Geschlechtergerechte Sprache ohne Gendern

Geschlechtergerechtigkeit Zwei Lager (Generisches Maskulinum versus Gender-Sprache) stehen sich scheinbar unversöhnlich gegenüber – doch es gibt eine pragmatische Lösung.

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Die These, dass Frauen durch das generische Maskulinum (Beispiel: „die Schüler“) latent diskriminiert würden, wird – wohlgemerkt auch von Frauen selbst – mehrheitlich bestritten; für Zwecke dieses Artikels soll jedoch unterstellt werden, dass diese Prämisse zutrifft und Änderungsbedarf besteht. Fest steht jedenfalls, dass gegenwärtig – insbesondere durch (vor allem öffentlich-rechtliche) Medien – ein Wandel der Sprache forciert wird, mit dem das generische Maskulinum durch die Gender-Sprache (Beispiel: „die Schüler*innen“) zunehmend verdrängt wird. Doch die Gender-Sprache bringt einige Probleme mit sich:

Erstens wird die Aufmerksamkeit durch die vielen Gender-Sternchen bzw. Sprechpausen immer wieder vom sachlichen Inhalt eines Texts auf das Geschlecht gelenkt, das doch idealerweise egal sein sollte. Zweitens wird die Sprechpause häufig „verschluckt“, sodass nur noch die weibliche Form genannt wird (z. B. „Mitarbeiterinnen“) und Männer sich wiederum vernachlässigt fühlen können. Drittens sind Begriffe wie „Bürger*innenmeister*innen“, die mittlerweile völlig unironisch gebraucht werden, überaus sperrig und unschön. Viertens müssten u. a. fast alle Gesetze gegendert werden, wodurch sie sprachlich noch komplizierter und damit für die Allgemeinheit noch schwerer verständlich würden. Die Liste ließe sich fortführen.

Es geht auch gerecht und einfach

Eine geschlechtergerechte Sprache lässt sich indessen auch auf andere, wesentlich einfachere Weise erreichen: Wenn – wie häufig vorgebracht – Sprache sich wandeln kann, dann auch dergestalt, dass es nicht mehr ein Maskulinum und ein Femininum, sondern nur noch ein universales Geschlecht für Personen gibt; nennen wir es Universalum. Würden wir also (der englischen Sprache entsprechend) auch Frauen nur noch als „Student“, „Verbraucher“ oder „Autor“ usw. bezeichnen und auf das Suffix „in“ generell verzichten, so würde man bei solchen Wörtern schon bald eben nicht mehr vorwiegend an Männer denken, sodass sie damit ohne weiteres geschlechtergerecht wären.

Die Gender-Sprache ist ein Folgefehler

Für diesen Ansatz spricht – neben der daraus resultierenden Geschlechtergerechtigkeit – auch, dass die unterschiedlichen Bezeichnungen (z. B. „Politikerinnen und Politiker“) ohne Grund eine nennenswerte Ungleichheit zwischen Frauen und Männern suggerieren. Außerdem ist die zusätzliche Information über das Geschlecht bei den meisten Bezeichnungen dieser Art völlig irrelevant; Geschlechter in der Sprache sind überflüssig. Die Gender-Sprache ist insofern ein Folgefehler. Effizienter wäre es, den ursprünglichen Fehler – nämlich die Differenzierung durch das Suffix „in“ bzw. „innen“ – zu korrigieren.

Diskriminierung könnte also ganz einfach dadurch beseitigt werden, dass die Differenzierung beseitigt wird. Immerhin wird bei Personenbezeichnungen (zum Glück) nicht nach religiösen und nichtreligiösen, schwarzen und weißen, deutschen und ausländischen Menschen differenziert – da diese Merkmale zurecht nicht von Interesse sind und eben keinen Unterschied machen. Dementsprechend sollten wir auch nicht zwischen männlichen, weiblichen und sonstigen Menschen differenzieren. Englische Wörter wie „student“, „user“ oder „consumer“ sind wunderbar unproblematisch; das könnten und sollten deutsche Wörter auch sein. Stattdessen machen wir aus generischen Anglizismen wie „Influencer“ unnötig „Influencer*innen“ – nicht unbedingt ein Vorzug der deutschen Sprache.

Die ideellen und realen Vorteile

Der Ersatz des Maskulinums und des Femininums durch das Universalum wäre im Vergleich zur Gender-Sprache der wesentlich elegantere Weg zu einer geschlechtergerechten, nämlich geschlechtsneutralen Sprache. Eine solche Sprache würde dem Grundsatz der Gleichheit aller Menschen eher entsprechen als eine Unterscheidung zwischen Geschlechtern, die durch die Gender-Sprache auch noch andauernd hervorgehoben wird. Zugehörige des „Dritten Geschlechts” müssten sich nicht mit einem läppischen Sternchen oder einer (oft auch noch vergessenen) Sprechpause abspeisen lassen, denn sie wären in der gleichen Weise wie Frauen und Männer und damit gleichrangig vom Universalum umfasst.

Von Gegnern der Gender-Sprache wird häufig vorgebracht, dass sie zur Geschlechtergerechtigkeit im realen Leben nichts beitrage. In diesem Punkt kann man unterschiedlicher Auffassung sein. Beim Universalum allerdings liegt es nahe, dass es erhebliche reale Vorteile für Frauen bewirken kann: Wenn Menschen etwa medizinische, juristische oder therapeutische Hilfe benötigen, suchen die meisten auf Google eben den generischen Begriff „(Haus-)Arzt”, „Anwalt” oder „Therapeut”. Den mutmaßlichen Nachteil für Frauen könnte man am effektivsten dadurch ausgleichen, dass solche Begriffe Frauen und Männer zugleich bezeichnen.

Dass das Universalum sich einbürgert, mag zunächst utopisch erscheinen, doch wie sehr sich der Sprachgebrauch bei vielen ändern kann, hat sich in den letzten Jahren gezeigt. Dass die Gender-Sprache sich so weit verbreitet, hätte man vor einiger Zeit auch nicht für möglich gehalten. Ein entsprechender Wandel hängt davon ab, wie viele das Konzept für überzeugend halten und anwenden. Im Übrigen würde sich mit dem Universalum insgesamt weniger verändern als durch die Gender-Sprache.

Wir müssten keine sprachlichen Ungetüme wie z. B. Freund*inschaft, Lehrer*innenzimmer, Bürger*innenmeister*innen oder Jüd*innentum (zumal es keine „Jüden“ gibt) erfinden – die sich wohl kaum allgemein durchsetzen werden, sodass man sich im Einzelnen immer wieder über dieses Thema streiten würde. Auch die Wörter „Arztpraxis“, „Anwaltskanzlei“, „Staatsanwaltschaft“ oder „Gottesdienst“ sind schwierig zu gendern, da das Maskulinum nicht einfach durch ein „in“ zum Femininum wird. Würde man – wie von einigen gefordert – konsequent gendern, so würde man auch Wörter wie freundlich oder künstlerisch, die auf dem Maskulinum beruhen, gendern („freund*inlich“, „künstler*inisch”) – was mittlerweile gar nicht mehr so unrealistisch erscheint. Die Sprache der Dichter und Denker würde langsam aber sicher verunstaltet.

Wie es funktionieren kann

Da das generische Maskulinum immer mehr an Akzeptanz verliert, ist das Universalum notwendig, um eine solche Verunstaltung zu verhindern. Dies setzt allerdings voraus, dass viele Frauen so pragmatisch und uneitel sind, dass sie auf die feminine Form verzichten und sich selbst beispielsweise als „Autor“ oder „Student“ bezeichnen (im Englischen ist eine Frau ja auch „author“ oder „student“, es ist also nicht so abwegig, wie es zunächst scheint). In der Übergangsphase müsste man unter Umständen ein „(m/w/d)“ oder ein „*“ – zumindest in der Schriftsprache – hinzufügen, bis das Universalum geläufig ist.

Die Gründe, warum gerade das Maskulinum und nicht das Femininum als Universalum gelten soll, liegen auf der Hand: Es würde den immer noch geltenden und üblichen Regeln des generischen Maskulinums, an die wir (noch) gewöhnt sind, entsprechen; wir müssten nicht aufwendig alle Gesetze umschreiben; wir müssten keine unüberschaubare Vielzahl an deutschen Wörtern (Staatsbürgerschaft, freundlich, unternehmerisch etc.) ändern; wir würden unnötige Silben (in/innen) sparen. Es ließe sich also einfach wesentlich effizienter umsetzen.

Was die 3. Person Singular anbelangt, wäre es im nächsten Schritt konsequent, das weibliche Pronomen „sie“ zugunsten eines universalen „er“ aufzugeben. Das bedeutet keinen Vorrang des Männlichen, da nach einer solchen Logik die 3. Person Plural „sie“ einen Vorrang des Weiblichen bedeuten würde. Letztlich geht es nur um einen möglichst einfachen Weg zur geschlechtsneutralen Sprache. Diese Änderung der Personalpronomen wäre kurzfristig sicher gewöhnungsbedürftig, doch das ist die Gender-Sprache auch. Dass etwa mit dem Satz „Jeder kriegt was er verdient“ oder mit dem Pronomen „man“ selbstverständlich auch Frauen gemeint sind, belegt, dass sich solch ein Verständnis durchaus einbürgern kann.

Seien wir pragmatisch

Mit dem Universalum würde nicht nur die Kommunikation generell leichter fallen als mit der Gender-Sprache, weil sich das Universalum besser in die deutsche Sprache einfügen würde; es wäre auch für alle Feministen, die eine Sprache anstreben, in der Männer nicht im Zentrum zu stehen scheinen, das Mittel, mit dem sie ihr eigenes Ziel leichter und sicherer erreichen, insbesondere weil der Widerstand sicherlich geringer wäre. Die wesentlichen Motive dafür, sich gegen diesen Weg zu entscheiden, wären wahrscheinlich Eitelkeit und Trotz, wenn man als Frau meint, dass dann doch „das Maskulinum gegen das Femininum gewonnen“ hätte. Doch eine solche Sichtweise wäre unreif und unsachlich. Vielmehr sollten wir uns pragmatisch und lösungsorientiert vom Ziel einer möglichst gerechten, einfachen, praktikablen und konsensfähigen Sprache leiten lassen.

Natürlich sollte man es unterstützen, dass die Sprache gerecht wird. Jedoch existiert mit dem hier vorgelegten Konzept eine Alternative zur Gendersprache, die eine etwaige Diskriminierung letztlich sogar wirksamer und konsequenter beseitigen kann, aber weniger intensiv in die Sprache eingreift. Angesichts der bestehenden Alternative lässt sich daher nicht mehr behaupten, dass eine ethische Pflicht zur Gender-Sprache bestehe.

In dem Ziel einer geschlechtergerechten Sprache ist sich die Mehrheit einig; in der Gender-Sprache mit Sternchen und Sprechpausen ist sie es eindeutig nicht. Im Wikipedia-Artikel zur geschlechtergerechten Sprache werden die mit dem Gendern verbundenen Komplikationen auf circa 50 Druckseiten beschrieben; mit dem Universalum wären all diese Probleme grundsätzlich gelöst. Es ist das eingängige Mittel, das die Vorzüge des generischen Maskulinums (Vereinfachung) und der Gender-Sprache (Geschlechtergerechtigkeit) kombiniert.

Was wäre das für ein Zeichen des Fortschritts in Deutschland, wenn die Sprache nicht mehr zwischen Frauen und Männern unterscheiden würde? Wir würden damit eindeutig die Gleichheit aller Geschlechter sprachlich zum Ausdruck bringen, zugleich aber auch eine pragmatische Mentalität unter Beweis stellen. Die Gender-Sprache hingegen verkörpert das Gegenteil, indem sie die vermeintliche Unterschiedlichkeit zwischen den Geschlechtern permanent hervorhebt und eine Vielzahl sprachlicher Komplikationen entstehen lässt.

Daher der Appell an die Leser, insbesondere an die Frauen: Ein pragmatischer Sprachwandel ist nur mit Ihrer Mitwirkung möglich. Sie können beeinflussen, wie sich die Sprache weiterentwickelt, indem Sie sich die universale Form zu eigen machen. Lassen Sie uns auf die überflüssigen Suffixe („in“ und „innen“) verzichten – für eine schöne, einfache und gerechte Sprache.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Kevin Japalak

25, Jurastudent, Köln

Kevin Japalak

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