Wenn die Daten schon herumliegen

Netzgeschichten Wenn iPhones speichern, wo sich ihre Benutzer aufhalten, kann man daraus etwas Sinnvolles machen? Das fragten sich einige Datenjournalisten – und schufen crowdflow.net

Als Michael Kreil zwei iPhone-Datensätze – seine eigenen Positionsdaten und die eines anderen Apple-Kunden, der seine Geodaten öffentlich gemacht hatte – miteinander verband, fiel ihm etwas auf: Die beiden iPhone-Besitzer hätten sich mehrfach zufällig begegnen können, etwa bei einer Demo für "Freiheit statt Angst". Diese Entdeckung war der Beginn von crowdflow.net.

Kurz zuvor war bekannt geworden, dass Apple-Smartphones unverschlüsselt in einer Datei speichern, wo sich ihre Besitzer aufhalten. Zwei Software-Entwickler hatten gezeigt, wie Dritte an diese Daten kommen können: Wer Zugang zu einem iPhone hat, könne leicht herausfinden, an welchen Orten es in den letzten Monaten war. Das fanden die einen halb so wild und nichts Neues. Die anderen fanden, es sei ein dicker Hund – man wisse ja nicht, was Apple mit den Daten tue.

Der Entwickler und Datenjournalist Kreil dagegen fragte sich: Was kann man, wenn diese iPhone-Positions­dateien schon einmal herumliegen, mit ihnen anfangen? Das Experiment, wie er es nennt, begann, als er besagte zwei Datensätze verband. Die Idee war geboren: aus "Locationgate", wie die Apple-Geodaten-Geschichte genannt wird, etwas Sinnvolles zu machen.

Er und drei Kollegen (von denen sich einer in seinem Twitter-Profil "Apple-Fanboy" nennt, wobei Kreil betont, man habe "keine Mission") baten im Netz um Datenspenden. Bislang etwa 600 iPhone-Nutzer stellten daraufhin ihre persönlichen Logdateien namens 'consolidated.db' zur Ver­fügung – unter der Zusicherung, sie würden anonym behandelt.

Das crowdflow-Team erarbeitet mit den Daten neue Visualisierungen, es verwandelt sie also im Idealfall zu erkenntnisstiftenden Gemälden. Bislang erstellte das Team etwa Karten von Wlan-Netzwerken und Funktürmen in Berlin, Frankfurt am Main und im Ruhrgebiet. Das sieht vor allem schön aus, ist aber womöglich noch etwas nutzlos. Die Informationen der eingesammelten Basisstationen und Türme werden allerdings in eine offene Datenbank überführt – die also der Allgemeinheit und nicht nur Apple zugänglich ist. Damit könne dann jeder weiterarbeiten. Welche Ideen so entstünden, sei offen, sagt Kreil.

Im Netz gibt es nicht nur, aber vor allem Lob: Einer kommentiert Crowdflow bei Twitter unter dem Hashtag #somegoodfrombad. Andere meinen, Angst helfe auch nicht weiter, die freie Nutzbarkeit sei eine gute Idee. Einer aber fragt auch: Wie kann man so leichtsinnig sein, solche Daten auch noch persönlich auf einen Server von Unbekannten zu laden?

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