Die Zumutungen des Actressen-Interviews

Katja Riemann In einer phallisch orientierten Welt ist eine Schauspielerin keine Frau mit Beruf, sondern die Tratschfreundin von nebenan. Dagegen hat Katja Riemann sich gewehrt
Ausgabe 12/2013
Die Zumutungen des Actressen-Interviews

Screenshot: NDR

Das Actressen- oder Schauspielerinnen-Interview hat sich in Deutschland zu einem Genre entwickelt, das zu fürchten ist. Und nicht etwa, weil jetzt ständig kapriziöse Diven in ihm rumnervten. Das Schlimme am Schauspielerinnen-Interview, wie es uns auf den Kanälen und in den Blättern begegnet, sind die Fragen und die Einstellung, die aus ihnen spricht. Schauen wir doch mal hin: Katja Riemann, die eine imposante Zahl an Filmen geprägt hat, begibt sich in ein Regionalfernsehstudio. Erfährt kurz vor der Sendung, dass eine Bekannte von ihr, die Kollegin Rosemarie Fendel, verstorben ist. Trocknet ihre Tränen. Steht für das Gespräch bereit. Und was sagt der Plumpaquatsch vom NDR zu ihr? „Katja Riemann – ich bin sehr froh, dass Sie Ihre blonden Locken haben.“

In einer phallisch orientierten Welt ist eine Schauspielerin keine Frau mit einem Beruf. Eine Schauspielerin ist eine Projektionsfläche, selbst dann noch, wenn sie vor einem sitzt. Eine Schauspielerin ist hübsch, auf jeden Fall exhibitionistisch veranlagt, und kann mit Komplimenten gefügig gemacht werden. Katja Riemann hat im NDR einen über halbstündigen, sehr wachen und nur stellenweise irritierten Auftritt gehabt.

Aus dem hat ein bekannter Medienjournalist im besten Bild-Zeitungsstil einen völlig verzerrenden Zusammenschnitt gemacht, der dann wiederum von sämtlichen Medien als Primärquelle genommen wird.

Dafür musste sie Tausende höhnische Facebook-Kommentare über sich ergehen lassen. Klaus Kinski hingegen wird bis heute für jeden einzelnen seiner wirren, sexistischen, grenzdebilen Talkshow-Auftritte kultisch verehrt.

Schauspielerinnen-Interviews gehen wie folgt: Kurz wird die Schauspielerin vielleicht noch über den Inhalt des Films gefragt – dann aber geht es los: Worüber lachen Sie persönlich? Welche Blondinenwitze kennen Sie denn? Wie reagieren Sie auf blöde Anmache? Nehmen Sie noch den Nachtisch, oder ist nach dem Hauptgericht Schluss? Was fühlen Sie, wenn Sie am Herd stehen? Haben Sie ein Spezial-Kuchen-Rezept zur Konfliktbewältigung? Diese Fragen sind die Kurzfassung eines Interviews, das die FAS kürzlich mit Diane Kruger geführt hat, und sie stehen für ein Modell: Martina Gedeck absolviert ein ganzes Interview darüber, warum sie sich nicht über ihr Alter äußern will. Scarlett Johansson muss kundtun, dass sie Sightseeing liebt. Nadja Uhl wird als Expertin für Kinderkrippen befragt. Und so weiter. Die Schauspielerin ist das Komplementärbild zum deutschen Großschriftsteller: Wo der zum weisen Mann stilisiert wird, den man zu allen politischen und philosophischen Themen befragen kann (obwohl er vermutlich auch nur dieselben Zeitungen gelesen hat wie man selber) – ist sie die Tratschfreundin von nebenan.

Genau dagegen hat Katja Riemann sich verwehrt. Zu dem peinlichen Einspielfilmchen über ihre Kindheit hat sie gesagt: Der sei ihr peinlich. Und als Plumpaquatsch versuchte, Katja Riemann mit ihrer letzten Rolle in einen Quark zu mischen, da begehrte sie auf: Immer diese Privatismen! Immer dieses persönliche In-sich-Rumrühren! Sie bestand darauf: Die Schauspielerei ist ein handwerklicher Prozess. Sie wollte eine Frau mit einem Beruf bleiben und kein Girl aus der Medienpeepshow. Jeder Moderator sollte froh sein, einen so lebendigen Gast bei sich zu haben.

Klaus Ungerer hat zuletzt das Buch Was weiß der Richter von der Liebe veröffentlicht

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