Der ist vorzeigbar

Spitzenväter Männer, die viel Wind ums Papasein machen, nerven? Klar. Doch wenn sich im Rollenverständnis etwas ändern soll, müssen sie mitteilen dürfen, dass sie endgeile Typen sind

Väter. Bekannt? Väter sind die, die im Schnitt 45 Minuten pro Tag Lego spielen und nachts manchmal wach werden. Manche von ihnen reden und schreiben gerne darüber und nerven kinderlose Kollegen mit ihrem Gewäsch.

Ein Anzugträgerhotel in der Hauptstadt. Hier findet an diesem Tag die Mutter aller Väterveranstaltungen statt. Eine Großbäckerei verleiht Preise für die „Spitzenväter des Jahres“. Lustigerweise ist gerade Internationaler Frauentag. Und irgendwie sieht zunächst mal alles ungefähr so aus, wie man sich das Treffen eines Maskulistenverbands vorstellt. Das Fass mit dem Pils fehlt zwar. Dafür liegt aber ein Grußwort von Ministerin Kristina Schröder zur Lektüre aus, das hat eine ähnliche Symbolwirkung.

Vorne, wo Mikrofone stehen, sitzen drei Männer in Anzügen. Einer von ihnen geht sein Selbstporträt durch, das er verfasst hat. Einer lässt sich von einer Fotografin vor einer Stellwand mit seinem Bild ablichten – ein Verfahren, das bedeutungssteigernd wirkt: ein Porträtbild vor dem eigenen Bild ergibt ein Porträt in Potenz. Auf dem Schoß des dritten Mannes sitzt ein kleines Mädchen, das während der Pressekonferenz auf einem iPad herumkrakelt und einmal herzhaft gähnt.

Es handelt sich bei dem Mann um einen alleinerziehenden Vater, der hier dafür ausgezeichnet wird, dass er alleinerziehender Vater ist. Und auch die anderen beiden Männer werden als Pioniere der Gleichstellung geehrt. Als „Spitzenväter des Jahres 2012“. Weil der eine seine Frau Managerin werden ließ und derweil das gemeinsame Kind hütete. Der andere, weil er sich selbständig machte und mit seiner Frau gemeinsam sieben Kinder, darunter Pflegekinder, betreute und betreut. Und der dritte eben, weil er alleinerziehend ist.

Wir können sogar Schleifen!

Es liegt nahe, sich über die Veranstaltung lustig zu machen: Am Frauentag bekommen drei Männer, die nichts, aber auch wirklich gar nichts tun, was viel mehr Frauen nicht schon immer getan haben, mit vierstelligen Beträgen dotierte Preise, werden fotografiert, gelobt und beklatscht. Und das soll dann als Beitrag zur Gleichberechtigung verstanden werden. Nach dem Motto: „Toll gemacht, Ihr drei Heroen des Alltags! Und guck’ mal: Eure Schuhe könnt Ihr ja auch schon alleine zubinden!“

Natürlich ist das etwas grotesk, und wenn sich die taz darüber ärgerte, dass die Frauenministerin, statt für die Frauenquote zu kämpfen, Grußworte für Väterpreise schreibt, dann hat das schon seine Berechtigung. Symbolisch ist das totaler Schrott.

Aber trotzdem beruht diese Spitzenvaterpreisverleihung auf einer richtigen Idee: Man feiert hier die neue Rolle des Vaters, wie sie im Kinderlied vom „Papa Löwe“ besungen wird: „Ich heiße Papa Löwe und bin ein guter Mann. / Ich habe sieben Kinder mit einer Mutter dran. / Die Mutter macht die Euros tagsüber im Büro / Und ich koche Spaghettis und mach’ die Kinder froh.“

Man feiert dieses Rollenverständnis nicht, weil es schon weit verbreitet wäre; im Gegenteil: 80 Prozent der Väter nehmen nach der Geburt eines Kindes nicht einmal die zwei Monate Elternzeit, die sie, sogar ohne sich verausgaben zu müssen, in Anspruch nehmen könnten. Nur verschwindend wenige übernehmen dauerhaft und regelmäßig familiäre Aufgaben jenseits der Geldbeschaffung. Dem Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung zufolge verbringen Väter gar zwei bis fünf Stunden pro Woche mehr am Arbeitsplatz als kinderlose Kollegen.

Man feiert das neue Vaterrollenverständnis hier vielmehr, weil es sich offensichtlich auch nicht verbreiten wird, wenn man Männern nicht ständig sagt, dass die Kinderaufzucht wirklich eine krass coole Herausforderung für endgeile Typen ist. Es geht hier – abgesehen mal davon, dass ein von einem Unternehmen ausgelobter Preis immer auch dem Unternehmen nutzt – auch darum, „weg von der Vergötterung der Präsenz der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz“ zu kommen, wie die Ökonomin Ulrike Detmers sagt, die die veranstaltende Bäckerei vertritt. Es geht also auch um ein Aufbruchsignal an Unternehmen. Vor allem aber geht es um die Schaffung von Vorbildern. Väter sollen ganz selbstverständlich gleichbeansprucht in der Erziehung sein, ohne als Weichei bespöttelt zu werden. Die ehemalige Familienministerin Renate Schmidt, die eine Laudatio auf einen der Preisträger hält, sagt, man müsse Männern „den Mut zum Springen“ geben. Die Angst vor beruflichen Nachteilen sei immer noch groß.

Väter sind auch nur Männer

Anders gesagt: Nicht Frauen müssen in ihren Fähigkeiten verherrlicht werden, damit sie diese auch einsetzen können. Sondern, so die zugrunde liegende Überlegung, auch das Reden über Väter muss sich ändern. Und wie? Indem man ihnen zeigt, dass es Väter gibt, die tatsächlich länger als zwei Monate fürs Kind da sind. Wie es hier geschieht: Männer dürfen zeigen, wie toll sie sind. Väter sind halt auch nur Männer.

Irgendwann muss man daher bei der Spitzenvaterveranstaltung unweigerlich an die phänomenologische Ausprägung des Erzeugers denken, die Vätern kürzlich in einem Essay in der Süddeutschen Zeitungvorgeworfen wurde: „Der angebliche Trend zum betreuenden Papa ist ein gefühlter“, stand dort, zurecht. Und weiter: „Die neuen Väter sind vor allem in einem Punkt großartig: in der Selbstdarstellung.“

Andererseits wird das Eine ohne das Andere kaum zu haben sein: Beschneidet man das männliche Recht auf Selbstdarstellung, heißt es Sense, aus, Feierabend mit Rollenwandel. Wenn Männer mehr Erziehungsaufgaben übernehmen, müssen sie auch über ihre Großtaten reden, sich in ihrer Rolle wohlfühlen, sich überhöhen dürfen. Also darüber schreiben. Wind machen. Kinderfotos herumzeigen. Gefühlt Superheldenkostüme tragen.

So wie Mütter es tun. Die unsäglichsten Elternbücher, das wird vergessen bei der Kritik an zum Beispiel Väterbüchern, sind immer noch würgrosa und heißen etwa Das Mami Buch. Und auch mit Brad Pitt zu belegen, wie nervig die Selbstdarstellung von Vätern ist, ist gemein: Es ist nicht ausgemacht, dass er mit seinem Papi-Käse mehr nervt als seine Frau, Angelina Jolie, mit ihrem Mami-Quatsch.

Man kann als Kernbotschaft der Spitzenvaterveranstaltung insofern mitnehmen, dass auch Väter das Recht haben, Elterngewäsch zu reden. Und der nächste Schritt ist dann die Wahrnehmung der Vaterpflichten. Bestimmt. Irgendwann. Bald. Vielleicht. Bitte. Prost.

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