weil Steimle im Interview mit der „Jungen Freiheit“ auch seinen Heimatsender angegriffen hat. "Ich bin Satiriker", erklärt er in einer "Stellungnahme" auf seiner Homepage. "Satire muss auch wehtun können und eine Demokratie muss das aushalten können."

Steimle geht vor der Kamera ganz nah ran an die Menschen, im Saal rücken sie nun ganz dicht zu ihm auf. „Wenn die Ampel ausfällt, gilt rechts vor links“, hat er in der Sendung gesagt. Und es war nicht nur verkehrsstrategisch gemeint, eingeleitet von einem typischen Steimle-Satz: „Ich bin nicht links, ich bin nicht rechts, ich bin vorn.“ Der Kasper hält von innen die Schublade zu, in die andere ihn gesteckt haben.

„Ich halte mich für einen Linken“, sagt er im Academixer-Keller. Ja was denn nun?

„Fludschen muss es“ heißt der Abend. Ein Lied dazu gibt es auch. Ein Programm im vertrauten Sinn ist das nicht. „Heimatstunde“ und „Zeit heilt alle Wunder“ sind andere Auftritte überschrieben, und immer liefert Steimle, was Steimle verspricht: Steimle.

Das muss nicht schlecht sein. Die Chefaufklärer vom Belehrungskabarett haben schon alles gesagt, wenn sie die Handflächen aneinanderlegen. Er noch nicht. Weil ihm so viel am Herzen liegt, ruht die Hand oft auf der linken Brust. Manchmal auch auf der rechten. Genau.

Seine Themen-Pflöcke sind rasch eingeschlagen: DDR-Alltag, sächsische Mentalität, Frieden. Dazwischen streut Steimle Provokatiönchen aus der Prepper-Kiste konservierter Renitenz.

Wenn schon die Formulierung „das Merkel“ das Publikum zum Kreischen bringt, brennt natürlich die Luft nach der niedrigschwelligen Pointe, der SPD das Finanzministerium anzuvertrauen, sei, wie dem Hund zu sagen, er solle auf die Wurst aufpassen. „Merkel und ihre Journalisten-Guerilla.“ - Zustimmung. „In diesem Land gilt ja schon als integriert, wer Fahrradfahren kann.“ - Begeisterung. „Im Gegensatz zu uns Deutschen sind die Russen eine stolze Nation.“ - Applaus. „Es gibt keine Verschwörungstheorien. Es gibt nur Verschwörungen. Ende der Debatte!“ - Noch mehr Applaus. „Ein Land, in dem die Verteidigungsministerin mehr Kinder hat als einsatzfähige Flugzeuge ...“ - Jubel. Damit ist für ihn alles gesagt. Die „Landsleute“ erfühlen den Rest.

Es sind tatsächlich sie, für die sich Steimle interessiert. Ihr Leben, ihre Heimat, ihr Damals. Es sind ihre Erinnerungen, an die er appelliert, wenn das Wort Haushaltstag fällt. „Wissen Sie noch? Genau.“ Eine Partei, die sich für den Haushaltstag einsetzt, würde er sofort wählen. Andererseits ist Steimle ja seine eigene Partei, ein zärtlicher Einpeitscher in der dünnen Luft zwischen Motivationssitzung und Therapieshow. Das alles führt zu nicht als Einverständnis. Auch im Lachen über Westdeutsche, die den Osten bis heute nicht verstanden haben. Hier überzeugt, wie gut der Schauspieler sie parodieren kann.

Aus künstlerischer Sicht hilft es dem Abend wenig, dass Steimle aus seinem Buch „Heimatstunde“ (2013) liest und alle gemeinsam „Die Gedanken sind frei“ singen und „Uns're Katz heißt Mohrle“ und „Kleine weiße Friedenstaube“. „Schön, wie Sie reagieren“, freut er sich, der Friedensbengel, der ein „Seismograph der Zeit“ sein will, aber das Thermometer der Zustände bleibt. Sein Blick zurück bringt keinen Schritt nach vorn. Satire wäre schön gewesen.

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Geschrieben von

kay.kloetzer

Kulturtante in Leipzig.

kay.kloetzer

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