Cancel Culture im Sächsischen Landtag

Streitkultur Abgeordnete des Sächsischen Landtags blieben der Feierstunde zum Tag der Deutschen Einheit fern, weil ihnen der Festredner nicht gefiel.

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Feierstunde zum 30. Jahrestag der Deutschen Einheit im Sächsischen Landtag. Zum Festredner wurde der frühere DDR-Bürgerrechtler und seither ununterbrochen für die CDU in Landtag und Bundestag vertretene Abgeordnete Arnold Vaatz bestimmt.

Die Fraktionen von SPD, LINKE und GRÜNE hatten zum Boykott der Veranstaltung aufgerufen, und in treuem Gehorsam blieben sämtliche Abgeordnete der Feierstunde fern. Vielleicht schien es auch verlockender, diesen spätsommerlichen Feiertag im Garten oder bei einem Spaziergang zu verbringen.

Ich kenne Arnold Vaatz nicht, habe ihn in der politischen Debatte nie wahrgenommen. Deshalb möchte ich an dieser Stelle auch gar nichts zu seiner Person sagen. Wer mehr über ihn wissen möchte, sei auf dieses ZEIT-Interview verwiesen. Es genügt festzustellen: Vaatz ist kein Extremist, er hat nie gegen Fremde gehetzt oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Frage gestellt. Dies hätte einen Boykott seiner Rede legitimiert. Was er gelegentlich fordert, ist eine ehrliche, ergebnisoffene Debatte über Zukunftsfragen unserer Gesellschaft. Und er hat manchmal eine andere Meinung zu Dingen, über die man nach Ansicht der Ferngebliebenen keine andere Meinung haben darf.

Linksfraktionschef Gebhardt sagte zur Rechtfertigung des Boykotts. „Wir hatten keine andere Möglichkeit, unseren Protest auszudrücken, als fernzubleiben. Auch das ist eine demokratische Meinungsbekundung.“

Nein, ist es nicht. Man hätte den Applaus verweigern können. Man hätte hinterher mit Vaatz diskutieren können. Aber dafür hätte man in Kauf nehmen müssen, was den Ferngebliebenen unerträglich schien: sie hätten dem Andersdenkenden zuhören müssen. Ohne dazwischenpoltern zu dürfen. Und da hört es ja nun ganz auf!

Als jemand, dessen Herz links schlägt, muss ich mit Befremden feststellen, dass es wieder mal ein links-grünes Bündnis ist, das diesen Akt bockiger Intoleranz vollzieht, und damit denen in die Hände spielt, die daraus das Schreckgespenst systematischen Gesinnungsterrors zeichnen, um rechtsradikalen Thesen den Anstrich von Grundrechtsverteidigung zu geben.

Vor allem aber ist es Abschiednahme vom kultivierten Umgang miteinander. Cancel Culture bedeutet nicht nur das Bashing und das Ausladen missliebiger Künstler. Es bedeutet in erster Linie eine Absage an die Debattenkultur und damit einen Angriff auf die Grundlage jeglicher Kultur.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Klaus Fürst

Es ist die unüberwindliche Irrationalität, die dem Menschen den Ausgang aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit versperrt.

Klaus Fürst

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