Der Buchautor Thilo Sarrazin hat ein Stöckchen genommen, es den Medien hingehalten, und dann sind die Redaktionen brav gesprungen. Hüpf, hüpf, hüpf, wie so Schäfchen. So kann man es sehen.
Rezension hier, Interview und Zusammenfassung seiner Thesen dort: Aus der Sicht des Autors dürfte es wie geschmiert laufen. Klar, es gibt praktisch nur Verrisse. Was er schreibe, sei primitiv, gefährlich, fachlich unterirdisch; das Land brauche dieses Buch so dringend wie Ebola, hieß es, eine Zeitung gab gar den Rat, es nicht zu lesen. Aber: Es ist eben trotzdem überall. Natürlich kann man sich da fragen, ob „die Medien“ noch ganz dicht sind.
„Beinahe alle sind ihm auf den Leim gegangen“, kritisierte der Medienkritiker Hans Hoff dieser Tage denn auch. Und er hat schon recht, einerseits. Schon im Vorfeld der Veröffentlichung waren ja Artikel etwa darüber erschienen, wie man „einen Bestseller lanciert“. Man weiß um die Marketing-Fallen, und trotzdem war bei seiner Pressekonferenz ein Auftrieb, als gäbe Rihanna eine Autogrammstunde auf einem Pausenhof.
Andererseits ist die Frage die nach der Alternative. Soll man sich als Redaktion, die sich mit gesellschaftspolitischen Themen befasst, mit Sarrazins wüsten Kulturkampfbeschwörungen nicht auseinandersetzen? Über ein Buch nicht schreiben, das schon vor Erscheinen vorne auf der Amazon-Bestsellerliste stand? Dann wäre man ihm erst recht auf den Leim gegangen. Nein, man darf Leser mit dem Stuss, der in jeder großen Buchhandlung stapelweise herumliegt, nicht alleinlassen. Auch so kann man es sehen.
Gerade weil man es aber so und so sehen kann, ist es auffällig, dass alle großen überregionalen Medien anspringen. Dass keine Redaktion ausschert – auch der Freitag nicht, in dem nun der Gedanke kursiert, man hätte vielleicht besser Standardwerke über den Koran vorgestellt und Sarrazin auf die Art ignoriert und zugleich nicht ignoriert. Aber: zu spät. Denn schnell muss es ja auch immer gehen. Hier sind wir bei jenem Phänomen, das als Herdentrieb bezeichnet wird. Es ist mit der vulgärmedienkritischen Theorie der Gleichschaltung nicht zu erklären. Vielmehr ist es gerade die Konkurrenz, die Redaktionen treibt, den anderen das Feld nicht zu überlassen: Man kann Thesen, die viel Öffentlichkeit bekommen, nicht kritisieren, indem man sie nicht kritisiert, sofern man als Medium gelten will, das etwas zu sagen hat. Und so sorgt die Annahme, dass alle sich zu diesem Buch verhalten werden, dafür, dass alle sich dazu verhalten.
Kommentare 3
Was soll man dazu sagen, jedes Volk hat eben den Bestseller, den es verdient.
Na schön, alle kommentieren. Dann muß ich wohl auch. Das ist mein Kommentar:
><))))))))°>
auf amazons bücherbestsellerliste platz eins steht im land der dichter und denker aber:
DAS IST ALPHA!: Die 10 Boss-Gebote von Kollegah.
aus dem klappentext:
"Und nur der Boss weiß, wie man vom Lauch zum echten Boss wird. Der Schlüssel dazu ist ein starkes Alpha-Mindset: »Ein Alpha richtet den Blick auf den Horizont, nicht auf den Arsch irgendeines Anführers«, rät Kollegah denjenigen, die ihm auf dem steinigen Weg der Bosshaftigkeit folgen wollen."
womit ja anerkennenswert ehrlich gesagt ist, dass, wer das buch kauft, ein lauch oder wenigstens kein alpha ist. hat das was mit sarrazin zu tun? nein, aber es beschreibt hübsch den teufelskreis des lauchs. zu sarrazin gibt es genug schlüssige rezensionen und auf wikipedia den lebenslauf.
sehr hübsch seine zeit als berliner senator für finanzen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Thilo_Sarrazin#Berliner_Senator_f%C3%BCr_Finanzen
204 millionen steuereuro abgeschafft! und wer war warum schuld? das steht wie immer im neuen sarrazin, lieber lauch.