Die Waldverwandtschaften

Kampagnenkritik Im "Jahr der Wälder" weist das Landwirtschaftsministerium darauf hin, dass Goethe ohne Wald unlesbar wäre. Guter Slogan, falscher Grund: Mal nach dem "Faust" gegoogelt?

Bei Papier, für die Jüngeren, handelt es sich um erstaunlich dünne Holzscheiben. Schon Johann Wolfgang von Goethe nutzte solche Holzplatten, um seine Werke zu schreiben (also quasi E-Books, nur eben auf Baum). Goethe ist kulturmäßig nicht zu verachten. Wenn jemand sagt, Deutschland sei das „Land der Dichter und Denker“, ist gemeint, dass er hier gelebt hat und dass wir alle übelst schlau sein müssen, weil wir von ihm abstammen. Hey, nicht lachen – Goethe war fortpflanzungstechnisch wohl tatsächlich eher breit aufgestellt.

Aber wo waren wir? Ach ja: 2011 ist das „Jahr der Wälder“. Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz rät daher: „Entdecken Sie unser Waldkulturerbe!“ Damit man darüber nachdenken kann, was unser Leben – nicht nur Natur, sondern auch Kultur – ohne Wald wäre, gibt es Plakate, auf denen steht: „Ohne ihn“, also Wald, „wäre Goethe unlesbar.“ Oder: „Ohne ihn wäre Obelix verhungert.“ Ein hübscher Hinweis darauf, dass alles mit allem zusammenhängt. Nur etwas monokausal in der Argumentation. Eigentlich ist es mit dem Wald wie mit der Facebook-Revolution: Die Korrelation ist da, aber gäbe es ohne Facebook wirklich keine Revolution? Auf Obelix und Goethe gewendet: Wäre Obelix ohne Wald vielleicht einfach zum Metzger gegangen, statt Wildschweine zu jagen? Und Goethe – wäre er wirklich unlesbar? Mal „goethe werk online“ bei Google eingegeben?

Aber nicht dass die Botschaft untergeht – die ist ja gut und wahr. Sie lautet: Der Wald ist unser Freund. Wenn die Kampagne in Kürze anläuft, dann sicher auch bei Facebook.

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