Die Hunde gehen, die Fahrradwege kommen

Rumänien heute Alltägliche Beobachtungen in Rumänien im Sommer 2013

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Seit mehr als 5 Jahren bereisen Sofia und ich 3- bis 4-mal im Jahr Rumänien, ein Mitglied der Europäischen Union seit Anfang 2007, an der östlichen Außengrenze der Union. In den letzten 5 Jahren konnten wir eine nicht zu schnelle aber doch stetige Entwicklung des Landes beobachten. Seien es die Größe der Löcher in den Straßen, die Straßenhunde in allen Ortschaften Rumäniens oder die geklauten Gullydeckel in den Bürgersteigen und Straßen. Gekonnt verstanden es die rumänischen Kraftfahrer mit einer rasenden Geschwindigkeit die Löcher zu umfahren, ohne Schaden am Auto zu nehmen. Im Sommer 2013 konnten wir persönlich feststellen, dass gerade im Straßenbau viel erreicht worden ist. Auch werden Fahrradwege in den Städten mit dicken gelben Streifen markiert; was fehlt sind die Fahrradfahrer. Viele Kinder erlernten bzw. erlernen in ihrer frühen Jugend nicht das Rad fahren. Ein anfänglicher Fahrrad-Boom in Rumänien leitet jetzt einen Wandel ein; zu erkennen an der steigenden Anzahl der Fahrrad-Geschäften und –Ausleihstationen in den Großstädten wie in Bukarest, Iasi oder Cluj-Napoca.

Die übergroße Anzahl der Straßenhunde ist noch immer ein Problem des Landes, obwohl unser Eindruck ist, dass auch hier eine positive Änderung eingetreten ist. Vor 3 Tagen ist das Hundeproblem in Rumänien doch wieder hochgekocht. Ein kleines Kind wurde in Bukarest von einem Straßenhund so schwer verletzt, dass es den Angriff nicht überleben konnte. In allen Kanälen der rumänischen TV-Stationen wurde über dieses Ereignis stundenlang berichtet und diskutiert. Bereitgestellte Finanzmittel für Tierheime, Hundezwinger und Hundefänger in Höhe von mehreren Millionen € sind in dunklen Kanälen verschwunden und keiner will die Verantwortung für diese Situation übernehmen. Selbst die Auslastung der vorhandenen Hundezwinger in Bukarest soll nach Medienangaben nur 10 % betragen. So machen solche Theorien die Runde, dass mit einem Schlag alle Hunde getötet werden sollen, wie angeblich in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg. Der Bürgermeister von Bukarest hat sich zwar der Diskussion im Fernsehen gestellt, hat aber auch keine Lösung und von Verantwortung keine Spur. Nun ist die Angelegenheit zur Chefsache geworden und der Präsident Rumänien Traian Băsescu will sich persönlich um das Hundeproblem kümmern.

Sonst war vom Präsidenten Traian Băsescu nicht so viel zu hören und zu sehen. Wichtig für die rumänischen Medien war lediglich, dass Traian Băsescu stolzer Opa geworden ist. So nehmen außenpolitischen Themen wie der Syrienkonflikt und oder innenpolitischen Themen wie die Altersarmut, die geplante Schiefergas-Erkundungen in der Region Siebenbürgen, in einer wirklich märchenhaften Landschaft, oder der Gesetzentwurf zur Genehmigung des Goldminen-Projekts in Rosia Montana nur wenig Platz in den Medien ein. Auf meine Frage an Adrian Cioroianu, ehemaliger Botschafter Rumäniens in Berlin und Historiker, am 19. April 2013 in Berlin, zur weiteren Entwicklung im ländlichen Bereich, speziell zur Trinkwasserversorgung in den Dörfern und zu den Renten, bekam ich nur eine sehr ausschweifende Antwort – Adrian Cioroianu sah die Ursachen in der rumänischen Geschichte des Ceausescu-Systems. Zu gegenwärtigen Vorschläge oder Konzepte äußerte er sich nur sehr wage bzw. gar nicht.

Am letzten Montag waren wir bei Sofias Eltern in Cuca, in einem kleiner Ort in der Nähe der Stadt Galaţi, um bei der Mais-Ernte zu helfen. Beide Elternteile sind weit über 70, der Vater sogar 80 Jahre alt und arbeiten in ihrer Landwirtschaft wie „junge Leute“. Die Mutter von Sofia ist in aller Frühe, gegen 04:00 Uhr, aufgestanden, hat das Essen für den Ernteeinsatz für insgesamt 10 Leute vorbereitet – Eier aus der eigenen Produktion gekocht, kleine Bouletten gebraten und den selbst hergestellten Ziegenkäsen, Brot, Wasser und Wien, ebenfalls aus eigener Produktion, eingepackt. Wir selbst waren erst gegen 07:30 Uhr vor Ort im Maisfeld. Für mich war es meine erste Maisernte und ich musste noch alle Handgriffe und die Technologie erlernen. Ein nicht zu leichtes Unterfangen, obwohl ich in meiner Jugend bei der Kartoffelernte, für 15 Pfennig/Korb, und in der Studentenzeit bei Rübenernte in der Nähe von Leipzig als Erntehelfer gearbeitet habe. Sofia berichtete mir, wie sie als Kind und Jugendliche vor der rumänische Revolution in der Landwirtschaft von früh bis spät bei glühender Hitze arbeiten musste und so den Eltern helfen konnte. Nach der „Frühschicht“ ist sie dann so schnell wie sie konnte zur Schule gerannt, um auch hier den Anforderungen gerecht zu werden.

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Foto: KFB – Maisernte in Cuca bei Galaţi

Für die rumänische Jugend bedeutet die Sommerzeit gleich Zeit zur Heirat. Eine Hochzeit kann daher nicht kurzfristig entschieden und geplant werden. So wird an den Sommerwochenenden in allen möglichen Lokationen, vom feinsten Lokal bis zur Schulkantine, bis in den frühen Morgen gefeiert, getanzt, getrunken und gegessen. Für dieses Jahr hatte wir mehrere Einladungen, konnten aber nur an zwei Feiern teilnehmen. Unsere zweite Einladung war auf den 31. August 2013 datiert, um 20:00 Uhr sollte es los gehen. Nach den üblichen hin und her waren wir erst nach 21:00 Uhr fertig und wir konnten ein Taxi rufen. In der Mensa eines Gymnasiums in Galaţi waren wir nicht die letzten Gäste; ein junges Paar kam erst nach Mitternacht. Die beiden waren noch zu einer weiteren Hochzeit eingeladen. Eine Hochzeit im Spätsommer, ganz besonders eine rumänische Hochzeit, hat schon etwas Herbstliches, eine Art von Melancholie ist zu spüren. Die Hochzeitsgesellschaft kommt aus ganz Europa zusammen und jeder weiß, dass die Feier eine kurze, aber eine besondere Abwechslung im Alltag bedeutet. Von der ersten Minute an wurde getanzt, getanzt und noch nochmals getanzt und zwar tanzte die gesamte Hochzeitsgesellschaft. Die Gäste bildeten einen großen Kreis, nahmen sich gegenseitig in Hand und bewegten sich im Rhythmus, der meist rumänischen Folklore – der Kreid hebt völlig von Boden ab. Alle beherrschen so die komplizierten Schritte, dass so gut wie kein Unterschied festgestellt werden kann. Die besten männlichen Tänzer lieferten sich einen Schlagabtausch, sie stampften mit den Füssen dermaßen auf den Boden, dass ein ganz eigenständiger Klag zur Musik des DJ entstand. Ich habe darüber nachgedacht, ob die Braut in der Hochzeitsnacht wohl mehr als 41195 m zurück gelegt haben könnte, mehr als ein Marathon und kein Gast konnte irgendwelche Ausdauerprobleme bemerken. Der Hochzeitstanz, ein rumänischer Walzer, war so schön und wehmütig, dass er nicht nur bei mir die Tränen in die Augen trieb. Dieser 3 Minutentanz hat sich bei allen Gästen eingebrannt und ist schon jetzt Familiengeschichte. Um ca. 03:30 Uhr haben wir uns vom Brautpaar, von den Brauteltern und anderen Gästen verabschiedet. Zu diesem Zweitpunkt hatten wir gerade den zweiten Gang des Hochzeitsessens eingenommen, noch zwei weitere Gänge, der Hauptgang und das Dessert, sollten folgen. Am späten Vormittag gab es zum Abschluss das gemeinsame Essen einer Suppe in der Wohnung der Eltern des Bräutigams.

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Foto: KFB – Rodica und George, das Brautpaar und Gäste

Auf unserer Abschiedsrunde unserer diesjährigen Sommerreise durch Rumänien besuchten wir noch einmal Mamy und Tati, wie die Eltern von Sofia liebevoll benannt werden. Mamy saß auf einer Fußbank vor dem Außenofen und kochte Äpfel für den Winter ein. Bisher hat sie bereits ca. 250 Obst eingekocht.

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Geschrieben von

KFB

Mann ueber 50 mit einer neuen Beziehung -- Umzug aus der Heimatstadt nach ueber 50 Jahren

KFB

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