Verband verliert die Kontrolle

Fußballurteil Die Fußballseite hartplatzhelden.de, auf der Filme von Amateurspielen zu sehen sind, siegt vor Gericht gegen den Fußballverband, der das Recht auf die Bilder beanspruchte

Die Herstellung von Öffentlichkeit ist nicht mehr das, was sie mal war. Die Fußballsite hartplatzhelden.de tut zum Beispiel Dinge, die früher Fernsehsendern mit einer teuer erworbenen Lizenz vorbehalten waren: Sie veröffentlicht bewegte Bilder von Fußballspielen – zwar nicht von Profispielen, aber trotzdem. Das Ergebnis ist eine „Sportschau“ des Amateurfußballs, und die Filme werden gedreht von den lokalen Anhängern vor Ort, auf Sportplätzen, die Tuchanger oder Holzhäuser Tivoli heißen.

Dem Württembergischen Fußballverband gefiel das nicht. Die Frage, um die es in einem langen Rechtsstreit deshalb ging, war: Wer hat das Recht, Amateurfußball zu veröffentlichen und damit – gegebenfalls, rein theoretisch – Geld zu verdienen? Wem gehört der Fußball? Der Fußballverband fand: ihm. Und klagte. In letzter Instanz haben die Hartplatzhelden am Donnerstag am Bundesgerichtshof in Karlsruhe nun nach Niederlagen vor dem Landgericht Stuttgart und dem Oberlandesgericht Stuttgart gewonnen.

Stimmen aus der Mixed-Zone

Das Hartplatzhelden-Team um den Sportjournalisten Oliver Fritsch selbst schreibt:

"Auswärtssieg! Wir haben das Spiel gedreht! Die Schiedsrichter in Karlsruhe sind der Meinung: Der Amateurfußball gehört uns allen. Den Spielern, den ehrenamtlichen Trainern, den Fans an der Bande. Den Minis und ihren Vätern mit der Videokamera. Den Lokalsportreportern der örtlichen Zeitung und den Bloggern, die über ihre lokalen Fußballhelden berichten. Natürlich gehört der Fußball auch den Verbänden, aber eben nicht alleine."

Der Württembergische Fußballverband stellt die Sache naturgemäß etwas anders dar: "In dem seit drei Jahren andauernden Rechtstreit ging es um die Frage, ob Bewegtbilder aus dem Amateurfußball kommerziell von Dritten verwertet werden dürfen." Mag Juristendeutsch sein, für Nichtjuristen allerdings bedeutet der Satz: Irgendein dahergelaufener Geldmacher erntet hier die Früchte unserer karitativen Arbeit.

Es ist also, wie immer, alles eine Frage der Perspektive. Doch aus so gut wie allen Perspektiven außer aus der des Verbandes kann man sagen: Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist eine gute Nachricht – für den Fußball, für die Fans, für Amateure, auch für den Journalismus.

Dass hartplatzhelden.de, finanziert über Werbung, nicht erwähnenswerte Summen verdient, sondern eher draufzahle, wie Oliver Fritsch etwa 2008 versicherte, ist dabei nicht einmal das entscheidende Argument. Denn tatsächlich könnte irgendjemand irgendwann, theoretisch – die Hartplatzhelden oder auch jemand, der nicht so klein, sympathisch, fußballbegeistert und offensichtlich nicht in erster Linie gewinnorientiert ist wie sie – einmal Geld damit verdienen, Amateurfußball ausschnittweise im Netz zu zeigen.

Tor! Tor!

Der entscheidende Punkt ist, dass es keinen Grund gibt, dem Verband die Alleinverwertungsrechte im Grunde für alles, was im organisierten Fußball jenseits der Kneipenspaßligen passiert, zu überlassen. Warum sollte dem 23-jährigen Jungstar der TuS Butzenbach das Recht genommen werden, sein Wahnsinnstor, das rein zufällig sein Vater filmte, den Hartplatzhelden zukommen zu lassen? Weil es dem Verband gehört? Hätte der Verband gewonnen, würde das nicht die Entkommerzialisierung des Fußballs bedeuten, sondern das Gegenteil: Wenn ein Verband das Monopol auf Bilder von Sportplätzen hielte, dürfte nur er darüber bestimmen, welche Bilder wo zu sehen sind. Er wäre ein Veranstalter, der auswählt, welche Bilder von seinen öffentlichen Veranstaltungen veröffentlicht werden. Er könnte ein Bildermonopol betreiben, etwa auf der verbandsoffiziell eingerichteten Seite fussball.de. Und er könnte Geld für Lizenzen nehmen.

Es ging in dem Prozess also um mehr als nur um ein paar verwackelte Aufnahmen von Bezirksligafallrückziehern. Es ging auch um den Verlust der Kontrolle eines Fußballverbands über den Fußball.

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