Kaiserreich

FUSSBALLNATION Deutschland gegen den Rest der Welt

Nun hat es der »Kaiser« doch noch geschafft. Und nicht nur Fußball-Deutschland liegt Franz Beckenbauer zu Füßen. Bild will, so die Ankündigung auf der Titelseite, dem gewieften Verhandler ein Denkmal setzen. Vor allem die Wirtschaft wird es »Franz B.« (Focus) danken, dass Deutschland 2006 im Mittelpunkt des (fussballerischen) Weltgeschehens steht. Denn was hätten die Wirtschaftstreibenden gemacht, wäre die Weltmeisterschaft an Südafrika vergeben worden, und Deutschland womöglich (wenn die Talfahrt und das bunte Treiben der Spieler so weiter gehen) gar nicht qualifiziert. Nach den Turbulenzen der letzten Europameisterschaft ist nun in Deutschland ein wenig Ruhe eingekehrt. Rudi Völler hat sich geopfert, und Christoph Daum wird das deutsche Team durch die Qualifikation peitschen.

Franz Beckenbauer hat nach dem Sieg bei der WM 1990 in Italien großsprecherisch zu Protokoll gegeben, wenn die Spieler aus Ostdeutschland zum deutschen Team stoßen, werde die Nationalmannschaft auf Jahre hinaus nicht zu schlagen sein. Berti Vogts wurde als Bundestrainer berufen, und die Tragödie nahm ihren Lauf.

Als ich vor der diesjährigen Europameisterschaft meinte, Deutschland werde mit einem Punkt nach Hause fahren, wurde ich angesehen, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank. Die Emotionen, die das deutsche Team wachrief, sind mir als Österreicher seit vielen Jahren vertraut. Doch eines habe ich mir wirklich nicht so recht vorstellen können: Blicken wir auf die deutsche Mannschaft, sehen wir Österreich spielen. Ich wusste nur nicht, dass die Deutschen ihre Nationalmannschaft brauchen, um sich in den feinen Regeln und Riten der Melancholie zu üben.

Als Jupp Heyneckes nach der Niederlage gegen Portugal forderte, dass mehr Ausländer in der Bundesliga spielberechtigt sein müssten, zuckten die anderen Kommentatoren mit ihren Körpern, als hätten sie gerade einen elektrischen Schlag erhalten. Nach der Green-Card für die Computer-Spezialisten nun auch noch mehr Fußballer aus anderen Ländern! Ist Deutschland in Sachen Fussball bereits ein darniederliegendes Land, dem mit der Vergabe der WM 2006 ein wenig auf die Sprünge geholfen werden soll? Und dass ein Solitär wie Stefan Effenberg sich einfach weigert, die Ehre einer Berufung in die deutsche Mannschaft anzunehmen, wird lediglich als ein weiterer Beweis seines miesen Charakters gesehen.

Die geheime Wahl in Zürich wurde durch die Indiskretion des Fifa-Präsidenten Joseph Blatter zu einer offenen Angelegenheit. Der neuseeländische Delegierte Charles Dempsey hat sich nicht an die Absprachen gehalten. Denn nach dem Ausscheiden von England war vereinbart gewesen, dass er für Südafrika stimmen sollte. Trevor Mallard, Sportminister Neuseelands, kritisierte den Alleingang von Dempsey: »Ich bin schockiert, dass eine einzelne Person ihr Stimmrecht missbraucht. Es gab eine klare Anweisung an Dempsey, wie er abzustimmen hatte. Herr Dempsey hat das internationale Ansehen unseres Landes beschädigt.« Die südafrikanischen Zeitungen Soweton und Daily Mail haben klar zu verstehen gegeben, was sie von diesen Machtspielen halten: »Hochverrat an Südafrika. Die Vergabe der WM 2006 widerspricht den Werten der Solidarität und Universalität er Fifa. Erste World über alles.« - »Eine Schande für Europa. Kann Europa weiter als seine Nase blicken? Kann der reiche Norden ein wenig mit den Armen teilen?« Und der belgische Le Soir warf den Fifa-Mitgliedern vor: »Haben sie denn nichts begriffen? Wo es jetzt die einmalige Chance gab, den Weltsport für Afrika zu öffnen, hat sich die Fifa erneut für die klassische Lösung, die Sicherheit und die Finanzkraft entschieden. Es ist das erste Mal, dass Deutschland nach der Wiedervereinigung eine Großveranstaltung empfängt. Es ist für Europa aber bereits das zehnte Mal, dass dort die WM ausgetragen wird.«

Für Franz Beckenbauer, der 1990 dem »Rest der Welt« gegen Deutschland keine Chance gab, ist dieses Abstimmungsergebnis eine späte Bestätigung seiner dreisten Behauptung. Und in den Köpfen von Prominenten und Politikern geistert schon ein Gedanke: Die Fußballweltmeisterschaft in Deutschland, das Endspiel in Berlin und ich in der VIP-Lounge.

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