"Lose Your Head" – Weder Techno noch Kult

Filmkritik Auf Kult folgt Kultur. "Lose Your Head" bringt Szenemythen auf die Leinwand, aber hadert leider zu sehr mit sich selbst

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"Lose Your Head" – Weder Techno noch Kult

Bild: Screenshot Trailer

„Kultfilm“ schreit eine Presse-Stimme vom Plakat. „Technomärchen“ liest man irgendwo anders. Wenn man sich in „Lose Your Head“ setzt, sind die Erwartungen erstmal ziemlich groß.

So kritisch war ich allerdings gar nicht eingestellt, als ich letzten Montag zur Premiere des Films spontan einen Abstecher ins Kino International machte. Zu sehr waren meine Begleitung und ich damit beschäftigt, irgendwelche Clubgeschichten auszupacken und längst vernarbte Wunden zu lecken. Wir hörten erst auf zu kichern, als der Film angesagt wurde. Ehrfürchtige Stille und freudige Erwartung.

Für einen Techno-Film hört man verdammt viel Tech-House, aber das stört den jungen Protagonisten Louis wahrscheinlich ohnehin nicht. Er kommt gerade aus Spanien und will – fernab seines karrierefixierten Lovers – ein bisschen Freiheit erleben.

In der Schlange zum Kater Holzig verrät er eine Gruppe Freunde aus Spanien, die abgewiesen wird und hängt sich an eine – nichts anderes beschreibt die Figur, so sehr es schmerzt das Wort zu tippen – Clubmieze.

Mit ihr schnorrt er sich Drogen, tanzt druff wie ein Schnitzel und verliert seine Mütze)*. Verstrahlt landet er auf einer After Hour mit Rummelsnuff. Schlechtes Englisch, lustige Statisten, melancholische Tristesse und der Versuch eine zitierfähige Pointe in den Dialog einzubauen: Regel Nr. 1: „In Berlin fragt man niemanden, was er macht."

Louis ist begeistert von diesem Berlin und stürzt sich weiter ins Abenteuer. Seine Odyssee treibt ihn in die Arme von Kostas und Elena, die auf der Suche nach einem Verwandten sind, der in Berlin beim Clubben verloren ging und vielleicht von Viktor (Marko Mandić), dem creepy Ukrainer ohne Papiere, in den Louis sich verknallt, abgeschlachtet wurde.

Der Rest der Story dreht sich um das Hin und Her zwischen Louis und Viktor, ein paar anrührende Sexszenen, ein paar eingesprenkelte Thriller-Ansätze, aber so richtig kratzt er die Kurve nicht. Es könnte ein ziemlich lustiger Film werden, denkt man noch. Man könnte der Handlung zutrauen, bewusst übetrieben und campy zu sein und dadurch vielleicht doch noch ein bisschen Kultigkeit zu versprühen. Leider nein.

Der Twist am Ende rotzt gewaltig in die Suppe. Lädiert von den Abenteuern, auf der Flucht vor multiplen Paranoia und verschiedenen Konstellationen aus Protagonisten, die ihm an die Wäsche wollen, tritt er durch eine Tür und ist – BÄMM – wieder im Club. Die Mütze, die er verloren geglaubt hatte, liegt auf dem Boden und die ganze Story dreht sich um 180 Grad, so schnell, dass man kotzen will.

Die Szene, in der Louis Freund Carlos (Jonás Berami) Vermissten-Plakate auf Berliner Brücken aufhängt, ist der einzige Teil des Twists, der ein bisschen Schönheit transportiert. Die Frage was Rausch, was Realität, was Trip, was Paranoia war, stellt man sich hier gerne. Die Nebenfigur Carlos ist vielleicht eine der wenigen, die psychologisch in diesem Film Sinn macht.

Man will dem Film so viel verzeihen, aber die romantisierten Ausflüge von urlaubsdruffen Pillenspaniern durch ein trashiges, ranziges Berlin, überzeugen leider nicht. Es geht hier nicht um Techno, es geht hier nicht ums Feiern, es geht hier leider nur ums Sprüche kloppen und um eine kleine Lovestory, die dramaturgisch ausgefeilt scheint, bis sie sich selbst ein Beinchen stellt. Der Film weiß nicht, ob er lustig oder ernst, philosophisch oder empathisch sein soll. Er hangelt sich in der Mitte durch und macht an den falschen Stellen die richtigen Wendungen.

Vielleicht bin ich als Zuschauer und Kritiker, wenn es um Clubkultur geht, keine einfach zu knackende Nuss, aber handwerklich hat der Film zu viele Fehler, als dass man ihm die Patzer im Thema verzeihen will. Wer sich nicht von ein bisschen Drogenromantik und Partyszenen wegschwemmen lässt, stellt fest: “Lose Your Head” verspielt die Chance das schwule deutsche Kino um einen Film zu erweitern, der mit Verve erzählt, was so vielen in Berlin passiert. Das Thema hat Relevanz, davon bin ich (nicht ganz uneigennützig) überzeugt.

Sehenswert, klar. So viel Clubmaterial gibt‘s schließlich nicht (Und wenn Louis bei mir eine Twink-Allergie auslöst, waren Viktor und Louis Freund Carlos zumindest lecker auf der Leinwand.) Sonst aber leider weder Fisch noch Fleisch, weder Techno noch Kult.

“Lose Your Head” (Regie: Stefan Westerwelle), D, 2013. Kinostart: 19.09.2013

Der Text erschien auf wolfauftausendplateaus.

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Geschrieben von

Kevin Junk

Freier Journalist und Blogger über alles zwischen Pop- und Subkultur.

Kevin Junk

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