Für Abrüstung und neue Stehlampen

Alltagskommentar Nach der Verleihung des satirischen Ig-Nobel-Preises an eine Firma, die aus Munition Diamanten macht, muss man sagen: Das ist visionär – Frieden muss sich lohnen
Alfred Nobel hatte eine super Idee. Und dann zum Glück noch eine. Dafür gebührt ihm diese Statue, in Stockholm
Alfred Nobel hatte eine super Idee. Und dann zum Glück noch eine. Dafür gebührt ihm diese Statue, in Stockholm

Foto: Jonathan Nackstrand/AFP/Getty Images

Die Schaffung von Frieden ist eine komplexe Angelegenheit, und man kann sagen, dass sich daran schon der eine oder andere die Zähne ausgebissen hat. Da wäre etwa Alfred Nobel: Er war, nach allem, was man liest, der Überzeugung, dass die Menschheit aufhören würde, Krieg zu führen, wenn es so schreckliche Waffen gäbe, dass kriegslüsterne Parteien selbige aus Sorge vor ihrem Einsatz streckten. Daher erfand er Dynamit, Sprenggelatine und Ballistit-Pulver. Super Idee. Später erfand Nobel dann die gleichnamigen Preise, zum Beispiel den Friedensnobelpreis, um den Schaden wiedergutzumachen.

Man sieht: Der einzige Weg, dem nebenwirkungsintensiven Fortschritt etwas entgegenzusetzen, ist die Suche nach Wegen, mit dem Fortschritt umzugehen. Dafür, einen solchen Weg gefunden zu haben, wurde gerade die russische SKN Company mit dem Ig-Nobel-Preis der Universität Harvard in der Kategorie „Frieden“ ausgezeichnet: Sie kann alte Munition in Diamanten verwandeln. Der Ig-Nobel-Preis ist ein seit 1991 verliehener satirischer Preis, oft überreicht von Trägern des in der Regel nicht satirisch gemeinten echten Nobelpreises. Ig-Nobel-Preise wurden verliehen für Studien über Bauchnabelfussel; für die Patentierung des Rads durch das australische Patentamt 2001; in diesem Jahr auch für den Nachweis, dass Hirnforscher mit komplizierten Instrumenten selbst in totem Lachs eine relevante Hirnfunktion entdecken können.

Aber diese Friedenssache in diesem Jahr, die Verwandlung von Munition in Diamanten, die ist wirklich visionär: Wie schließlich soll die Schaffung von Frieden im großen Stil vonstattengehen, wenn es keine materiellen Anreize gibt? Die Formel für den Weltfrieden lautet ja nicht: Singt Psalmen! Womöglich lautet sie aber: Frieden muss sich lohnen. Er muss benutzt werden können; man muss ihn sehen, anfassen und am besten in Gebrauch nehmen können, zum Beispiel als Halskette. Tatsächlich gibt es eine solche Industrie schon: Die Firma Stockpile Designs verkauft Lampen und Tische, deren Füße aus Weltkriegsbomben bestehen (stockpiledesigns.com). Vietnamesische Bildhauer benutzen Bäume, die in Napalmbränden nicht zerstört, aber durch sie besonders hart wurden, in der Möbelproduktion. Abrüstung jetzt – wir brauchen das Militärzeug für Stehlampen.

Und für den Fall, dass die Friedensformel doch nicht taugt, weil es Streit um Diamanten gibt, hilft der BH, dessen Erfindung 2009 mit dem Ig-Nobel-Preis ausgezeichnet wurde: Man kann ihn mit wenigen Griffen zu zwei Atemschutzmasken umfunktionieren.

Der Ig-Nobelpreis wird gelegentlich auch als Anti-Nobelpreis bezeichnet und ist nicht zu verwechseln mit dem Alternativen Nobelpreis, der in diesem Jahr den Kampf für Menschenrechte, die Entwicklung von Deeskalations-Strategien und eine Kampagne gegen Waffenhandel ehrt

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