Medienhäuser in Not

Coronakrise Angesichts wegbrechender Anzeigenerlöse melden immer mehr Medienkonzerne Kurzarbeit an. Doch ist die Maßnahme für Verlage sinnvoll?
Ausgabe 16/2020

Während der Corona-Krise wurden die Kurzarbeitsregeln vereinfacht. Um Entlassungen zu vermeiden, können Unternehmen nun schon Kurzarbeitergeld beantragen, wenn mindestens zehn Prozent der Beschäftigten von Arbeitsausfall betroffen sind. Von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wollen auch Medienverlage, denen Werbeumsätze brutal wegbrechen, etwa die Südwestdeutsche Medienholding (SWMH) – zu der auch die Süddeutsche Zeitung gehört –, der Spiegel oder Axel Springer.

Wenn es um Bereiche wie den Anzeigenverkauf oder das Veranstaltungsmanagement eines Verlags geht, liegt Kurzarbeit nach Ansicht des Arbeitsrechtlers Till Hoffmann-Remy von der Kanzlei Kliemt.Arbeitsrecht auch nahe: In diesen Bereichen fällt unzweifelhaft Arbeit aus. Aber in diversen Verlagen wird auch darüber verhandelt, journalistische Redaktionen in Kurzarbeit zu schicken. Das ist ein Graubereich; ja, es gibt Beispiele für Arbeitsausfall im Journalismus: Ein Veranstaltungsmagazin hat erheblich weniger zu tun als sonst.

Bei mancher Lokalzeitung wie der Würzburger Mainpost, die in großem Umfang von Ortsterminen berichtet, ist das ebenfalls vorstellbar. Sie verhandelt über Kurzarbeit für Teile der Redaktion.

Die ganze Redaktion?

Nicht möglich ist, Kurzarbeit mit einer Leistungsbewertung zu verbinden. „Der Mitarbeiter, der besser performt, der bleibt – das geht nicht“, sagt Arbeitsrechtler Hoffmann-Remy. „Aber man kann thematisch sagen: Konzerte gibt es derzeit nicht, Literatur schon.“ Also könnte theoretisch der Konzertredakteur in Kurzarbeit wechseln, während eine Literaturzuständige weiterhin voll arbeitet. Solche Modelle sind denkbar.

In einigen Häusern wird aber sogar darüber diskutiert, die ganze Redaktion in Kurzarbeit zu schicken. Bei der Süddeutschen Zeitung GmbH etwa ist das im Gespräch. Abgeschlossen sind die Verhandlungen nicht. Der Verlag der Zeitung, die SWMH, hat auf eine kurzfristige Anfrage des Freitag bislang nicht reagiert. Gewerkschaften reagieren zumindest skeptisch. Die finanzielle Situation sei von außen schwer einschätzbar, heißt es beim Bayerischen Journalisten-Verband. Dass hier die Krise als Vorwand für Sparmaßnahmen genutzt werde, glaube er zwar nicht, sagt Michael Busch, der Vorsitzende des Verbands. Es gehe Verlagen wohl eher darum, nach der Coronazeit „stabilisiert weitermachen“ zu können. Den rein rechtlich möglichen Weg, gleich alle Angestellten der Redaktion in Kurzarbeit zu schicken, hielte er jedoch „für einen skurrilen Weg“, sagt er.

Definitionssache

Auch deshalb, weil die Frage ist, wo die Kurzarbeit für alle eigentlich herkommen soll. Krisenzeiten sind für den Journalismus Hochphasen. Die Leserzahlen steigen gerade bei vielen Medien, der Ausstoß vieler Redaktionen ist immens. Zwei Medienwissenschaftler schrieben kürzlich, manche Redaktionen würden in der Coronakrise „trotz Mehrarbeit in die Kurzarbeit rutschen“. Das wäre paradox: Die staatliche Leistung ist für Betriebe da, in denen es weniger Arbeit gibt.

Es ist ein schwieriges Feld. Wenn keine Fußballspiele stattfinden, können Sportjournalisten nicht über sie berichten. Fakt ist aber auch, wenn keine Spiele stattfinden, hat das Folgen für Vereine und Gesellschaft, über die sie sehr wohl berichten können. Arbeitsausfall kann zur Definitionssache werden. Den Ausfall müssen Unternehmen im Zweifel aber auch bei der Arbeitsagentur nachweisen können. Wie? In geschriebenen Zeichen, in gedruckten Seiten, in gearbeiteten Stunden? Und sollen Journalisten, die sonst in Vertrauensarbeit eher eine Stunde zu lang am Computer sitzen, nun im Homeoffice eine Stechuhr aufstellen? Darauf könnte es hinauslaufen. Experten raten hier tatsächlich zu Arbeitszeiterfassung.

Das könnte freilich bedeuten, dass Verlage, die Kurzarbeit für die ganze Belegschaft ins Auge fassen, für viele Mitarbeiter die Arbeit beschränken müssten, um den Arbeitsausfall nachweisen zu können, mit dem die Anmeldung von Kurzarbeit begründbar würde. Es wäre eine Verkehrung der Logik der Maßnahme: Kurzarbeit, die Kurzarbeit schafft.

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