Da seh ich auch das Mehl (1)

Philosophie aktuell Die Philosophen haben die Welt verschieden interpretiert. Es liegt an uns, sie zu verändern.

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Artur Schopenhauer witzelte über seine Philosophen-Kollegen:
»Das Klappern der Mühle höre ich wohl, aber das Mehl sehe ich nicht.«
Mit einigen philosophischen Erkenntnissen, bei denen man das Mehl sieht und die bis heute ihre Aktualität behalten haben, beschäftigt sich diese Beitragsserie.

Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kommt aber darauf an, sie zu verändern.

Offenbar schlägt Marx mit seiner berühmten Feuerbach-These in die gleiche Kerbe wie Schopenhauer. Der Anspruch, dass Philosophie die Welt verändern muss, ist nur erfüllbar, wenn ihre Botschaft die Menschen erreicht und diese sie auch verstehen. Bedeutet doch die Veränderung der Welt nichts anderes als das Handeln der darin lebenden Menschen zu verändern.

In diesem Sinne wird die These stets als Kritik an der Philosophie gedeutet. Da sie aber in keinem klaren Kontext steht, ist durchaus nicht sicher, ob das wirklich Marx‘ Intention war. Was er auch gemeint haben könnte, ist folgendes: die philosophischen Interpretationen werden von den Menschen zwar zur Kenntnis genommen, auch als richtig erkannt, aber nicht in Tat umgesetzt. Diese Divergenz zwischen Erkenntnis und daraus folgendem Handeln findet sich in jeder Gesellschaft. Der ideelle Dissens ist stets größer, als sich am täglichen Handeln erkennen lässt. Nur wenige Menschen stimmen den gesellschaftlichen Verhältnissen, in denen sie leben, rückhaltlos zu; die meisten erkennen mehr oder weniger dringenden Veränderungsbedarf. Dagegen ist in ihrem Tun ein starker Hang zu Konformität festzustellen. Das hat zwei Gründe: erstens fehlt der Mut und das Vertrauen in die eigene Urteilskraft, um Wege abseits des Mainstream einzuschlagen. Die Gefahr sich auszugrenzen erscheint zu Recht sehr groß. Zweitens obsiegt meistens die Vermutung, man könne als Einzelner doch nichts ausrichten – gegen den Strom zu schwimmen, lohne also nicht. Wenn alle mit dem Ferienflieger um die halbe Welt düsen, welchen Unterschied macht es dann, ob ich auch in der Maschine sitze oder nicht? Eine bemerkenswerte Studie der Harwood Group[i] lieferte den empirischen Beleg dafür, dass die Mehrheit der Bürger eine neue Zielausrichtung der Gesellschaft, jenseits von Wachstum und Konsum, befürwortet. Gleichzeitig sind sie aber der Überzeugung, dass dieser Wunsch von der Mehrheit ihrer Mitmenschen nicht geteilt wird.

Mit philosophischen Zitaten lässt sich trefflich Eindruck schinden. Bewirken können sie jedoch nur etwas, wenn wir den Staub abklopfen und erkennen, dass die Zeit nun endlich reif ist für ihre Umsetzung. Der Blogger als Realphilosoph, der den Menschen unermüdlich erklärt, dass sie mit ihren Träumen nicht allein sind, dass die meisten Menschen so ticken, und dass es an ihnen ist, in eine bessere Gesellschaft einzuwilligen.

Ein schöner Traum.


[i] zit. nach Wilkinson u. Picket „Gleichheit ist Glück“ Berlin: Tolkemitt 2009


Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Klaus Fürst

Es ist die unüberwindliche Irrationalität, die dem Menschen den Ausgang aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit versperrt.

Klaus Fürst

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