Hormus-Krise und Deutschlands Schwäche

Außenpolitik Anstatt zur Abwechslung mal Einigkeit und Stärke zu demonstrieren, blamieren sich die Europäer auf internationaler Ebene. Allen voran Deutschland.

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Als die USA einseitig das Atomabkommen mit dem Iran aufkündigten, warnten Experten weltweit vor zunehmenden Spannungen. Zum Riss zwischen dem Westen und dem Iran kam nun auch noch ein zweiter, der zwischen den USA und den anderen Vertragspartnern, nämlich den Europäern, Russland und China. Inwieweit Europa und insbesondere Deutschland tatsächlich einen Einfluss auf die Lage entfalten können, zeigt sich an der aktuellen Eskalation, dem zunehmenden Konflikt in der Straße von Hormus.

Die Bedrohung der internationalen Schifffahrt am Nadelöhr des Persischen Golf, durch das etwa ein Drittel der weltweiten Öltransporte per Schiff läuft, kann und darf die Europäer und insbesondere die Exportnation Deutschland alleine schon wegen der enormen wirtschaftlichen Bedeutung nicht unberührt lassen. Umso mehr nach der Festsetzung eines britischen Tankers. Folgerichtig hatte London eine europäische Mission zum Schutz europäischer Schiffe angeregt, die vor allem von den großen Drei, nämlich Großbritannien, Frankreich und Deutschland getragen sein sollte.

Zaudern in Berlin

Die zögerliche Haltung vor allem der Bundesregierung und der Führungswechsel in Downing Street führen die Briten nun aber näher an die USA und ihrer geplanten Mission „Sentinel“ heran. Trotz Europas Unmut, sich einer US-geführten Mission anzuschließen, hätte dies eine große Chance sein können, nicht nur eine starke europäische Haltung zu demonstrieren – sondern auch das Verhältnis zu Großbritannien nach dem Brexit zumindest auf sicherheitspolitisch-militärischem Gebiet zu festigen. Aber diese Chance wurde fahrlässig verspielt.

Welche Optionen in dieser Frage nun zum Zuge kommen, wird also wieder einmal woanders entschieden. Die Diskussion darüber, ob eine deutsche Beteiligung an einer Schutzmission für die internationale Schifffahrt angebracht ist, ist entbrannt. Eine Debatte darüber in weiten Teilen von Politik und Gesellschaft ist bei einer solchen Frage legitim und ein Zeichen einer funktionieren Demokratie. Die Unentschlossenheit der Bundesregierung hingegen wirkt sich negativ auf die Glaubwürdigkeit Deutschlands und darüber hinaus auch der EU aus. Wie will man seine Positionen im Konzert der Weltmächte nachhaltig vertreten, wenn man nicht dazu bereit ist, diese im konkreten Fall – auch mit zugegebenermaßen unangenehmen, aber notwendigen Mitteln – zu flankieren? Denn tut man dies nicht, wird man auch weiterhin nur ein Spielball US-amerikanischer Politik bleiben.

Dabei ist man sich eigentlich unter den transatlantischen Bündnispartnern im Grundsatz einig darüber, dass die Festsetzung von Handelsschiffen inakzeptabel ist. Eine deutliche Positionierung Deutschlands wäre also angebracht. Eine europäische Militärmission könne durchaus auch in Abgrenzung zur USA erfolgen. Dies wäre vielleicht sogar eine diplomatisch überlegenswerte Alternative zu einem gemeinsamen Vorgehen mit dem zunehmend schwierigen Partner in Washington.

Denn die USA sind keineswegs eine neutrale Sicherungsmacht am Persischen Golf, sondern vielmehr eine der Konfliktparteien. Die Europäer könnten hier unter Umständen sogar deeskalierend wirken, wenn sie geschlossen und unabhängig auftreten würden. Natürlich könnte im Falle einer militärischen Auseinandersetzung kein europäisches Kontingent die USA von ihren Zielen abhalten, aber alleine die Präsenz anderer Nationen kann dazu führen, dass die letzte Entscheidung zum Losschlagen ausbleibt.

Riese auf schwachen Beinen schwächt Europa

Unabhängig und selbstbewusst aufzutreten, erweist sich für Europa allerdings als sehr schwierig, denn Europa hat ein Handicap.Die ökonomisch bedeutsamste und politisch dominierende Macht im Herzen des Kontinents steht auf militärisch tönernen Füßen. Der Zustand der Bundeswehr hat sich seit dem Ende des kalten Krieges bedenklich verschlechtert. Längst haben die Berichte über mangelhafte und fehlende Ausrüstung oder flugunfähige Jets und Helikopter usw. ihren festen Platz in deutschen und vermutlich auch ausländischen Satiresendungen.

Von den 3 klassischen Waffengattungen trifft es gerade die Marine besonders hart. Deren Einsatzfähigkeit wird von Experten zunehmend in Frage gestellt. Die Kritikpunkte reichen von veralteter Technik, nicht einsatzbereiten Schiffen über fehlendes Personal und Ausrüstung bis hin zur Überdehnung der Kräfte durch die bereits zahlreichen Auslandseinsätze.

Zwar hat man auf Regierungsebene, nicht zuletzt auf Druck der Bündnispartner, hier bereits reagiert. So wurden und werden die Rüstungsausgaben deutlich erhöht. Doch es bleiben unangenehme Fragen – denen die Politik bisher zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet hat. Denn es reicht nicht aus, der Bundeswehr ein wenig mehr Geld zur Verfügung zu stellen.

Es braucht vielmehr eine klare Strategie für die Zukunft, sowohl weltpolitisch als auch strategisch. Am Anfang einer zukunftsgewandten Entwicklung muss also eine konkrete Vorstellung stehen, was man will. Oder vielmehr, was angebracht und notwendig ist.

Ist die Nato mit einer zunehmend unberechenbaren Führungsmacht in der zukünftigen, multipolaren Welt noch eine verlässliche Institution? Kann ein vereintes Europa auf der weltpolitischen Bühne noch seine Interessen vertreten, wenn es gespalten ist oder nicht über die nötige Durchschlagskraft auch auf militärischem Gebiet verfügt? Und kann es sich ein politischer und ökonomischer Riese wie Deutschland weiterhin erlauben, zurückzutreten, sobald es unangenehm wird?

Neues Selbstbewusstsein für eine neue Weltordnung?

Es ist sicher nicht allzu gewagt, zu behaupten, dass die Zukunft auf diesem Planeten nicht mehr von zwei Supermächten, sondern von mehreren großen Blöcken bestimmt werden wird. Dazu zählen zu den klassischen Mächten USA und Russland bereits jetzt Europa, China und Indien. Andere wie zum Beispiel Brasilien oder die Afrikanische Union mögen in weiterer Zukunft hinzukommen.

Will Europa hier seine Eigenständigkeit bewahren, wird es auf eine gemeinsame europäische Armee nicht verzichten können. Und eine solche ist nicht denkbar ohne einen wirklich belastbaren Beitrag Deutschlands. Dann, und nur dann, werden Deutschland und Europa zukünftig in Krisenfällen eigene Entscheidungen treffen und vertreten können, wie sie in der aktuellen Krise am Persischen Golf notwendig sind.

Stets braucht es, wenn großes vollbracht werden soll, Mut und Entschlossenheit – Eigenschaften, die auch Berlin und Brüssel gut anstehen würden.

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