Shuuschsch! Bumm! Aaaaiiiii!!! Grrrr! Greif! Boing!“ So, und kein bisschen anders, klingt die sehr erfolgreiche Jugendzeitschrift Lego Ninjago, die mit einer hohen fünfstelligen Auflage gesegnet ist. Man findet Comics in ihr, in denen Figuren sich selbst hypnotisieren, Rätsel, die von den Zeitzwillingen Blunck und Raggmunk handeln, und einen Riesenhaufen Eigenwerbung für den neuesten Kram von Lego.
Es ist müßig, dieses Magazin mit der laut Verlag ältesten noch erscheinenden Jugendzeitschrift der Welt zu vergleichen; mit einer pädagogisch angelegten Zeitschrift, die den Spruch „Lesen bringt‘s!“ im Titelkopf trägt und auf der „100 % Lesespaß und 0 % Werbung“ steht. Es ist ungefähr so sinnvoll, wie ein Happy Meal vom großen gelben M gegen Kohlrabi zu stellen. Aber wir machen es natürlich trotzdem: Der Kohlrabi ist die Flohkiste, die sich an Schülerinnen und Schüler der ersten Jahrgänge richtet; dazu gibt es den floh! für ältere. Ihr erstes Vorgängerheft war 1875 von Lehrern unter dem Titel Jugendlust gegründet worden.
Man kann sagen, dass die Floh-Hefte aus dem Münchner Domino-Verlag völlig anders sind als alles, was in einem Kinderzeitschriftenregal liegt. Es gibt kein „Shuuschsch“ und kein „Boing“, nirgends. Es gibt Schwerpunktthemen, abgekoppelt vom Tages-, aber angedockt ans Zeitgeschehen: Faschingshefte, Weihnachtshefte, Osterhefte. Es geht um Mülltrennung oder gute Ernährung. Rechtzeitig zu den Sommerferien erklärte der floh! in extramürber Aufmachung, warum Langeweile gar nicht schlecht sei. Als Alexander Gerst gerade ins All geflogen war, kam der floh! mit einer Weltraumausgabe, allerdings ohne jeden Hinweis auf Gerst. Und im Oktober hieß es auf dem Titel: „Bist du ‚online‘?“. Das Wort „online“ stand dabei in Anführungszeichen, genau wie später das Wort „Netz“, als wären Begriffe, die auf irgendwas mit Internet hindeuten, gar keine richtigen Wörter.
Sie ahnen, worauf das hier hinausläuft: Zum Jahresende werden die Floh-Hefte eingestellt. Über die Hintergründe der Entscheidung war kurzfristig vom Verlag nichts zu erfahren. Gewiss ist aber, dass es wirtschaftliche Gründe gibt. Und auch das Werbeverbot an Schulen hat wohl damit zu tun. Lehrer sollen heute, wenn sie Empfehlungen für bestimmte Lektüren aussprechen, nicht nur ein Produkt nennen, und der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) riet dazu, Druckschriften lieber „links liegen zu lassen“.
Simone Fleischmann, die Präsidentin des BLLV, der die Magazine über Jahrzehnte herausgegeben hat und über den die Floh-Hefte auch Eingang in den Unterricht vieler Lehrer fanden, sagt, es gebe nach wie vor Kinder, die die Zeitschriften gerade deshalb schätzen würden, weil sie heute so erkennbar anders seien. Tatsächlich wirken sie wie ein Weg aus der Reizschleife und Rollenfestlegungsfalle: Endlich mal kein Lego-Kampfkram, endlich mal nichts mit Pferden! Nur sind es wohl nach vielen erfolgreichen Jahren nun zu wenige: zu wenige Kinder; aber auch zu wenige Eltern und Lehrer, die sich auf einem gewachsenen Markt der Lern- und Unterhaltungsalternativen bewegen, auf dem auch sonst nicht alles Schrott ist.
Nicht nur ein wenig mehr Veränderung, so kann man es wohl sehen, hätte floh! und Flohkiste sicher gutgetan: ein wenig mehr Astro-Alex, „Shuuschsch!“ und „Boing!“. Wer mag, kann es aber ebenso gut umdrehen: Ein wenig mehr der „100 % Lesespaß und 0 % Werbung“, die der Floh anbot, würden Lego Ninjago schon auch nicht schaden.
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