Washingtons Rundumschlag

EU-Strafzölle Die von US-Präsident Trump erhobenen Zölle auf europäische Stahl-und Aluminiumprodukte sind nur ein Teil eines weiten Frontalangriffs auf den deutschen Mittelstand

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Zurücktreten, bitte: Donald Trump setzt zum Rundumschlag an
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Foto: Jim Watson/AFP/Getty Images

An diesem Freitag wird es ernst: Obwohl sich die EU seit Monaten düpiert dagegen gestellt hat, werden die USA Importzölle von 25 Prozent auf Stahl- und 10 Prozent auf Aluminiumprodukte aus der EU verhängen. Vertreter der EU hatten bis zuletzt an Washington appelliert, sich über die Folgen der EU-Zölle auch für die US-Wirtschaft im Klaren zu sein. Aber jedwede Hoffnung auf eine Einigung dürfte sich spätestens Mittwochmorgen verflüchtigt haben, als US-Handelsminister Wilbur Ross in höhnischem Ton meinte, es „dämlich“ sei zu behaupten, die Zölle hätten signifikante Auswirkungen auf amerikanische Wirtschaftszweige.

Das mag vielleicht für die USA stimmen, nicht aber für die EU und ihre Volkswirtschaften. Die Aufregung in Brüssel und Berlin ist dementsprechend groß, denn die Strafzölle sind nicht der erste Angriff auf die wichtigsten Verbündeten der USA. Die Wiedereinsetzung der Iran-Sanktionen Mitte Mai sowie die einen Monat vorher erlassenen Sanktionen gegen russische Firmen und ihre Eigentümer lassen exportorientierte Länder bereits unter ernstzunehmenden wirtschaftlichen Einbrüchen ächzen – allen voran Deutschland.

Angriff auf Deutschlands Industrie

Als Trump im April mögliche EU-Zölle ins Spiel brachte, warnten deutsche Industrieverbände eindringlich vor deren Folgen. Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), mahnte vor eskalierenden Handelskonflikten mit anderen Staaten, wodurch das WTO-System ausgehöhlt und die deutsche Wirtschaft, kaum wie eine andere auf offene Märkte angewiesen, viele Millionen verlieren würde.

Für Berlin ist dies eine äußerst unglückliche Konstellation von externen Faktoren, weil schon die Ausgangslage Anlass genug für schlaflose Nächte ist. Die Zölle sind nur ein weiterer Angriff auf Deutschlands Industrie, seitdem es sich Washington scheinbar in Kopf gesetzt hat, Europa wo immer möglich in die Suppe zu spucken. Bestes Beispiel für solch destruktive Außen-und Handelspolitik sind die Sanktionen gegen russische Firmen. Mit einem Federstrich wurden dadurch Deutschland und der Rest Europas von der Versorgung mit für die Industrie unabdingbaren Rohstoffen abgeschnitten.

Versorgungsengpässe sind somit eine realistische Folge, mit der sich der Kontinent bald wird auseinandersetzen müssen. Die Extraterritorialität der US-Sanktionen verbietet nämlich, dass Deutschlands Unternehmen sämtliche finanzielle Transaktionen mit sanktionierten russischen Firmen tätigen dürfen – andernfalls drohen ihnen ebenfalls empfindliche Strafen.

Der Mittelstand leidet besonders

Einer der wichtigsten betroffenen Rohstoffe ist Aluminium. Die EU bezieht einen Großteil ihres jährlichen Primäraluminiumbedarfs aus Russland. 25 Prozent davon werden von Rusal geliefert, immerhin der weltweit zweitgrößte Aluminiumproduzent und durch die Sanktionen praktisch vom Weltmarkt genommen. In Anbetracht solcher Importabhängigkeiten wird schnell klar, dass die Sanktionen „erheblichen Einfluss auf die Handelsströme“ haben werden, schreibt die Wirtschaftsvereinigung Metalle in einer Einschätzung. Dies würde Deutschlands führende Industrien, wie zum Beispiel Auto-und Maschinenbau samt nachgelagerten Sektoren, erheblich treffen.

Deutschland ist besonders anfällig gegenüber den negativen Auswirkungen der Russland-Sanktionen aufgrund der Tatsache, dass jene nachgelagerten Sektoren – bestehend aus kleinen und mittelgroßen Unternehmen – das Herz der deutschen Wirtschaftslandschaft bilden. Der Mittelstand ist seit jeher sehr empfindlich in Bezug auf Rohstoffe und hat schon seit 2017 Versorgungsausfälle durch geopolitische Entwicklungen und Handelsbarrieren befürchtet. Eine durchaus berechtigte Sorge, denn, wie Rohstoffexperte Roland Rechtsteiner von der Unternehmensberatung Oliver Wyman dazu sagte, ein durch Protektionismus eingeschränkter Markt kann in der Tat zu Verwerfungen und Preisausschlägen führen.

Und das ist katastrophal. Denn Mittelstandsunternehmen sind bei weitem die größten Arbeitgeber der Republik. Zusammen stellen sie fast 60 Prozent aller Arbeitsplätze und etwa 82 Prozent der betrieblichen Ausbildungsplätze bereit. Nach Berechnungen des Institut für Mittelstandsforschung, lag der Exportumsatz der Mittelständler im Jahr 2015 bei satten 206,4 Milliarden Euro - 17,1% des Exportumsatzes aller deutschen Firmen zusammen. Da viele Firmen durch Extraterritorialität direkt von den Sanktionen betroffen sind, werden sich wirtschaftliche Einbußen nicht vermeiden lassen. Dem Vorstandschef der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer (AHK) Matthias Schepp zufolge, werden kurzfristige Schäden auf bis zu 377 Millionen Euro beziffert, mittelfristig sogar in Milliardenhöhe.

Hinzu kommt die Tatsache, dass mittelständische Unternehmen kaum die internen Ressourcen besitzen um sich auf immer neue Sanktionen gegen etwaige Handelspartner vorzubereiten. Dies trifft vor allem auf kleinere Mittelständler zu. Laut DIHK-Außenwirtschaftsexperte Ilja Nothnagel hat der kleinere Mittelstand „weder Abteilungen, die sich mit dem Thema Sanktionen beschäftigen, noch große Kanzleien an seiner Seite, die ihn rechtlich absichern“. Resultat: wachsende Verunsicherung beim deutschen Wirtschaftsmotor.

Hat die EU eine Antwort?

Und wenn diese Unsicherheit in ein deutsches Stottern umschlägt, stottert letztendlich auch Europa. Aus diesem Grunde wäre eine gemeinsame, standhafte Reaktion der EU erforderlich um Washington zu beweisen, dass sich Brüssel nicht einfach nach Lust und Laune herumschubsen lässt. Die von der EU nach dem Ende des Iran-Abkommens angedrohte Reaktivierung eines 1996 erlassen Gesetzes, welches europäische Firmen verbietet, sich amerikanischen Sanktionen gegen andere Staaten zu beugen, wäre ein guter Start gewesen.

Leider scheint diese Wand des Widerstandes nun schon zu bröckeln – zu einem großen Teil liegt das an Berlin. Intern hat Bundeskanzlerin Merkel verlauten lassen, dass jenes Blockierungsgesetz für deutsche Unternehmen nach hinten losgehen kann. Viele Unternehmen betrachten die US natürlicherweise immer noch als extrem wichtigen Markt. Und schließlich man will es sich mit den Amerikanern ja nicht verscherzen.

Natürlich ist dies ein relevantes Anliegen, jedoch ignoriert es die Implikationen, die aus dieser Situation erwachsen. Sollte Brüssel die Reaktivierung des Gesetzes fallen lassen, würde das ein fatales Signal an Washington schicken: nämlich, dass sich Europa und seine führenden Nationen von aufgeblasenem Brimborium und verhöhnendem Gehabe in die Knie zwingen lassen. In Anbetracht der vielen Angriffe auf Europas Handelsfreiheit, von Russland-und Iran-Sanktionen und nun auch Importzöllen, steht viel für die Wirtschaft auf dem Spiel. Zeit, Trumps Rundumschlag entschlossen entgegen zu treten.

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