Tingeltangel bis zur Trunkenheit

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Stefan Klucke und Dirk Pursche verstehen die Welt nicht mehr. Eine Welt voller „BILD-Zeitung lesender Spiegeltrinker“, in der „Saubermänner Dreck am Stecken" haben und „schwarze Kassen weiße Flecken“. Also macht das Musikkabarett-Duo Schwarze Grütze mit seinem neuen Programm „TabularasaTrotzTohuwabohu!“, macht reinen Tisch im Chaos weltpolitischen Irr- und alltäglichen Wahnsinns. Am 10. Februar war im Leipziger Academixer-Keller die bejubelte Premiere.

Und die ist für die Potsdamer ein Heimspiel. Hier hatte 2009 ihr „Bühnenarrest“ Premiere, gab es 2005 für „NiveauwonieNiveauwar“ den Lachmesse-Preis „Leipziger Löwenzahn“. Der Saal ist voller Fans und Freunde, die am Ende mehrere Zugaben erklatschen und sich die Klassiker heimtückischen Humors aus dem über 15-jährigen Schaffen wünschen: „Maria“ , „Einer geht noch“, Hochhaus-Lied.

Im neuen Programm steht die Sprache im Zentrum, die Schwarze Grütze in ihren eigenen Texten und Liedern beim Wort nehmen – etwa nach dem Prinzip der Paarung. Wenn der Kurswechsel zum Wechselkurs wird und der Hammervorschlag zum Vorschlaghammer, weiß die neue Mitte nicht mehr, wo vorn und wo hinten ist. Und darum geht es. Oder um Gleichklang. Der gehört – wie schon Stab- und Schüttelreim – zur Familie der "vom Aussterben bedrohten Reimformen". Den Gleichklang zu retten, geht ungefähr so: „Wegen den Formaldehyden soll man sich vor Aldi hüten“. Nonsens zum Mitmachen.

Im Reich der guten Laune ist der Refrain König als Pointe: Osama bin Laden, Atomkraftwerke oder die Leiche der Frau - „Ich stells zu Ebay, es wird schon jemand kaufen.“ Im Land der Verbote und Bußgelder ist Tadellosigkeit Klassenkampf: „Wir dreh'n den Geldhahn zu, das zwingt sie in die Knie“ In Zeiten grassierender Krankheiten ist „Mein Sohn hat ADHS“ als komische Übertreibung in der Realität angekommen, bis zum Cover-Medley-Höhepunkt „Er spielt jetzt Cello ...“ Im Zustand allgemeiner Überforderung lässt man sich besser „das Hirn absaugen“, so wird die Welt schön und der Mensch fähig zu BILD, FDP und dem Bestseller „Ich bin dann mal blöd“.

„Mit Musik kommt man in die Köpfe der Menschen“, sagt Stefan Klucke. Am Klavier oder mit Gitarre mobbt er sich als Mobby ganz nach oben. Oder er streift als GEMA-Spion durch die Nachbarschaft, „die GEMA ist die Stasi der Musik“. Immer an der Grenze zum Bösen. Darum darf er im angetäuschten Paarkonflikt auch Dirk Pursche ärgern: „Es gibt Musiker und Bassisten“). Der wiederum schafft sein Geld zum „Meister“, der ihm mit viel heißer Luft hilft, dem alten Leben zu entschweben, der ihm das Fleischessen austreibt, Gewalt und Gedanken an Sex. Auch hier ist die Komik gut in Form: Seit dem Anti-Aggressions-Kurs nämlich, weiß er, „was gehauen und gestochen ist: Wir müssen Gewehr bei Fuß stehen und der Aggression den Krieg erklären.“

So unterlaufen Schwarze Grütze im Tohuwabohu der abgelenkten Gesellschaft hin und wieder die Erwartungen und führen immer fröhlich zur Erkenntnis, dass unbeschwertes Lachen gar nicht weh tun muss. Und dass Wörter die Waffen dieser Spaßguerilla sind.

Ein kleines Meisterwerk ist das „Tour-Tagebuch“, in dem von Anfang bis Ende jedes, wirklich jedes Wort mit einem T beginnt - von der Tankstelle über Tortellini-Teigwaren-Terrine, total taube Tontechniker und traurigen Tingeltangel bis zur Trunkenheit. Das geht bei aller Spielerei doch irgendwie auf. Toll!

www.schwarze-gruetze.de

(zuerst erschienen auf www.liveundlustig.de)

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Geschrieben von

kay.kloetzer

Kulturtante in Leipzig.

kay.kloetzer

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