Krise

Linksbündig Nach den Heuschrecken

Journalismus dient erstens dem Gemeinwohl, und zweitens verdienen Unternehmen Geld damit. Das war schon immer so. Der Bayerische Rundfunk hat seine erste Million mit Reklame in den fünfziger Jahren gemacht. Vor 25 Jahren wurde das Privatfernsehen eingeführt und wenig später die werberelevante Zielgruppe erfunden. Vor acht Jahren gab es eine einschneidende Rezession des Werbemarktes, die zur Medienkrise wurde. Journalisten wurden entlassen, andere nicht erst eingestellt, der eine oder andere Redakteur musste auf seinen Dienstwagen verzichten, kurz, es wurde immer schlimmer.

Insbesondere das Jahr 2002 war "eine Phase des signifikanten Abschwungs werblicher Impulse", wie es beim Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft heißt. Schon die gestelzte Sprache deutet darauf hin: Es war ernst. Seit dieser Krise verkaufen Medienunternehmen in großem Stil, je nach Perspektive nebenbei oder hauptsächlich, Bestseller, Bibeln, Brettspiele oder auch mal eine Kiste Wein.

Man kann also nicht davon reden, dass sich Medien jemals außerhalb der Ökonomie bewegt hätten. Die Medienbranche war allerdings ein halbes Jahrhundert nur gewachsen, viele Unternehmen erzielten über Jahrzehnte traumhafte Renditen. Kein Jahrzehnt alt ist dagegen die Erkenntnis, dass man darüber diskutieren muss - gerade weil die wirtschaftlichen Komponenten auch die Inhalte berühren.

Ganz frisch ist die endgültige Erkenntnis, dass das Investorenmodell der britischen Mediengruppe Mecom und ihres Vorstandschefs David Montgomery in Deutschland gescheitert ist - und damit das so genannte Heuschreckenmodell. Man kann in der Bibel (etwa in der "Volksbibel" der Bild-Zeitung, Schnäppchenpreis!) nachlesen, was das ist: "Sie bedeckten die Oberfläche des ganzen Landes und das Land war schwarz von ihnen. Sie fraßen allen Pflanzenwuchs des Landes und alle Baumfrüchte auf, die der Hagel verschont hatte." Und so weiter: Sie grasen alles ab und ziehen weiter.

Die Mecom-Gruppe hatte mit der Unterstützung von Finanzinvestoren in halb Europa Medienunternehmen gekauft, mit dem Versprechen, sehr hohe Renditen zu erwirtschaften. Dafür sollten die Mecom-Medien an allen Ecken und Enden sparen, in Deutschland waren unter anderem die Berliner Zeitung und die Hamburger Morgenpost betroffen. Nun hat die Mecom, hoch verschuldet, ihr Deutschland-Geschäft notgedrungen mit Verlust an den Kölner DuMont-Verlag verkauft. Die eigentlichen Finanzinvestoren waren da längst wieder weg, die Mecom hatte später ihre Anteile übernommen.

Angesichts der Tatsache, dass auch andere Medienunternehmen als die Mecom wirtschaftlich arbeiten, ist nun die Frage, ob das Scheitern des Finanzinvestorenmodells tatsächlich den Ausbruch paradiesischer Zustände in der Printmedienbranche bedeutet. Die Antwort ist: natürlich nicht. Die derzeitige Wirtschaftskrise zeigt, dass auch andere Medienunternehmen die Chance nutzen, ihr Portfolio zu bereinigen, Zeitschriften einzustellen, Redaktionen zu verkleinern, "Synergien" zu erzielen und all das zu tun, was man eben so in jedem Handbuch für Kostenreduktion findet. Verleger sind auch nur Geschäftsleute. Die einen nutzen brachialere Methoden, die anderen sanftere, aber am Ende zählt auch in der "Content"-Industrie die Bilanz.

Trotzdem: Es ist ein Unterschied, ob der Journalismus in die Wirtschaft eingebettet wird oder die Wirtschaft in den Journalismus. Und bei der Mecom ist Ersteres der Fall. Was passiert wäre, wenn dieselben Sparmaßnahmen, die drei Jahre lang über die Berliner Zeitung und die angeschlossenen Häuser verhängt wurden, nicht von einer börsennotierten Finanzmarkt-Combo diktiert worden wären, sondern von einem so genannten anständigen Verleger alten Schlags? Dann müsste man über eine Neubewertung nachdenken. Festzuhalten ist zu diesem Zeitpunkt allein: Es ist nicht passiert.

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