Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist so alt wie die Öffentlich-Rechtlichen. Sie kommt seit Adenauers Zeiten mal von Politikern, die vermeintliche Einseitigkeit anprangern, mal aus der privaten Medienwirtschaft, deren Lobbyisten ihn weniger als gesellschaftliche Aufgabe wahrnehmen denn als Konkurrenz. Und immer wieder kommt sie von Leuten, die eigentlich nur eine Frage haben: Und was habe ich davon?
Tja, was? Die Öffentlich-Rechtlichen sollen etwa einen „Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen“ geben und die „europäische Integration und den gesellschaftlichen Zusammenhalt“ fördern. „Bildung, Information, Beratung und Unterhaltung“ sowie „Beiträge insbesondere zur Kultur“, das ist der Job. Weil Deutschland aber aus 80 Millionen Programmdirektoren besteht, gibt es viele Vorstellungen davon, wie er gemacht werden sollte. Auf jeden Fall halt anders. Und besser.
Ja, natürlich ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk optimierbar. Die mangelnde Ausgabentransparenz ist Ärgernis und Akzeptanzproblem. Die Zusammensetzung von Kontrollgremien ein Dauerthema. Und das Programm ist im Detail zwar viel besser als sein Ruf. Aber man kann auch allerhand gegen die Konventionalitäten der Schaufenstersender vorbringen, die Formatkrimis oder Talks über- und Dokumentarfilme oder Kulturthemen unterschätzen; die populär im Sinn von Helene Fischer sein wollen.
Nur, den Laden ganz oder weitgehend abräumen? Kinkerlitzchen wie das für den WDR umgedichtete Kinderlied über die Oma, die „’ne alte Umweltsau“ sei, reichen etwa der Werte-Union mittlerweile für die Forderung, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk „in seiner jetzigen Form“ abzuschaffen. Das ist Fox-News-Schule: Mit Nichtigkeiten werden Feindbilder zementiert, deren Existenz dann politisch nutzbar gemacht werden soll.
Wie jetzt: Der große WDR, der Konservativen vor Jahrzehnten schon als „Rotfunk“ galt, der auch jüngst immer wieder im Fokus öffentlicher Diskussionen stand und dann nicht selten mit kommunikativer Ungeschicklichkeit auffiel, übernahm gerade den ARD-Vorsitz – und repräsentiert damit in der kommenden Zeit, in der es immer wieder um die Beitragshöhe gehen wird, das Prinzip Öffentlich-Rechtliche. Nun mit dem Ballast der jüngsten Eindrücke an den Hacken. Viel krawalliger, als es geschehen ist, hätte selbst der angekündigte Fernsehsender der Bild, der laut einem Branchendienst „News in Live-Entertainment“ verwandeln will, die von rechten Kampagneros angestoßene „Umweltsau“-Welle kaum inszenieren können.
Wem sie eh in den Kram passte, der nahm diese Welle freilich gern auf. Die Öffentlich-Rechtlichen, hieß es etwa in einem Kommentar, könnten sich doch auf das konzentrieren, „was der freie Markt nicht bereithält, also seriöse und umfassende Fernseh- und Radionachrichten“, und „auf alles andere verzichten“. Das sollten sie aber mal schön bleiben lassen. Das Ergebnis wäre ein ungesund abgemagertes System.
Der freie Markt leistet nicht und würde auch nicht leisten, was ARD, ZDF und Deutschlandradio veranstalten. Dafür kostet die Herstellung von technisch gutem, dicht getaktetem Fernsehen und Radio für eine ganze heterogene Gesellschaft zu viel Geld. Teile der deutschen Filmwirtschaft könnten einpacken. Ernst zu nehmende Dokumentationen gäbe es kaum noch. Nischeninhalte, wie sie bei 3sat oder Arte laufen, verschwänden weitgehend vom Radar. Netflix, das von Marktliberalen immer wieder als Argument gegen ARD und ZDF angeführt wird, produziert in Deutschland wenig und praktisch nichts Nichtfiktionales. Viele Ältere, die auch grundversorgt werden wollen, wären einigermaßen abgeschnitten; die angeblich omafeindlichen Anstalten sind viel generationsübergreifender tätig als die Privaten, die in 70-Jährigen keine Zielgruppe sehen müssen.
Der Auftrag ist nicht nur, Nachrichten zu senden. Der Auftrag ist: die Vielfalt dieser Gesellschaft. Wie kann man also alle oder doch möglichst viele Menschen erreichen? Vor allem bei Menschen mit formal niedriger Bildung und bei Jüngeren gibt es hier ein Problem. Viele Jüngere wissen etwa gar nicht, was lineares Programm ist. Deshalb spielen ARD und ZDF verstärkt Inhalte über YouTube aus. Dort – und nicht mehr bei den Dritten, die vor allem für die Abbildung des Regionalen ihre Bedeutung behalten – findet ein guter Teil öffentlich-rechtlicher Innovation statt. Beim jungen Kanalnetzwerk „funk“ etwa wird beständig ausprobiert, aussortiert und neu gemacht, dabei entsteht viel Gutes.
Problematisch ist die Entwicklung, weil das Publikum bei YouTube die Inhalte gar nicht unbedingt als öffentlich-rechtlich erkennt und weil gemeinschaftlich finanziertes Programm über die Infrastruktur eines kommerziellen Riesen ausgespielt wird. Die Öffentlich-Rechtlichen bräuchten einen gemeinsamen Public Open Space, leicht zugängliche Plattformen, von denen Bildungs- und andere gemeinfreie Inhalte auch downloadbar sein müssten. Wie Derartiges zu schaffen ist: Das ist eine der Zukunftsfragen. Die Frage nach der Akzeptanz, um die gerungen werden muss, eine andere. Die nach der Verjüngung der Redaktionen bei gleichzeitigen Personaleinsparforderungen eine weitere. Ein umgedichtetes Kinderlied ist keine.
Kommentare 5
die verteidigung der öffentlich-rechtlichen info-kanäle
gegen zerstreuend-unterhaltende business-ausstrahlungen
ist voraussetzung für eine demokratisierende entwicklung.
als abschreckung kann dienen, was der medien-zar murdoch
in AU,USA, britannien mit deren politik und politikern
ins werk gesetzt hat.
Schöner Artikel, gerne gelesen … Und die Oma die alte Umweltsau, dass da sich der Chef vom Sender entschuldigt ist schon eigenartig. So ein lustiges Quatschlied und mal ehrlich, wer sich da angesprochen fühlt, der ist ertappt worden! ( Mein altes Moped mir 1:33 Mix ) Asche aufs Haupt!
Die öffentlich Rechtlichen haben erkennbar zu oft ein von oben bestimmtes “Sendebewusstsein“ Das ist "Eure Geschichte" - Das Schulprojekt zur DDR beim MDR z.B. … da gucke ich bei “Alltag und Nischenkultur“ rein und denke, man meinen die die DDR oder Nordkorea, mal überspitzt gesehen. Na, ja der Uwe Steimle wollte ja bei diesen Sender auch ein differenziertes DDR vorstellen und erlaubte sich so paar Sachen, die überhaupt nicht zum Zeitgeist passen – Sendung abgesetzt! ( Wes Brot ich ess, des Lied ich sing. …) oder so ähnlich. Damals Frau Slomka: „Wie sehr sich die Welt verändert hat, sieht man auch daran, dass Russland und die USA inzwischen fast gleichermaßen schwierig sind. Gut: Die Amerikaner lassen keine unliebsamen Leute in Berliner Parkanlagen ermorden – soweit man weiß.“ Da regen sich Leute auf? Und heute: Bundestags-Gutachten zweifelt Rechtmäßigkeit der Soleimani-Tötung an! Ich bin kein Fan von Frau S. aber da muss man sich fragen, was ist in Deutschland los und dann noch der Atlantikbrücken Heute-Journal Mann Claus Kleber. … da schalte ich weg!
Seit einigen Jahrzehnten klären uns unermüdlich die öffentlich rechtlichen wie die privaten Medien gleichermaßen, über jeden nur denkbaren Themenbereich auf, der für das Zusammenleben auf dem Blauen Planeten Erde von Belang ist. Die Reportagen und Dokumentationen zum Beispiel bei Arte TV, 3sat, Phoenix und die Recherche Verbunde haben eine Qualität erreicht, dass es ohne weiteres möglich wäre sie 1 zu 1 in das Bildungssystem zu übernehmen.
Die Art und Weise der Bildung durch Aufklärung der öffentlich rechtlichen wie der privaten Medien, besitzt ein ideologiefreies und vor allem gewaltfreies Potenzial, so dass sich aus meiner Sicht auf den derzeitigen Zustand des Blauen Planeten Erde, zumindestens in der Umwelt-, Sozial-, Arbeit-, Kultur- und Bildungspolitik eine Vielzahl an möglichen Lösungen anbieten.
Das eigene ressentimentfreie genaue zuhören und hinsehen entscheidet doch darüber welche Wege das 21. Jahrhundert gegangen werden. An den Jahrtausende alten Weisheitsleeren die es in allen Kulturen auf dem Blauen Planeten Erde gibt liegt es aus meiner Sicht jedenfalls nicht. Auch geopolitische und geostrategische Interessen oder politische Parteien sind nicht von Gott gegeben, sondern wandelbar.
Eine allumfassende und ganzheitliche Sichtweise auf den Blauen Planeten Erde kann sich doch heute jeder aneignen und sich in seinem Leben zu einer freien Persönlichkeit mit einer auf das Gemeinwohl bezogenen Denk- und Handlungsweise entwickeln.
Guter Artikel, vielen Dank!
Öffentlicher Rundfunk und Fernsehen sind wirklich in der hyper-consoum-Gesllschaft etwas Wert. sonst würde ich kein Radio mehr hören und Fernsehen schauen erst recht nicht. ... Immer diese Werbung in den Werbe-Formaten.
Trotzdem bedürfen die ÖR einer Reformierung. Meiner Meinung nach sitzen dort zu viele Anzüge, die Interessen vertreten, die nicht mit denen der gemeinen Gesellschaft überein stimmen (Wie in der Politik). Daher sitzen auch zu viele Politiker dort in den Aufsichtsräten -> ohne eigene Meinung.
gut ist, wenn in einigen Sendungen gemeinnützige Organisationen wie Food-Watch oder Attac (sehr selten *-) zu Wort kommen.
MEIN HAUPTPUNKT:"Die Öffentlich-Rechtlichen bräuchten einen gemeinsamen Public Open Space, leicht zugängliche Plattformen ..."
-> vollkommen richtig ! der KONJUNKTIV ist hier aber falsch -> sie BRAUCHEN eine Plattform, da es irgendwie sinnfrei ist über kommerzielle Werbe-Plattformen kollektive Inhalte exclusiv zu vertreiben. Da die Sender öffentlich finanziert werden, könnten auch direkt weitere Inhalte in einzelnen Orga-Gruppen bereitgestellt werden (z.B. Verbraucher-Schutz, Lobby-Kontrolle, Wertschöpfungsketten, Steuerprozesse, Umweltschutz), um einer Fragmentierung in einzelne Interessenvertretungen und Infoportale entgegenzuwirken und die Informationen zu bündeln. (z.B. stehen in der Schrot und Korn Infos die auch für Freitag-Leser interessant sein würden, wenn sie diese Zeitschrift nur in irgendeiner Auslage finden würden).
Das Kultur- und Gemeinwesen inklusive Bildungs- und Sozialsystem dürfen nicht hemmungslos kommerzialisiert werden.
Eine Folge in Kinderschuhen: In der Grundschule unserer Kinder ging ein Verteter des Sailer-Verlages durch die Klasse und preiste eine Kinderzeitschrift (Bimbo - mein bester Freund) an; edukativ wenig Wertvoll. Unswrr Bundespräsident ist Schirmherr der Stiftung, die ebenfalls von Amazon, Nestle und Co finanziert wir.
Der Filz in Deutschland ist unglaublich
-> neu strukturieren und modernisieren für ein gutes Kultur- und Sozialsystem.
Den Aufbau einer Plattform gilt es auf jeden Fall zu unterstützen.
Wer macht mit ?
Ich frage mal noch Harld Welzer und einige andere, die ja hier hinreichend Kompetenzen haben.
Ein technisches Problem ist das ja nicht - eher eine Frage des Willens !!!
zu vorherigem Kommentar: "Unswrr Bundespräsident ist Schirmherr der Stiftung, die ebenfalls von Amazon, Nestle und Co finanziert wir"
-> Also der Bundespräsident ist Schirmherr der Stiftung Lesen, die u.a. mit dem Sailer-Verlag zusammenarbeitet und bzgl. Digitalisierung und Pädagogik allgemien ein sehr fragwürdiges Bild abgibt. Die Aktionen der Stiftung lesen werden unter Anderen auch von vielen gekauften Prominenten wie "Eckard von HIRschhausen" unterstützt. Die sagen sich wohl alle: "Ein bisschen NEoliberalismus und Konkurrenz tut den Kindern bestimmt sehr gut - ... können sie sich für später schon dran gewöhnen".
Die Kultur und das Sozialsystem verarmen mit der Förderung einer kommerziaisierten Konsoum-Gesellschaft immer mehr. (der Sinn ist der Konsoum - Wer mehr braucht soll sich irgendwo nen Markt für seine Bedürfnisse suchen)