Klima, Corona und die Systemfrage

DiEM25, Green New Deal Warum der Green New Deal für Europa die Antwort ist

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Die COVID19 Pandemie erinnert uns alle daran, dass es Aufgabe der Politik ist, das Überleben der Gesellschaft zu sichern und die dafür notwendigen Maßnahmen zu treffen. Auch persönliche Einschränkungen und ein Rückgang der Wirtschaft werden in Kauf genommen, wenn es dem Überleben von Menschen dient. Warum gelingt es also nicht, diese Ambition auf die Klimakrise zu übertragen?

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Das unkalkulierbare Wachstum von exponentiellen Zahlen und die Komplexität von Krisen in einer globalisierten Welt, bringen den Mensch an den Rande seiner Vorstellungskraft. Dass die Entwicklungen einer Pandemie sich in einem sehr kurzen Zeitraum abspielen, hat Politiker*innen zur schnellen Einsicht gezwungen. Die zeitliche und geographische Entfernung zur Klimakatastrophe ist sicherlich ein Grund für fehlendes politisches Eingreifen.

Noch triftiger scheint aber zu sein: die Klimakrise stellt zwangsläufig die Systemfrage, die aktuelle Politiker*innen umgehen wollen. Doch es führt kein Weg daran vorbei: ernsthafter Klimaschutz bedeutet, sich vom Dogma des endlosen Wachstums zu verabschieden. Mit anderen Worten, der Kapitalismus darf dieses Jahrhundert nicht überdauern, auch wenn dadurch das Weltbild ins Wanken gerät, er habe sich mit dem Zerfall der Sowjetunion als das alternativlos bessere System herausgestellt und müsse daher erhalten werden.

Die Klimakrise bringt vor allem junge Leute dazu, den Kapitalismus zu hinterfragen. Dass unendliches Wachstum auf einem endlichen Planeten nicht funktionieren kann und langfristig immer die Lebensgrundlage aller Menschen zerstört, mag für die jüngere Generationen eine einfache Rechnung sein. Doch umso schwieriger ist es für alle, die seit Jahrzehnten glauben, mit dem aktuellen Wirtschaftssystem auf dem richtigen Weg zu sein. Die Klimakrise zerstört den Traum von einem Markt, der die Verteilung von Ressourcen alleine regeln kann und irgendwann schon Wohlstand für alle bringen wird.

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Lange Zeit war es das Totschlagargument der Marktwirtschaft, dass sie die einzige Form des Wirtschaftens sei, mit der die Freiheit des Einzelnen einhergeht. Planwirtschaft dagegen führe, so drückte es der liberale Ökonom Friedrich Hayek aus, zwangsläufig in die Diktatur, weil der Staat entscheidet was produziert wird und nicht die Bürger*innen selbst. Die Annahme, es gebe nur zwei absolute Systeme und man müsse sich entscheiden, zwischen einem freiheitlichen Leben im Kapitalismus und dem Zwang einer kommunistischen Planwirtschaft, hat das letzte Jahrhundert tief geprägt. Doch ist der kapitalistische Markt wirklich so frei, wie viele annehmen?

Ein Blick nach China heute zeigt, Kapitalismus und Diktatur funktionieren äußerst erfolgreich. Der Kapitalismus selbst ist ein zutiefst undemokratisches System. Es gibt keinen Markt, auf dem alle gleich sind, es gibt nur einen Markt, auf dem die Kaufkraft über Macht entscheidet. Wer kein Kapital besitzt, dem steht es frei seine Arbeitskraft zu verkaufen, um das Kapital eines anderen zu vervielfachen. Der Kapitalismus schafft Reichtum, ja. Aber eben nur für Wenige. Das ist auch der Grund, warum Milliarden Menschen der COVID-19 Pandemie nun schutzlos ausgeliefert sind, während die Kapitalisten der Weltgemeinde sich um ihre finanziellen Verluste sorgen.

Nicht die kapitalistische Marktwirtschaft bringt gesellschaftliche Freiheit, sondern die Demokratie. Sie allein wird dafür sorgen, dass die große Mehrheit und nicht elitäre Minderheiten profitieren. Auch die Lösung der Klimakrise wird davon abhängen, ob die demokratischen Gesellschaften dieser Welt ausreichend Druck auf ihre Politiker*innen aufbauen können.

Bis jetzt gab es vor allem ein Problem. Niemand wollte die riesige Maschinerie der Weltwirtschaft stoppen oder auch nur verlangsamen. Doch ein Virus zwingt sie in die Knie, mit unklarem Ausgang. Die übliche Ausrede der Alternativlosigkeit, ja sogar Naturgegebenheit des kapitalistischen Systems, zählt nicht mehr.

Der Rückgang des BIP ist eine ungewollte Folge der Corona Pandemie. Es würde eine Menge staatliche Gelder benötigen, um auf den wirtschaftlichen Stand von vor Ausbruch der Pandemie zu gelangen, wenn das überhaupt zu erreichen ist. Denn selbst wenn Deutschland mit teuren Konjunkturprogrammen einiges für sich ausrichten könnte, bleibt die Frage, was die anderen europäischen Staaten machen um auf die Beine zu kommen. Die Corona Pandemie wird die soziale und wirtschaftliche Ungleichheit auf der ganzen Welt weiter zuspitzen und nationalistische Antidemokraten stärken. Und dann ist da noch die Klimakrise, die eine sofortige CO2-neutrale Umstrukturierung der Wirtschaft erfordert.

Je schlimmer die Coronakrise wird, umso fundamentaler müssen die daraus resultierenden Erkenntnisse sein. Wer behauptet, nicht der Kapitalismus, sondern das Virus sei Schuld an der jetzigen Lage, vergisst, dass ein System sich auch daran misst, wie standhaft es in Krisen ist. Das Mantra der Neoliberalisten - Privatisierung und Kostenminimierung für mehr Profit für Investoren - ist nicht nur entzaubert, sondern in der jetzigen Lage zum Verhängnis für alle geworden.

Was Politiker*innen jetzt brauchen, ist ein Masterplan, der diese Krisen gleichzeitig angeht. Sie müssen dazu den ideologischen Kampf der Systeme hinter sich lassen. Stattdessen brauchen wir radikal pragmatische Politik, um die tatsächlichen Probleme des 21. Jahrhunderts zu lösen.

Der Green New Deal für Europa (GNDE) von DiEM25 ist eine politische Vision, die die sozialistische Zielsetzung vom Wohlstand für alle, mit einer innovativen Marktwirtschaft, die die nachhaltigsten Lösungen hervorbringt, verbindet. Die Demokratisierung von politischen und wirtschaftlichen Institutionen wird der Schlüssel zur gesellschaftlichen Inklusion und freiheitlichen Ordnung. Wohlstand könnte wachsen, obwohl das BIP schrumpft. Für politischen Erfolg müssen neue Messinstrumente, als das bloße Wirtschaftswachstum, etabliert werden.

Das Coronavirus ist der letzte Todesstoß für ein zutiefst ungerechtes System, das längst dem Untergang geweiht ist. Was folgen muss, ist ein demokratisches Gesellschaftssystem, das unsere Wirtschaft nach dem Wohlergehen von Mensch und Natur ausrichtet, statt dem finanziellen Reichtum Weniger.

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Anlässlich der Publikation der deutschen Übersetzung des #GNDE, sendet DiEM25 im Rahmen von #DiEM TV am Montag, den 27. April, um 20:00 Uhr, einen öffentlichen Livestream, in welchem die Inhalte der Roadmap verständlich für alle präsentieren werden.

Autorin: Maike Wilhelm, Mitglied des Vorstands von Demokratie in Europa - DiEM25
Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
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