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Grimme-Online Die Grimme-Online-Awards wurden verliehen. Mit dem GuttenPlag-Wiki und einer interaktiven Darstellung zu Vorratsdaten gewannen auch zwei politische Projekte

Ein lustiger Moment des Abends gehörte den Machern von GameOne.de, einer Seite, die sich, wie die gleichnamige Sendung auf MTV, dem guten alten Computerspiel widmet. GameOne.de erhielt am Mittwochabend bei der Verleihung der Grimme Online Awards den Publikumspreis.

Publikumspreis bedeutet: Das Publikum stimmt ab, und wer die meisten Stimmen bekommt, gewinnt. Natürlich soll dabei jeder nur einmal abstimmen, sonst gewinnt ja nicht das Angebot mit den meisten Anhängern, sondern das, dessen Mitarbeiter die meiste Zeit aufbringen, um sich selbst zu wählen.
Als nun die GameOne-Macher auf die Bühne kamen, sagte einer von ihnen, sinngemäß: Die Fans der Seite hätten gleich kapiert, dass man nur die Cookies löschen muss, um immer wieder abstimmen zu können.

Was im Grunde schon ein preiswürdiges Statement ist: So viel Selbstironie im Umgang mit einer Trickserei – die freilich im Publikumsprinzip auch bei jedem Bandwettbewerb, jedem Casting und jeder Dschungelshow angelegt ist – ist auf jeden Fall nicht das Unangemessenste. Zumal ja eh jeder weiß, wie's so läuft.

Ebenfalls lustig war im Rahmen einer Verleihung, die zu klein fürs große Fernsehen gewesen wäre, aber im Internet-Livestream den richtigen Verbreitungsweg fand, wie Dieter Gorny sich die Hände trockenwusch. In der Funktion als Preispate durfte der Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes der Musikindustrie den Spezialpreis überreichen. Von Moderatorin Amelie Fried befragt (die so, wie sie die Computerspielfreunde ausschließlich nach den schlechten Spielen fragte,

keinen

sicher auch jeden Filmfreund ausschließlich zu dem Ausschuss befragen würde, der in der Videothek für 50 Cent zu haben ist), rieb er sich gefühlte vier Minuten lang die Hände wie auf einer Herrentoilette, während er antwortete. Ein Bild, dem man zweifellos keinen Symbolcharakter zuschreiben sollte. Aber wenn man es doch täte, würde es bedeuten: Hier spricht der große Warner. Der Warner vor Raubkopierern und ungewaschenen Händen gleichermaßen.

Einer der Spezialpreise, den Gorny dann überreichte, ging an das GuttenPlag-Wiki, jene Wiki-Plattform, die wesentlich zur Aufdeckung der Plagiate in der Doktorarbeit von Ex-Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg beigetragen habe, wie das Grimme-Institut die Ehrung begründete. Ebenfalls einen Spezialpreis erhielt – und wie der Preis für das GuttenPlag ebenfalls nachvollziehbarerweise – das Projekt "Verräterische Handys" von ZeitOnline.

Digital-Ressortleiter Kai Biermann, Lorenz Matzat von Open Data City und der Programmierer Michael Kreil hatten eine interaktive Grafik er- und damit „dargestellt, wie anhand von Vorratsdaten eines halben Jahres ein sehr präzises Bewegungsprofil eines Menschen gezeichnet werden kann“ (Selbstbeschreibung). Dafür hatten sie die Vorratsdaten des Grünen-Politikers Malte Spitz benutzt, der ihre Freigabe von der Telekom zuvor gerichtlich erstritten hatte.

Kai Biermann nahm gleich noch einen Preis entgegen, jenen in der Kategorie Wissen und Bildung für das Blog neusprech.org, das er mit dem Linguistikprofessor und Chaos-Computer-Club-Mitglied Martin Haase führt und in dem die beiden verbale Verschleierungstaktiken etwa von Politikern entlarven. Unter den Nominierten waren mit der Arte-Seite zu 50 Jahre Unabhängigkeit in Afrika, dem Blog Fremdwoerterbuch.de, dem multimedialen Projekt "WM – ein Wintermärchen" oder dem medien-doktor diverse preiswürdige Kandidaten, manche davon technisch und multimedial deutlich ausgefuchster als neusprech.org. Aber immerhin werden nun vielleicht die Leute, die besagter Dieter Gorny vertritt, auf diesen neusprech.org-Blogeintrag über das Oxymoron "Raubkopie" gestoßen.

Die anderen Preise der Grimme-Jury gingen an DradioWissen und das viel geklickte lawblog (Kategorie Information), den anderen Wissenspreis erhielt Prison Valley, ein Arte-Versuch einer multimedialen Dokumentation, und in der Kategorie Kultur und Unterhaltung gewannen Reisedepesche und wortwuselwelt.

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