Stigma statt Ursachenforschung

Corona Lange drückte sich der Bremer Senat die Corona-Zahlen nach Stadtteilen zu veröffentlichen, nun werden sie zur Stigmatisierung der Armen missbraucht.

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Lange machte Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard ein Geheimnis aus den Coronazahlen in den Stadtteilen, nicht so Ende Oktober seit dem die Stadtteile Osterholz und Gröpelingen hohe Infektionszahlen aufweisen. Glaubt man einer Studie des Robert Koch Instituts war Corona lange ein Problem der Ober- und gehobenen Mittelschicht.

Die Reaktionen quer durch die Bremer Parteien schockieren viele Infizierte und Erkrankte, denn sie grübeln was sie falsch gemacht haben. "Ich habe Maske getragen, Abstand gehalten und meine Kontakte drastisch reduziert", so ein betroffener Zeitarbeiter aus Osterholz-Tenever. Politiker/innen sahen das Problem reflexartig in der sozialen und kulturellen Herkunft der Einwohnenden. Dabei wäre es deutlich sinnvoller gewesen schnell eine Studie in Auftrag zu geben, mit der man herausfindet was zu den hohen Infektionszahlen geführt hat. Statt dessen wirft man den Menschen in Gröpelingen und Osterholz bildungsferne, mangelnde Akzeptanz für Regeln und mangelnde Sprachkenntnisse vor. Wer wie ich häufig in der Linie 1 unterwegs ist, der stellt fest das es weniger an der Akzeptanz von Regeln liegen kann. Für Ortsunkundige sei erwähnt, das entlang der Straßenbahnlinie 1 ein repräsentativer Querschnitt der Bremer Gesellschaft wohnt. Die erwähnten beengten Wohnverhältnisse in den sozialbenachteiligten Quartieren sind sicherlich eine Ursache für innerfamiliäre Infektionen, aber sie sagen nichts über die Infektionsketten aus. Was auffällt ist die Tatsache das die beiden meist betroffenen Stadtteile in Bremen auch jene sind aus denen die Einwohnenden die längsten Wege zur Arbeit in öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen müssen. Hinzu kommen zahlreiche Arbeitnehmende in Einsatzwechseltätigkeit, die durch ihr Erwerbsleben schon automatisch deutlich mehr soziale Kontakte mit sich bringt. Ferner ist nach den Erfahrungen in der ersten Welle, warum man kulturelle Einrichtungen schließt während man weiterhin Präsenzgottesdienste abhalten darf und das trotz der Tatsache das in freikirchlichen Einrichtungen häufig gegen die Hygieneauflagen verstoßen wurde. Der Bremer Senat hat lange ignoriert das auch überfüllte öffentliche Verkehrsmittel auch ein Superspreader sein könnte, obwohl schon die Infektionszahlen im Mai und Juni in Güterverkehrszentrum zeigten das der ÖPNV eine mögliche Ursache sind wurde lange nicht nachgesteuert. Erst seit Anfang dieser Woche werden zusätzlich auf der Schnellbuslinie zusätzlich Reisebusse eingesetzt. Auch die Bremer Teststrategie trägt bei prekär Beschäftigten dazu bei das sie aus Angst vor Jobverlust nicht in Quarantäne gehen.

Was zu tun ist

Es bräuchte eines Massentest verbunden mit umfassenden zusätzlichen Datenmaterial mit dem man das Infektionsgeschehen nachvollziehen kann. Erst so kann man gemeinsam mit Fachleuten die dringend notwendigen Handlungsempfehlungen erarbeiten um wirksam zu schützen.

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