Es ist jetzt schon eine ganze Weile her, dass Tom Wolfe The Right Stuff geschrieben hat, nicht nur ein Buch über die Anfänge der bemannten Raumfahrt in den USA, sondern auch ein Abgesang auf die letzten Männer, jene inzwischen ausgestorbene Spezies, die noch das Zeug zum Heldentum besaß. Dass diese Männer, genauer gesagt die Elite der amerikanischen Testpiloten, mit einer Gruppe Schimpansen darum buhlen musste, wer als erstes in den Weltraum geschossen wird, war wohl das, was man Ironie der Geschichte nennt. Ausgerechnet beim »größten Abenteuer der Menschheit« spielten so maskuline Eigenschaften wie technische Expertise und äußerster Wagemut keine entscheidende Rolle mehr. Eingepfercht in ihre kleinen, nicht lenkbaren Kapseln waren Astronauten für einige Spötter denn auch nichts weiter als Dosenfleisch.
Im Gegensatz dazu werden die Männer, die ihre Maschinen selbst in Richtung der letzten frontier steuerten, mittlerweile als Prototypen eines mythischen, nicht inkorporierten Amerikas verehrt. In Philip Kaufmans Verfilmung von The Right Stuff (1983) geht der Testpilot sogar direkt aus dem Cowboy hervor: Bevor er zum ersten Mal die Schallmauer durchbricht, reitet der legendäre Chuck Yeager (Sam Shephard) noch durch die Wüste, wo er schließlich auf eine röhrende Maschine trifft, die den Platz des Pferdes einnehmen wird. Clint Eastwood hat diese Szene sicherlich gefallen, und Kaufmans Film wird in Space Cowboys auch entsprechend Respekt gezollt. Aber nach einer fast identischen Anfangssequenz (schwarz-weißen Flugaufnahmen) landet Eastwoods Film nicht im Jahre 1947, sondern in der Jetztzeit, sprich: Ein paar besonders zähe Testpiloten leben offenbar immer noch.
Dass es sich bei diesen Männern teilweise um das Alteisen Hollywoods handelt, verleiht Space Cowboys nicht nur seinen besonderen Charme; der Film greift schon durch seine Besetzung das Thema von The Right Stuff auf. Vor allem das Wiedersehen mit dem siechen James Garner (Ex-Detektiv Rockford) erinnert daran, dass wie einst die Elite der Testpiloten auch eine ganze Generation von Westernhelden einmal kaltgestellt worden ist. Selbst Leute wie Eastwood oder Garner, die beide noch als Cowboys angelernt wurden, blieben in den siebziger Jahren mehr oder weniger erfolgreiche Randfiguren, und nur Eastwood hat sich als ewig einsam Daherreitender mit der eigenen Produktionsfirma Malpaso im Rücken eine große Karriere aufbauen können. Seine Filme handeln denn auch meistens von Figuren, die aus ihrer Zeit wie Fremdkörper herausragen. Männer, die mit ihrer (korrupten) Umwelt zwangsläufig in Konflikt geraten, dabei aber selbst vom Untergang gezeichnet sind.
In Space Cowboys tritt Eastwood nun als Wiedergänger aus den fünfziger Jahren auf: Frank Corvin ist eines der Flieger-Asse, die damals von der Primatenbrut der NASA gedemütigt worden sind. Als man auf seine Hilfe bei der Reparatur eines russischen Satelliten angewiesen ist, verlangt er Wiedergutmachung - nach 40 Jahren will er mit seinem Team Daedalus endlich in den Weltraum hoch. Aber so einfach ist es nicht, das angeschlagene Individuum nochmal in Amt und Würde zu versetzen. Wie schon in Unforgiven und In the Line of Fire veranschaulicht der altersschwache Körper die Hoffnungslosigkeit dieses Projekts: Jerry (Donald Sutherland) hat zwar Erfolg bei Frauen, kann sie aber ohne Brille kaum noch sehen, Tank (James Garner) geht nach dem anstrengenden Training auf sein Zimmer, um sich in Ruhe auszuweinen, bei Hawk (Tommy Lee Jones) wird unheilbarer Krebs entdeckt, und Frank kann schließlich seine Freunde nur beschwören: »Versucht lebendig auszusehen, tut mir den Gefallen.«
Solche Selbstironie straft das traditionelle Heldentum natürlich nicht nur Lügen - gerade weil seine Vertreter so gebrechlich sind, dass von ihnen keine Bedrohung mehr ausgeht, erscheint das Eastwoodsche Männlichkeitsideal eigentlich schon wieder ganz annehmbar. Die hinfälligen Körper erlauben also den nostalgischen Blick zurück, aber je mehr Tests sie überstehen, umso mehr kommt die Vergangenheit auch wieder ins Bild. Die erste Hälfte des Films mit ihren ständigen Witzeleien, Atembeschwerden und Leibesvisitationen leitet insofern eine Zeitreise in die fünfziger Jahre ein, bei der das Team Daedalus - furchtlos, entscheidungsfreudig und idealistisch wie es eben ist - die Welt noch einmal vor russischen Atomwaffen retten darf.
Anders als bei seinem ersten Auftritt als Super-Pilot (in dem sicher schon verjährten Firefox) liegt Eastwood diesmal allerdings nichts daran, den Kalten Krieg wieder aufzuwärmen. Eher geht es um den Versuch, sich als Mensch gegen eine Maschine zu behaupten, die keiner Kontrolle mehr unterliegt. Als ob die Männer rückwirkend die technische Entwicklung aufhalten können, die bis heute ihre (und unsere) Kompetenz in Frage stellt. Umso auffälliger, dass die Körper, die man gerade noch nackt gesehen hat, jetzt vollverschalt und verdrahtet sind, und wo eben noch Dialog und Schauspiel den Film bestimmten, ist es nun das technische Spektakel im All: ein riesiger Schrottberg, der den Männern und ihren digitalen Doubles um die Ohren fliegt. Das heißt nicht unbedingt, dass Eastwood im Alter doch noch seinen Widerstand gegen ein technoides Actionkino aufgegeben hat (die Trickaufnahmen ermöglichen auch Momente astronautischer Erhabenheit), aber soviele Special Effects hat man noch in keinem seiner Filme gesehen.
Angesichts dieser technischen Krücken bleibt die Souveränität des Individuums auch im Weltraum noch eine Utopie, die permanent zu scheitern droht. So wie immer wieder beteuert wird, dass nur Schwächlinge Bordcomputer bedienen, nach einem unsicheren Landemanöver aber bedrücktes Schweigen herrscht. Zudem führt übertriebener Heroismus schließlich doch nur in die Isolation. Das klingt vielleicht nicht nach einer großen Neuigkeit, in den Dirty Harry-Filmen oder Unforgiven ist es ja selbstverständlich, dass Eastwoods Figuren ob ihrer Gewalttätigkeit aus dem sozialen Gefüge ausgeschlossen bleiben. Aber was in den Western der einsame Ritt in die Berge war, wird in Space Cowboys zum tragischen Opfergang: Vor eine gewaltige Maschine gespannt fliegt eine kleine menschliche Gestalt in den Weltraum hinaus. Ob damit der von der Technik versklavte Mensch oder der letzte Held verabschiedet wird, ist an diesem Punkt nicht mehr zu unterscheiden. Es deutet aber alles darauf hin, dass auch die letzten Männer mal zuhause ausspannen wollen.
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