Fußballstars beim Frühstücken

Film Neue Dokus feiern Fußballstars. Oft ist das wenig spannend
Ausgabe 34/2019
Im Profifußball ist ganz nah dran noch immer ziemlich weit weg, wie „Inside Borussia Dortmund“ beweist
Im Profifußball ist ganz nah dran noch immer ziemlich weit weg, wie „Inside Borussia Dortmund“ beweist

Foto: Imago Images/Cord

Als der Filmemacher Aljoscha Pause ein Langzeitporträt des Fußballspielers Thomas Broich vorlegte, der in Deutschland dann doch nicht die prophezeite große Karriere machte und in Australien spielte, sagte er im Gespräch mit dem Freitag: Für einen Film sei der Karriereverlauf wünschenswert. Das sei „spannender als eine reine Erfolgsgeschichte.“

Das war ganz richtig, wie man an den vielen unspannenden Heldengeschichten sieht, die in den vergangenen Jahren produziert worden sind. Bei Netflix wurde 2018 etwa Juventus Turin abgefeiert. Man sieht schöne Männer, die besten Szenen, die größten Erfolge, ach, es ist wahnsinnig langweilig. Oder All or nothing, eine Reihe von Mannschaftsporträts, die Amazon auf seiner Streaming-Plattform zeigt. Zuletzt konnte man dem überfinanzierten Team von Manchester City beim Supersein zusehen. Die Dokumentation, die „einen nie da gewesenen Einblick in die Welt des Profifußballs“ zu zeigen verspricht, ist nichts als ein langer Imagefilm.

Gemessen an diesen Vorbildern hat die Fußballdokumentationsreihe The Making Of über Cristiano Ronaldo, José Mourinho und Neymar, die derzeit beim Streaming-Sportportal Dazn läuft, geradezu Tiefgang. Auch hier werden zwar reine Erfolgsgeschichten erzählt, aber es hat sich jemand überlegt, wie sie erzählt werden sollen. Ronaldos lackierte Karriere etwa wird in nur drei gut ausgewählten Spielen aufbereitet. Und wenn er am Ende seinen leicht profilneurotisch wirkenden Umgang mit Medien erklärt wie ein Innenminister, der überall Überwachungskameras aufhängen will (seine Erfolge seien kein Traum, sondern real, sagt er, und da sei er deshalb so sicher, weil „im Fernsehen, auf YouTube“ alles dokumentiert sei) – dann sieht man noch nichts von Neuigkeitswert, aber bekommt doch neue Deutungsideen.

Die vierteilige Dokumentation Inside Borussia Dortmund dagegen, die zum Bundesligastart bei Amazon Prime angelaufen ist, steht eher in der Tradition der All or nothing-Reihe. Eine Saison lang hat Aljoscha Pause das Team begleitet. Man sieht in der bislang verfügbaren ersten Folge die Spieler in der Kabine, beim Billard, im Pool, beim Essen, im Auto und beim Deutschlernen. Der Verein hat sich geöffnet, das ist die Behauptung. Und weil der Männer-Profifußball derart überkontrolliert wird, kann man das, was zu sehen ist, allzu leicht für sehenswert halten. Die Musik befördert den Eindruck noch: Selbst ein wenig aufregendes Bundesligaspiel wie gegen Augsburg wird hier mit Geigen untermalt, als gelte es, dem Fluch der Karibik Konkurrenz zu machen. Allerdings sieht man in Wahrheit auch hier praktisch nichts. Schon gar nichts, was dem Verein missfallen könnte.

Dass Dortmund am Ende der Saison Zweiter wurde, also weder Tragödie noch Happy End herausspringt, ist für einen Dokumentarfilmer natürlich nicht ideal. Die Frage ist: Warum dann nicht nach einer erzählenswerten Geschichte im Verein suchen? Einmal etwa taucht der Zeugwart auf, Frank Gräfen, der lange unter Tage gearbeitet hat. Er würde sich als Verbindungsstück zwischen lokaler Geschichte und der Gegenwart geradezu aufdrängen, in der die halbe Stadt die Bienenfarben des Vereins trägt. Aber nach wenigen Szenen mit Gräfen ist man stattdessen schon beim nächsten Interview mit einem Gesichtsprominenten.

Was zur eigentlichen Funktion dieser Filme führt: Es geht nicht um gute Geschichten oder gar um Hintergründe, es geht um die Erschließung neuer Märkte. Sicher auch deswegen lassen die größten Vereine nicht etwa ihre nationalen Fernsehsender, sondern international tätige Streamingportale ins Haus. Das Resultat sind Filme wie Instagram-Accounts. Man sieht: noch mehr von der Oberfläche.

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