Vor dem G 8-Gipfel wehte zuweilen ein Hauch von Kapitalismuskritik durch die Reihen der politischen Klasse in Europa. Von Räubern, Heuschrecken und Parasiten war die Rede und meinte Finanzinvestoren, die - im angelsächsischen Jargon - für Hedgefonds und Private Equity Fonds verantwortlich zeichnen. Selbst Altkanzler Schmidt plädierte dafür, diese Fonds als Springquellen weltweiter Spekulation auf den Finanzmärkten unter Aufsicht zu stellen. Meldepflicht, regelmäßige Bewertung und Fachaufsicht wurden erwogen, selbst in der Europäischen Zentralbank (EZB). Auf dem Treffen der G 8-Finanzminister stand das Thema gleichfalls auf der Tagesordnung. Deutschlands Peer Steinbrück wollte mehr Regulierung - die USA und Großbritannien, die Länder mit den meisten spekulativen Investitionsfonds und größten Finanzmärkte der Welt, wussten es zu verhindern. Heraus kam ein butterweicher Appell an die Finanzmärkte: Sie sollten sich doch bitteschön selbst regulieren und einen Verhaltenskodex für die Hegde- sowie Private Equity Fonds entwerfen.
Die reiten derweil auf einer Flutwelle von Fusionen und Übernahmen, die sie entscheidend verursacht haben. Dabei werden nicht nur Aktienpakete herumgewirbelt, es werden Konzerne neu gegründet oder aufgelöst, Branchen umstrukturiert und Märkte neu aufgeteilt. Durch Fusionen und Firmenübernahmen geschieht das, was früher Resultat langer und verlustreicher Konkurrenzkämpfe war, im Eiltempo, binnen weniger Monate. In den vergangenen 20 Jahren haben wir weltweit drei Wellen von Fusionen und Übernahmen erlebt. Die erste in den achtziger Jahren, als nationale Champions entstanden, die wachsender internationaler Konkurrenz die Stirn bieten sollten. In den Neunzigern rollte die zweite Welle, wobei sich in wenigen Jahren das Volumen der entsprechenden Transaktionen verzehnfacht hatte. Damals wurde die Welt der transnationalen Konzerne neu aufgeteilt. Mit dem Platzen der Spekulationsblase, die den Boom der "New Economy" genährt hatte, gab es 2001 ein abruptes Ende.
Mittlerweile rollt eine dritte Fusionswelle, mit der 2006 bereits die Rekorde des Jahres 2000 deutlich übertroffen wurden. Nie zuvor haben Finanzinvestoren in solchem Tempo Firmen gekauft wie seit Anfang 2007. Allein im April hat der weltweite Übernahmeboom mit dem Erwerb von Unternehmen im Wert von 626 Milliarden Dollar einen neuen Höchststand erreicht. Besonders umkämpft sind Banken und Energiekonzerne - und immer häufiger spielen die bewussten Fonds dabei eine so tragende wie treibende Rolle. Sie haben mehr Geld als je zuvor - vor allem dank der Banken, die ihnen für Übernahmegeschäfte Kredite in unerhörtem Ausmaß einräumen. Investmentbanken und Investmentfonds sind die entscheidenden Triebkräfte des Fusions- und Übernahmebooms.
Das Geld geradezu nachwerfen
So genannte Beteiligungs- und Finanzierungsgesellschaften, die Aktien anderer Unternehmen kaufen, besitzen und auch wieder verkaufen, gibt es schon lange. Aber erst in den sechziger Jahren hat sich - zuerst in den USA - ein regelrechter "Markt für Unternehmen" herausgebildet. Dort werden inzwischen fortwährend funktionierende Firmen oder Teile davon gekauft und verkauft, so dass auch ein neuer Typ von "Unternehmern" entstanden ist, die sich auf den Handel mit Unternehmen spezialisiert haben. Dabei sind die Investmentfonds nicht die einzigen, die an diesem Geschäft teilnehmen, aber sie sind gefährlicher als Banken oder Versicherungen. Denn Hedgefonds sind so genannte "geschlossene" Kapitalanlagegesellschaften, die nur für eine jeweils begrenzte Anzahl großer Investoren (superreiche Privatleute und so genannte institutionelle Kapitalanleger wie Pensionsfonds, Versicherungen ect.) zugänglich sind, keineswegs für das Fußvolk der Kleinanleger. Hohe Mindesteinlagen halten die Fonds exklusiv - und hohe Gewinnbeteiligungen die Eigentümer einer Fondsgesellschaft auf Trab. Die Manager der Fonds sind auf kurzfristig erfolgreiche Anlagestrategien trainiert, sie spekulieren mit allem und jedem - und mit allen Mitteln.
Obwohl "hedging" ursprünglich eine Strategie der Absicherung gegen Schwankungen der Aktienkurse meint, sind die Hedgefonds heute das Gegenteil von risikoscheu. Anders als altmodische Investmentfonds, die das Geld ihrer Kunden langfristig anlegen (in Staatspapieren, Obligationen und Aktien) sorgen sie für hektische Aktivität in den Unternehmen und führen mit Vorliebe Fusionen und Übernahmen sowie groß inszenierte Strategiewechsel (meist mit Personalwechsel an der Spitze) herbei. Manöver, mit denen sich viel Geld verdienen lässt - dank kurzfristiger Kurssprünge der Aktien.
Seit 1995 ist die Zahl der Hedgefonds weltweit von 2.800 auf 9.500 gestiegen. Mitte der neunziger Jahre verwalteten sie ein Anlagevermögen von mehr als 100 Milliarden Dollar - heute über 1,4 Billionen. Die Mehrzahl der Hedgefonds hat ihren Firmensitz in Steueroasen wie den Bermudas, Bahamas, den Virgin- oder den Britischen Kanalinseln, wo sich auch die Masse ihres Anlagevermögens befindet. Da sie also kaum Steuern zahlen, erzielen sie traumhafte Gewinne für die Anleger - in den vergangenen fünf Jahren zwischen 11 und 21 Prozent. Kein Wunder, dass ihnen das Geld geradezu nachgeworfen wird. 2006 wurden weltweit fast 130 Milliarden Dollar in die Hedgefonds gepumpt - 2007 dürfte es erheblich mehr werden.
Auf den internationalen Aktienmärkten können die Fonds inzwischen den großen Hebel ansetzen - und der heißt Kredit, der ihnen von den Banken nur zu bereitwillig (und zwar auf einem historisch niedrigen Zinsniveau) eingeräumt wird. Die Fonds können so ein Vielfaches des Kapitals bewegen, das sie selbst besitzen. Bei Übernahmegeschäften wird dann schon einmal locker das 20- bis 25-fache des Eigenkapitals eingesetzt. Anschließend werden die Schulden nicht etwa selbst getragen, sondern dem aufgekauften Unternehmen überschrieben.
Ein Gewinn von 400 Prozent
Anfang Juni stiegen die Aktienkurse an den europäischen Finanzmärkten auf den höchsten Stand seit sechs Jahren, allein dank einer Woge von Übernahmegerüchten. Übernahmeschlachten, deren Schwerpunkt inzwischen in Europa liegt, toben im Moment vor allem im Banken- und Energiesektor. Der derzeitige Fight um die Übernahme der ABN Amro, der zweitgrößten niederländischen Bank, durch Barclays, der zweitgrößten britischen Bank, ist geradezu ein Lehrstück für die Rolle, die Hedgefonds als Antreiber des Übernahmebooms spielen. Die Aktionäre der niederländischen Bank können sich freuen, denn seit die Schlacht tobt, steigen die Kurse ihrer Wertpapiere - um 30 Prozent in knapp zwei Monaten. Denn ein britischer Hedgefonds mit dem schönen Namen The Children´s Investment Funds (TCI), der nur zwei Prozent der ABN Amro Aktien besitzt, tat alles, um einem konkurrierenden Übernahmeangebot zum Erfolg zu verhelfen: Ein britisch-spanisch-belgisches Bankenkonsortium hat etliche Milliarden mehr geboten als die Barclays Bank. Ganz im Sinne der bevorzugten Strategie der Hedgefonds will dieses Konsortium aber keine Fusion, keine Fortführung des Unternehmens als britisch-niederländische Großbank - es will aufspalten, in Einzelteile zerlegen und die Einzelteile weiter verkaufen. Kurzfristig springt dabei ein deutlich höherer Gewinn heraus, so dass sich das Konsortium auch einen höheren Kaufpreis - kreditfinanziert natürlich - leisten kann. Der Hedgefonds TCI hat alles getan, um dieses konkurrierende Übernahmeangebot hervor zu locken und die Aktionäre der ABN Amro darauf einzustimmen. Obwohl die Schlacht noch nicht entschieden ist, hat TCI seinen Schnitt schon gemacht: Man kaufte für 1,1 Milliarden Euro Aktien der ABN Amro, zu mindestens zwei Dritteln mit Krediten finanziert, und musste vom eigenen Anlagevermögen höchstens 360 Millionen Euro investieren. Dank der kurzfristigen Kurssteigerungen sind daraus über Nach 1,45 Milliarden Euro geworden, ein Gewinn von fast 400 Prozent. Der TCI und seine Anleger sind begeistert - derartige Aktionen sind ihr Lebenszweck.
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