Schubumkehr

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Kulturpessimisten und Verfechter der historischen Aufführungspraxis haben es immer gewusst: Es kommt noch schlimmer. Wie viel schlimmer genau, wissen wir seit heute. Ganz schlimm. Das Ganze hat zwei Namen: Justus Frantz und Otto Waalkes. Wer ist Otto Waalkes? Werden die Älteren fragen. Und die Jüngeren: Was war Justus Frantz? Es sind die neuen Marketing-Helden des Klassikers „Peter und der Wolf“. Das, liebe Kinder, ist ein musikalisches Märchen von Sergej Prokofjew, darin er den Tieren Instrumente zuordnet, wobei Peter von Streichern umspielt wird, der Großvater vom Fagott, Klarinetten-gleich schleicht die Katze sich an, und wie ein Horn droht der Wolf. Der übrigens am Ende im Gefängnis landet, also im Zoo, aber darum geht es hier nicht. Es geht um Justus und Otto, die demnächst in diesem Stück auf die Provinz-Bretter von Osnabrück, Rastede und Hameln wollen, fest entschlossen „Humor mit klassischer Musik“ zu kombinieren. Es ist nämlich so, dass zu Peters Wolf ein Sprecher die Handlung umreißt. Vermutlich Otto. Sofern er nicht dirigiert. Wem genau wollen die beiden eigentlich den Abend verderben? Es scheint eine Publikumspopulation heimisch zu werden, die Schokoladenwerbung ins Klassikregal sortiert und Grimassen unter Komik speichert. Am Ende dieser Zuspitzung spielt Mario Barth den Faust, und Cindy von Marzahn singt uns die Turandot. Natürlich in den Stadien dieser Republik. Wie sollen unsere Kinder darauf reagieren? Wie alle Pubertierenden: mit Verweigerung. Sie tauschen auf dem Schulhof einen Callas-Mitschnitt gegen die Textfassung der zweiten Tabori-Inszenierung, sie verkaufen ihre Großmutter für 18 Bände Márai-Tagebücher und ihr letztes Hemd für eine 24-Stunden-Lyrik-Lesung. Keine schlechte Entwicklung eigentlich.

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Geschrieben von

kay.kloetzer

Kulturtante in Leipzig.

kay.kloetzer

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