Wenn man seine Biografie liest, erscheint es nicht undenkbar, dass Olli Dittrich eine Figur aus dem Repertoire von Olli Dittrich ist: 1956 als zweiter von drei Söhnen Kurt Dittrichs geboren, der die Journalistenschule des Axel-Springer-Verlags leitete, wechselte er vom Gymnasium Alsterfall in Fuhlsbüttel zur Realschule Eschenweg. Nach der mittleren Reife spielte er Schlagzeug und Waschbrett in der Hamburger Nachwuchsband Abbey Tavern, bevor er nach einer Lehre zum Theatermaler, die er an der Hamburger Staatsoper absolvierte, arbeitslos wurde.
So, etwas ausführlicher nur, beginnt der Kurzlebenslauf von Olli Dittrich im Munzinger-Archiv. Man würde sich nichts dabei denken, wenn es sich um die Vita von Dieter-Thomas Heck handelte. Es ist eine übliche Prominenten-Bio, bescheidtriefend und legendenbildend. Aber in dem Moment, in dem der Name Olli Dittrich in eine Gleichung eingebracht wird, verändert sich der Blick auf die Dinge, und man beginnt sie unweigerlich nach Hinweisen auf persiflierende Elemente hin zu untersuchen. „Gymnasium Alsterfall in Fuhlsbüttel“? „Waschbrett in der Hamburger Nachwuchsband Abbey Tavern“? Wirklich? Fehlt nur noch ein Verweis auf die erfundene possierliche Steinlaus, die einst nach einer Tiersendungsparodie von Loriot Einzug in Lexika hielt.
Eine Leistung des Schauspielers, Musikers und Komikkünstlers Olli Dittrich besteht darin, solcherlei Irritationen zu verursachen, indem er aus dem Echten das Wahrhaftige destilliert. Indem er aus dem, was uns als Welt verkauft wird, etwas geringfügig anderes schnitzt: etwas, das aber anders genug ist, um zu zeigen, dass „normal“ auch nur ein Synonym für „anders verrückt“ ist. Er ist daher weniger Menschendarsteller als Menschenkarikaturist.
Er stellt schließlich nie Menschen dar, sondern stets Figuren, die Menschen abgeschaut sind. Das gilt für seinen Bademantel tragenden Imbissbudentrinker Dittsche, der die Welt mit der Bild-Zeitung interpretiert. Es gilt für die Männer, in deren Haut er in „Blind Date“ mit Anke Engelke schlüpfte. Und es gilt auch für die vielen Fernsehbetriebsfiguren, die er in der Sendung „Frühstücksfernsehen“ spielt, deren 30-minütiger Pilotfilm zu Beginn der Woche in der ARD ausgestrahlt wurde. Da ist der Nachrichtensprecher, der routiniert seinen Sermon herunterspult („Die Arbeitslosenzahlen vom Mittwoch lauten“), der Fußballstar, der leicht Balla-Balla ist, aber im Sportfernsehen zum Helden stilisiert wird, oder die CSU-Bürgermeisterin, die sich darauf versteht, lokalpolitische Torheiten der Öffentlichkeit mit Rückgriff auf konservative Werte schmackhaft zu machen. Alle grotesk. Alle erfunden. Alle wahrhaftig. Solche Figuren hat vor Dittrich im deutschen Fernsehen nur der besagte Loriot gegeben, der auch ähnlich präzise gearbeitet hat.
Dittrich, der 1993 als festes Mitglied der Comedyshow „RTL Samstag Nacht“ bekannt wurde, als Teil des Duos „Die Doofen“ einen kleinen Hit hatte und als Schlagzeuger der Band „Texas Lightning“ Platz 15 beim Eurovision Song Contest belegte, skelettiert, was er in der Welt beobachtet. Und dann baut er auf das Gerüst neue bizarre Oberflächen. Nie war diese Methode besser zu erkennen als in „Frühstücksfernsehen“. In der „Absurdität des Alltäglichen“ liege hier der Witz, hat er in einem Interview gesagt, das der für die Sendung verantwortliche Westdeutsche Rundfunk veröffentlicht hat. Schön ist die Formulierung an dieser Stelle schon deshalb, weil auch das somit als absurd beschriebene „Morgenmagazin“ vom WDR produziert wird.
„Frühstücksfernsehen“ ist eine Persiflage auf das morgens beginnende Fernsehprogramm, in dem furchtbar gut gelaunte Moderatoren auf Sofas sitzen, viel reden und nicht immer viel sagen. Dittrich spielt Sören Lorenz, Cordula Stratmann seine Kollegin Claudia Akgün. „Ja ha ha“, begrüßt Sören das Publikum, „unser Programm ist heute picke-packe-voll, aber das schreckt uns gar nicht ab, wir haben gute Laune. Ich hoffe, Sie auch. Du auch, Claudia?“ – Claudia: „Ich auch, Sören. Du auch, Sören?“ – Sören: „Ha ha, ja klar, ich auch, ich hab‘, ha ha ha, auch...“ – Claudia: „Ha ha ha ha ha.“ – Sören: „...gute Laune, ha ha ha.“ – Claudia: „Ha ha ha!“ – Sören: „Ha ha, gute Laune, ha ha ha.“
Radikal ist dieses Spiel zwar nicht; von der ersten Sekunde an ist die parodistische Überzeichnung als solche erkennbar. In Charakterzeichnung, Timing und Kostümierung ist es aber faszinierend gut. Dittrich, ausgezeichnet unter anderem mit drei Grimme-Preisen, dreht in „Frühstücksfernsehen“ einen senderübergreifenden TV-Konsens durch den Wolf, der in manchen Dritten Programmen bis in den späten Nachmittag verlängert wird, wenn gutgelaunte Moderatoren Interviews mit Schauspielerinnen wie Katja Riemann führen.
Dittrich zieht das Fernsehen aber nicht nur am Nasenring durch die Manege. Er hämmert seinen Kopf nicht gegen die vernagelten Bretter des Betriebs, dem er in den vergangenen Jahren ein abgelehntes Konzept nach dem anderen vorgelegt haben soll. Er ist kein medienkritischer Aktivist. Er bestätigt das Fernsehen zugleich. Der selbstironische Umgang des Mediums mit sich selbst ist – seit die satirische „Heute Show“ im ZDF läuft – auch in den Öffentlich-Rechtlichen kein Revoluzzerzeug mehr, sondern Erfolgsrezept. Es ist normal, die Verrücktheit der Fernsehnormalität zu zeigen, während sie gleichzeitig unverändert weiter besteht. Insofern, kann man sagen, ist Olli Dittrich heute ein normaler Fernsehpromi. Einer, der die Welt nicht verändert, aber der sie seinen Zuschauern ganz gut erträglich macht.
Sören Lorenz heißt diese neue Figur von Komikkünstler Olli Dittrich. Er redet viel, sagt wenig, lacht aber immer. Ganz so, wie wir es von normalen Fernsehpromis kennen
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