Im Kochstudio

Serie Das ZDF plant wohl eine Art deutsches "Breaking Bad". Wie das aussehen könnte? Wer das schreibt? Wir haben das Making-of
Ausgabe 28/2013
Im Kochstudio

Foto: Ilya S. Savenok / Getty

Falls alles so kommt, wie es ZDF-Programmdirektor Norbert Himmler im Interview mit der FAZ gerade angekündigt hat, gibt es 2014 zwei Neuerungen im Programm des Senders: a) zwei Sitcoms. Und b) eine Art Breaking Bad auf Deutsch, eine anspruchsvolle Miniserie für die zweite Primetime. Aber was könnte das sein? Geht das? Und überhaupt, wer schreibt das?

Szene 1

Es ist 12 Uhr, Walther, soeben gelandet, will auf den Parkplatz des Senders fahren, als ihn ein uniformierter Mann neben einem Passierhäuschen auffordert, anzuhalten. Walther kurbelt das Fenster des gemieteten Wohnmobils herunter.

Uniformierter: Guude, Chef. Berechtigungskarte, bidde.

Walther: Hi. Ich bin Walther vom Kanal AMC, ich bin verabredet mit... (er kramt in Unterlagen auf dem Beifahrersitz)... Stefanie.

Uniformierter: Jou. Unn weider?

Walther: Und weiterhin mit zwei ihrer Kollegen, sie werden wohl auch an unserem Gespräch teilnehmen. Ich bin hier, um ein Breaking Bad auf Deutsch zu schreiben.

Uniformierter: Jou, aber ich kann Se ned roilasse ohne Ausweis. Wie gehtn das, Breaking Bad auf Deutsch? Schlescht bresche?

Walther (lacht wie ein Frosch im Schraubstock): Wissen Sie was, ich rufe Stefanie mal an. Die Roaminggebühren sind ja gar nicht so hoch.

Uniformierter (schaut auf die Uhr des Festznetztelefons in seinem Häuschen): Jou. Wenn die schlau is, is die schon beim Mittach, es gibt heit Spundekäs mit Bretzelscher.

Szene 2

Am Nachmittag: In einem teilverglasten Konferenzraum treffen sich zur Umsetzung der von oben kommenden Ideen:

- der Leiter Redaktion „Fiktion VI (zweite Primetime)“

- seine Stellvertreterin Stefanie

- ein verdientes Mitglied der Redaktion; früher den Redaktionen „Fiktion III (Vorabend)“ und „Unterhaltung IX“ zugehörig

- und Walther, der Stefanie von einer Konferenz kennt, auf der er als Vertreter des Senders AMC über Breaking Bad sprach. Er wurde dort mittlerweile entlassen.

Leiter: Walther, ich freue mich, dass Sie hier sind. Wir haben uns ja schon bekannt gemacht. Ich frag einfach drauflos, ich muss gleich auf eine Tagung zum Fernsehen der Zukunft...

Verdienter Redakteur: Ach du meine Güte, schon wieder eine.

Leiter: ...Was wären denn Ihre Ideen für ein deutsches Breaking Bad?

Walther: Vielen Dank! Also, ich habe mich in meinen ersten Entwürfen natürlich weit entfernt von der Idee einer klassischen Adaption. Das Geheimnis von Breaking Bad ist die eigene Handschrift, die Produktion aus einem Guss, die erzählerische Konsequenz, die Bildsprache. Wir in der Redaktion haben es als unsere Aufgabe gesehen, die besten Bedingungen für unsere Autoren zu schaffen.

Stellvertreterin: Klar.

Leiter: Richtig, Walther, der Idealfall. Da müssen wir hin. Natürlich muss ein deutsches Breaking Bad aber schon als solches zu erkennen sein. Das ist intern ja Prestige- und Quotenprojekt zugleich!

Verdienter Redakteur: Aber wir haben 1980 auch nicht Magnum auf Deutsch, sondern Ein Fall für zwei gemacht. Das hatte doch Gründe. Ich sag’s nur.

Stellvertreterin: Ja, aber es ist schon sinnvoll, sich an den Besten zu orientieren. Und Breaking Bad ist nun mal die beste Serie (zwinkert Walther zu).

Verdienter Redakteur: Ach, das schreiben doch nur alle voneinander ab. Ich fand weder Bill Cosby noch die Schwarzwaldklinik schlechter. Um’s mal klar zu sagen!

Stellvertreterin: Is’ recht, aber die beste Serie derzeit ist es ja wohl.

Leiter: Der Status quo kann nicht unser Maßstab sein. Außerdem fordert die öffentliche Meinung ein deutsches Breaking Bad. Also.

Verdienter Redakteur: Die öffentliche Meinung geht mir auf den Sack. Wenn wir etwas nicht machen, heißt es, wir sind alt. Wenn wir es machen, heißt es, wir sind blöd. Wir sind öffentlich-rechtlich! Wir senden nicht für 25 Feuilletonesen und 5000 Raubkopierer. Die Quoten sind auch eine öffentliche Meinung, Herrgott.

Leiter: Worum könnte es denn nun gehen, Walther? Da ist der Chemielehrer, der Krebs hat und schlecht krankenversichert ist.

Stellvertreterin: Ja, der Walter White. Walter Weiß, was für ein klingender Name, oder? Der baut dann Drogen an und wird Dealer, um die Therapie zu bezahlen und seiner Familie was zu hinterlassen. Und dann wird er Drogenboss.

Verdienter Redakteur: Wir haben das doch alle gesehen, Leute.

Walther: Korrekt zusammengefasst. Aber er baut nichts an, er kocht Crystal Meth. Die zersetzende Wirkung der Droge ist nicht unwichtig, sie ist ein sozialer Krebs! Walter White profitiert von der Zersetzung, die er mit der Erschaffung der marktbeherrschenden Droge befördert. Aber ich schlage vor, bei einem weißen Blatt Papier anzufangen, nicht bei einem vollen, von dem wir dann die untauglichen Elemente abstreichen. Jede Geschichte erfordert ihr eigenes Gefäß. Wir stopfen keine toten Tiere aus. Wir sind Glasbläser!

Verdienter Redakteur: Meine Rede. Wir können das nicht nachmachen, bei uns sind ja eh alle versichert. Das würde uns doch keiner glauben, also das ist doch naiv!

Stellvertreterin: Okay, wie wird man denn dann bad in Deutschland? Drogen... nein, eben nicht. Man schlägt Kinder... Man rutscht in Hartz IV... Strukturell bedingte Kindesmisshandlung vielleicht!

Leiter: Moment, wir brauchen schon einen Helden, kein menschliches Desaster.

Walther: Ich möchte nur noch mal an das weiße Blatt Papier erinnern. (Er kratzt sich nachdenklich am Kopf. Er braucht diesen Job dringend. Sicherheitshalber fügt er hinzu:) Aber good point!

Szene 3

Viele Konferenzen und diverse Wochen später. Walther und der verdiente Redakteur sind mit der Entwicklung des Zukunftsprojekts beauftragt. Sie arbeiten, weil es auch intern noch geheim bleiben soll, in Walthers Wohnmobil. Sie nennen es „Kochstudio“. Die Bedingungen sind ideal; es gibt Fernseher, Internet, ausreichend Schreibwaren und Gummibärchen. Es geht gut voran. Wenn sie nicht weiterkommen, fahren sie auf die Autobahn. Zu ihren Ritualen gehört, morgens, bevor die Quotenanalysen reinschneien, zu tippen, wie die Vorabendsendungen abgeschnitten haben. Dann legen sie los, manchmal noch im Schlafanzug.

Verdienter Redakteur: Schaust du mal auf den Dialog, Walther?

Walther (liest, schüttelt den Kopf): Das haben wir doch schon 50 Mal besprochen: Damit kommen wir ins Nachtprogramm. Und wenn es keiner sieht, ist es auch kein Fernsehen. Wir brauchen eine Sprache aus einem Guss! Konsequent simpel!

Szene 4

Im Wohnmobil, Wochen später. Walther hat das Tatort-Ergebnis an diesem Morgen auf das Zehntel genau vorhergesagt. Er hat den Redakteur zum achten Mal in Folge geschlagen und ist euphorisch, der Redakteur angefressen.

Walther: 6,4 Millionen Zuschauer, das ist doch lächerlich. Was man da rausholen könnte mit ein wenig Gespür für ein breites Publikum.

Verdienter Redakteur: Na klar, Mister Superstar. 6,4 Millionen ist lächerlich? Wir sind nicht in Amerika! Du kannst dir deine Formeln in die Haare schmieren. Der Tatort ist komplexer als dein Scheiß.

Walther: Was hast du eigentlich für ein Problem? Ihr habt mich geholt, um eure Ärsche zu retten. Ihr werdet alleine nie ein Produkt wie meines hinkriegen. Niemals!

Verdienter Redakteur: Weißt du was, das war’s, ich bin raus. Raus!

Damit verlässt der Redakteur das Wohnmobil, das auf einer Autobahnraststätte parkt. Walther steigt ebenfalls aus und kauft sich in der Tanke eine TV Today. Dann setzt er sich ans Steuer und gibt Gas. 130 km/h, 142 km/h, 151 km/h, niemand hält ihn auf. Er lacht diabolisch, während er am Uniformierten vorbeirauscht. Er stoppt erst kurz vor dem Haupteingang. Im weißen Schlafanzug-Overall geht er ins Büro des Leiters „Redaktion VI“, wirft, ohne jeden Kommentar, das Drehbuch auf den Schreibtisch und macht kehrt.

Die Pilotfolge der Sitcom Das Kochstudio – Schlecht brechen erreicht einige Monate später gut 2,9 Millionen Zuschauer. Die Kritik findet die Serie ein wenig zu selbstreferenziell. Die anspruchsvolle Miniserie für die zweite Primetime ist noch in Entwicklung.

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