Nicht ohne mein Atomkraftwerk!

Kernenergie Wenn Deutschland wirklich eine Vorreiterrolle im Klimaschutz haben will, muss die Heuchelei der anti-Atom-Aktivisten ein Ende haben und einem neuen Realismus weichen.

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Im Zuge des UN-Klimagipfels in Polen hat Bundesumweltministerin Svenja Schulze zusammen mit Vertretern anderer Staaten eine Absichtserklärung vorgelegt, in der sich die Unterzeichner ehrgeizigeren Klimaschutzplänen bis 2020 verpflichten. Das klingt positiv, verbirgt aber eine bittere Wahrheit: Deutschland versagt in Sachen Klimaschutz auf ganzer Linie. Allerdings nicht aus Mangel an Engagement, wie es so häufig Umweltaktivisten verschreien – sondern aufgrund eines ideologischen Besserwissertums, dass Realismus und Wahrheit ersetzt hat.

Dabei gefällt sich Deutschland sehr in der selbstgerechten Vorbild-und Vorreiterrolle, wenn es um das Klima geht. Doch leider fallen wir flach auf die Nase, wenn man sich den Kohlendioxid-Ausstoß der Bundesrepublik ansieht. Dem Bundesumweltministerium nach sind Deutschlands Emissionen insgesamt gestiegen. Rückgänge waren bisher temporär, insignifikant und milden Witterungsbedingungen geschuldet. Zwar sind Treibhausgas-Emissionen generell gesunken, aber dies liegt an den rapide fallenden Methan (CH4)- und Distickstoffoxid (N2O)- Werten. CO2 dagegen hat stetig zugenommen.

Zahlen ohne Bedeutung

Wie kann das sein? Hat die Regierung nicht mehrere Milliarden Euro in erneuerbare Energien investiert? (Ja, hat sie. Im Jahr 2017 allein satte 16,2 Milliarden. Um genau zu sein: 11 Mrd. flossen in Wind, rund 2,3 Mrd. in Solar und der Rest in andere). Außerdem verfügt Deutschland mit einer installierten Windkapazität von knappen 1,3 GW über die zweitgrößte in Europa hinter Großbritannien.

Alles schön und gut – nur hat Deutschland in seinem Wahn vergessen, wirklichen Klimaschutz zu betreiben. Denn all das investierte Geld und all die installierten Kapazitäten sind Bedeutungslos beim derzeitigen desaströsen Stand der Dinge. Und dieses Desaster fing mit dem panischen Ausstieg aus der Kernenergie und der damit eingehenden, viel zu früh zelebrierten Energiewende an.

Um den Kohlendioxid-Ausstoß zu senken, muss der Konsum fossiler Brennstoffe drastisch gedrosselt werden. Erneuerbare Energien sind daher folgerichtig die erste Wahl. Leider haben diese Energien aber diverse Nachteile, per Definition sind sie nicht rund um die Uhr einsetzbar. Die Sonne scheint in Deutschland nicht jeden Tag. Wind gibt es mal mehr, mal weniger. Das erfordert gutes Management der landesweiten Energieinfrastruktur und voraussehendes Handeln. Hier beginnt der Wahnsinn.

Kein Platz für Kernenergie

Für Deutschland als Hochtechnologiestandort ist das problematisch. Unsere Industrie benötigt Unmengen an Energie, die zuverlässig und stetig verfügbar sein muss. Aber auch für unser tägliches Leben ist dies eine wichtige Tatsache. Ansonsten wären Krankenhäuser, Supermärkte und unsere eigenen vier Wände nicht funktionsfähig. Anders ausgedrückt: erneuerbare Energien sind nicht in der Lage, die Grundlast unseres Landes zu tragen.

Natürlich gibt es eine Form der Energieerzeugung, welche diese Energienachfrage einfach erfüllen könnte, aber diese ist aus politisch-ideologischen Gründen unerwünscht. Kernenergie ist verlässlich und vor allem CO2-neutral. Sie sollte eigentlich als das praktischste Mittel im Kampf gegen die Erderwärmung eingesetzt werden, vor allem in Kombination mit erneuerbaren Energien. Klingt logisch, ist aber für grüne Fundamentalisten nicht einsehbar.

Das ist doppelt ironisch. Zum einen, weil sich die Bundesregierung durchaus im Klaren darüber war, dass Wind und Sonne Deutschlands Energiebedarf nicht werden decken können. Doch da Kernenergie nicht länger erwünscht ist, musste man wieder auf Braunkohle setzen. Das ist schändlich, denn Braunkohle ist eine der dreckigsten Arten und, weil im Tagebau gefördert, für eine weitreichende Zerstörung der natürlichen Topographie verantwortlich.

Zum anderen ist es in der Natur von Öko-Aktivisten, auch massiv gegen Braunkohle zu protestieren. Das Paradebeispiel hierfür ist der Hambacher Forst, dessen emotionale Verteidigung gegen die Rodung zur Kohleförderung wie sonst nichts zur Zeit die realitätsentrückte Weltanschauung der Aktivisten bloßgestellt hat. Glückselig und selbstgerecht, sich ihrer eigenen Heuchelei nicht bewusst, ist das kleine Gehölz zum Symbol für den Kampf gegen fossile Brennstoffe stilisiert worden. Gleichzeitig ist es exemplarisch für das Versagen der Energiewende, denn dass der Wald geopfert wird ist eine direkte Folge des drohenden Energiemangels, der durch durch den „Atomausstieg“ herbeigeführt wird.

Die Heuchelei der Aktivisten

Dabei spricht keiner aus, dass dieselben Leute, die gegen die Rodung des Forstes protestieren, auch diejenigen sind, die gegen Kernenergie auf die Straße gehen und – bewusst oder unbewusst – die großen Zusammenhänge nicht sehen wollen. Zu dumm, dass es aber genau die Kernenergie ist, die den Wald retten könnte. Das Schicksal hat anscheinend einen makabren Humor: wer jahrelang „‚Atomkraft, nein danke!‘ rief, hat Braunkohle bekommen“. Es zeigt, dass es ist einzigartig auf der Welt ist, aus Kohle und Kernenergie gleichzeitig auszusteigen und es wird klar, dass dies nicht möglich ist.

Aber auch das will keiner hören. Stattdessen wird weiter Stimmung gegen Kernenergie gemacht und das Feindbild „Atom-Lobby“ beschworen. Dies geschieht nicht nur durch selbst ernannte Kernenergie-Experten wie dem „international renommierten Pariser Energieberater Mycle Schneider“ – der keinerlei akademische Ausbildung für das Verständnis einer so hochkomplexen Technologie wie der Kernenergie brauchte und sich sein Wissen stattdessen rein autodidaktisch erworben hat – sondern auch durch Umweltgruppen und Chefredaktionen deutscher Zeitungen.

Seit Jahren wird durch hanebüchene Desinformation die wichtige Rolle der Kernenergie zerrissen. Gleichzeitig werden erneuerbare Energien als das non plus ultra dargestellt: würde man bloß mehr Wind-, Sonnen- und andere „umweltfreundliche“ Energien installieren, wäre Erderwärmung kein Thema mehr.

Die Lösung? Nicht gewollt!

Hier wird einem rationalen Beobachter einmal mehr die imbezile Kurzsichtigkeit der anti-Atom-Lobby bewusst. Die Energieversorgung durch Erneuerbare ist nicht gleichmäßig über das Land verteilt. Zum Beispiel wird Wind primär im Norden produziert. Die dort produzierte Energie wird aber in den Industriezentren Mittel-und Süddeutschlands gebraucht. Leider ist die derzeit existierende Infrastruktur nicht ausreichend, um die Energie genau dorthin zu schicken, sprich sie wird verschwendet (oder ins europäische Energienetz gespeist, wodurch dieses oft durch Überladung zusammenbricht). Aus diesem Grund ist die Fokussierung auf die Anzahl immer mehr neu installierter Windkapazitäten völlig wertlos, solange die Energie nicht aktiv verwendet werden kann.

Die Lösung wäre der radikale Ausbau des Strom-und Energienetzes. Aber wieder stellt sich der militante Umweltaktivist selbst ein Bein, denn soweit geht die Liebe für die Umwelt dann doch nicht. Selbst anti-Atom-Protester wollen sich von hässlichen Stromtrassen nicht die Landschaft um ihr Landhaus herum verschandeln lassen. Ein ähnliches Muster ist gleichso bei den so hochgelobten Windrädern zu beobachten.

Ein neuer Realismus

Und so muss man sich die Frage stellen: will man den Klimawandel eindämmen oder einen freien Blick aufs Grüne haben? Beides scheint nicht möglich, solange man Atomkraftwerke – als zuverlässige, C02-neutrale Energiequelle – verteufelt. Es ist zu schön, einfach und herrlich befriedigend „anti“ zu sein, ohne wirkliche Alternativen oder Lösungen anbieten zu müssen. Man steht ja immerhin auf der richtigen Seite der Moral. Dabei wird vergessen, dass diese ideologische Blindheit nicht nur dem Kampf gegen den Klimawandel schadet, sondern sogar direkt sabotiert.

Doch weiterhin wird gefordert und protestiert. Es stimmt, dass jede Tonne Kohlendioxid zu viel ist. Aber deshalb ist Realismus und nicht wütende „gegen alles“ Öko-Ideologie wichtig. Leider wird über das, was wirklich gebraucht wird und was getan werden muss, um die menschliche Spezies zu retten, nicht bis zur letzten Konsequenz nachgedacht. Auch wenn es hart hinzunehmen sein mag: Es ist Zeit für einen neuen Kompromiss in Deutschlands Klimapolitik.

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