Es lebt in Leipzig ein sehr kleines Mädchen, das lange glaubte, Großmütter gebe es nur im Märchen. Es wurde inzwischen aufgeklärt. Es leben in Deutschland sehr viele Menschen, die sich borgen, was sie nicht besitzen oder besitzen wollen oder besitzen müssen. Das ist leicht und belastet nicht.
Carsharing, Leihbücherei, angeblich haben wir ja diese ganze Erde von unseren Kindern nur geliehen. Und die Zukunft von unseren Enkeln. Darum wohl müssen die sich jetzt ihre Großmütter leihen. „Großelterndienst“ heißt dieser Service, 220 dieser Dienste gibt es bundesweit.
Verantwortlich für den Boom seien veränderte Familienstrukturen und die Anforderungen, die der Arbeitsmarkt an die Familien stelle, vermeldet dpa und borgt sich diese Begründung von Sigrun Fuchs, Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen, die dies auf dem ersten Bundestreffen der Dienste in Erfurt sprach. Sowie: „Die Leute ziehen dem Job hinterher, aber sie ziehen nicht mit der Oma um.“
Das ist natürlich nur die halbe Lüge. Verantwortlich für die veränderten Familienstrukturen ist der Boom des Spätgebärens. In vitro veritas. Junge Mütter sind jetzt im Großmütteralter . Der Vorruhestand fällt mit der Elternzeit zusammen, Betreuungsgeld wird mit dem Pflegegeld verrechnet. Ein Altersheim ohne hauseigene Kita kann im Grunde Pleite gehen.
So werden entfernte Verwandte durch geborgte Verwandte ersetzt, weil die traditionellen Studenten keine Zeit mehr zum Babysitten haben, seitdem sie ihre altern Eltern pflegen müssen. Und wurde Günter Wallraff nicht neulich mit Stützstrümpfen auf einem Spielplatz gesehen?
Bald wird er enthüllen, dass Serien-Darsteller an drehfreien Tagen die Leih-Omas mimen, damit die Kinder von vertrauten Gesichtern umgeben sind, während die echten Omis bwim Power-Pilates ihren BMI optimieren. Wer will denn heutzutage mit 95 aufs Altern reduziert werden? Großmütter gibt es nur noch im Märchen.
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Kommentare 15
"Das ist natürlich nur die halbe Lüge." :-))
... da ist sie endlich, die vaterlose Gesellschaft:
" Junge Mütter sind jetzt im Großmütteralter...."
In vitro veritas ;-)) *****
jaaa, väter, großväter gibt es auch, natürlich. aber die sind doch eh nur mit, entscheidungen kommen aus dem bauch.
Kommt es heutzutage gar nicht mehr vor, dass die Eltern den Jobs ohne Kinder nachreisen, und die Kinder bei den Großeltern, den blutsverwandschaftlichen, bleiben?
das gibt es bestimmt verdammt oft, aber das lässt sich nicht so gut verkaufen wie ein vorgeblich therapeutisches projekt.
"Bald wird er enthüllen, dass Serien-Darsteller an drehfreien Tagen die Leih-Omas mimen, damit die Kinder von vertrauten Gesichtern umgeben sind, während die echten Omis bwim Power-Pilates ihren BMI optimieren."
Das ist im Prinzip schon ein Skript der frühen Bundesrepublik: "Nicht nur zur Weihnachtszeit...".
liebe kk, wo bleibt denn da die heilige familie?
ach ja, "wir sind doch alle eine große familie".
und für viele kinder ist oma synonym für alte frau bzw. opa für alten mann. dann passt doch alles zusammen, was im märchen schon immer zusammenpasste. tauschen hat doch aber nichts zu tun mit täuschen.
Pfingstferien
Vorsichtig am Gehweg führt ein alter Mann einen sechs/sieben jährigen Jungen über die Straße. Ist es sein Enkel, sein Urenkel, wer kann es wissen? Brav hört der Junge den Geschichten, -oder sind es Mahnungen? - des alten Mannes zu. Kein Übermut, gemessen und schüchtern geht es zum Hort, der später aufmachen wird. Erst am Spielehof des Horts lässt das Kind die Hand des Alten los. Verstört rennt es los, den Kopf wendend und rettet sich in die Gruppe der Gleichaltrigen. Es winkt. Der alte Mann hebt die Hand. Langsam geht er den Weg zurück. Am Nachmittag wird er den Buben abholen. Eine Geschäftsidee hat er nicht. Ihm reicht es so.
... oh, Du hast so recht, weise k.k.:
Die Entscheidungen kommen aus dem Bauch...;-))
stimmt! danke für die erinnerung an diese geschichte. und noch immer halten wir es für fiktion ...
lieber h.yuren, ich bin ja sehr für wahlverwandschaften, schon, weil die eigene so klein ist. aber auch überhaupt, um dem "wir sind doch alle eine große familie"-spiel etwas wahres unterzujubeln.
eine schöne geschichte.
Mir fällt dazu der Witz ein, den mir vor Jahren einmal ein Kolege erzählte:
Ein altes Ehepaar kommt zum Anwalt und will sich scheiden lassen.
Anwalt: "Wie alt sind Sie beide denn?"
Er: "95."
Sie: "93."
Anwalt: "Ja, und wie lange sind Die verheiratet?"
Er und sie: " 75 Jahre."
Anwalt: "Was? Nach 75 Jahren wollen Sie sich noch scheiden lassen? Meinen Sie das ernst?"
Er und sie: "Tja, wir hatten gedacht - jetzt, wo die Kinder alle tot sind..."
hihi, den hat Dein kollege aus dem leipziger kabarett. es kann natürlich auch umgedreht sein. von irgendwie sächsischer logik ist er jedenfalls!
Tja, Du weißt doch: Die Sachsen sind überall _ lies mal bei Karl May nach!
Der Kollege war allerdings kein Sachse, und den Witz hat er, glaube ich, noch zu jener Zeit erzählt, da der Osten der Osten und der Westen der Westen war.
Wie dem auch sei, der Humorgehalt des Witzes ändert sich weder durch das eine noch das andere.