Gerechtigkeitsprobleme der Pandemiebekämpfung

Corona Entschädigungen Dass die Pandemiebekämpfung auf dem Rücken einzelner Berufsgruppen ausgetragen wird, findet immer weniger Akzeptanz. Die Entschädigungen gehören grundsätzlich überdacht.

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Händler organisieren sich online und kündigen an, trotz Verbot massenhaft zu öffnen. Friseure protestieren per Lichtschalter, tschechische Gastwirte machen trotz Lockdown ihre Lokale auf, die vom Ruin bedrohten Hoteliers und Gastronomen auf Mallorca schreien ihren Protest mit unverhohlener Aggression heraus. Die Politik ist schnell dabei, diese Aktionen in die Nähe von Querdenkern und Coronaleugnern zu rücken. Und macht damit alles nur noch schlimmer.

Warum leisten diese Menschen Widerstand? Doch nur, weil ihnen das Wasser bis zum Hals steht. Weil sie fühlen, dass sie die Bauernopfer der Pandemiebekämpfung sind. Die meisten von ihnen haben Verständnis für die Maßnahmen, aber sie sehen nicht ein, dass die dafür notwendigen Opfer von einzelnen Berufsgruppen zu erbringen sind. Sie wollen Hilfe, doch die kommt nicht an, und selbst wenn sie ankäme, wäre sie nicht ausreichend. In den Talkshows überrollt der omnipräsente Peter Altmaier alle Kritik und behauptet, die Hilfen liefen planmäßig, von kleinen Pannen abgesehen. »Wir sind auf gutem Weg.« Er weiß genau, dass er damit meilenweit entfernt ist von jeglicher Realität. Die nämlich wird gruppen- und branchenübergreifend einheitlich beschrieben: die Hilfen kommen nicht an. Aber seit Trump weiß man eben, dass es nicht schadet, wider besseres Wissen das Gegenteil zu behaupten. Die größte Frechheit ist Altmaiers Aussage, dass allen Unkenrufen zum Trotz Pleitewelle und Massenarbeitslosigkeit ausgeblieben sind. Dabei weiß jeder, dass nur die ausgesetzte Insolvenz-Anzeigepflicht und das in Strömen fließende Kurzarbeitergeld diese Entwicklung verzögern konnten. Die meisten anderen EU-Länder verfügen nicht über die finanziellen Möglichkeiten, um sich mit solcher Wucht gegen die wirtschaftliche Katastrophe zu stemmen. Dort wird sich der Volkszorn zuerst entladen. Aber auch bei uns gilt: aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

Nur eines kann den Unmut kanalisieren: Gerechtigkeit. Aber an so etwas Absurdes denkt der Berufspolitiker nicht. Forderungen nach Gerechtigkeit wurden stets mit dem Hinweis abgetan, dass jeder etwas anderes unter diesem Begriff versteht. Immer schon gab es Gewinner und Verlierer, und immer hatten die selbst Anteil an ihrem Schicksal. Doch nun ist die Situation eine andere, die Lage ist eindeutig: Es gibt Verlierer, die ohne eigenes Verschulden dazu geworden sind, und es gibt Gewinner, die vom Unglück der anderen profitieren. Ein staatlich verordneter konsequenter Ausgleich zwischen Gewinnern und Verlierern der Pandemie wäre also ein unbestreitbar gerechter Akt, und dem würde das Volk Respekt zollen. Konsequent bedeutet: Verluste, die Menschen und Unternehmen entstanden sind, weil sie in ihrer Berufsausübung durch die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung behindert wurden, müssen rasch, vollumfänglich und bedingungslos entschädigt werden. Aber nicht allein über eine Neuverschuldung des Staates; den Hauptteil der Entschädigungssumme müssen diejenigen erbringen, die von der Pandemie nicht betroffen wurden bzw. sogar profitieren konnten. Praktizieren lässt sich das auf verschiedene Weise, am Ende kann es aber nur auf ein Notopfer hinauslaufen: alle während der Pandemie erzielten Erträge werden mit einer Sondersteuer belegt. Es beträfe also nicht nur Onlinehändler und Pharmakonzerne, sondern auch den Durchschnittsverdiener, der keine Einbußen während der Zeit der Pandemie hatte.

Aber keine Angst, dazu wird es nicht kommen, und ein Autor, der so etwas vorschlägt, muss sich den Vorwurf der Naivität gefallen lassen. Kein Politiker bringt die nötige Phantasie auf um zu begreifen, dass derjenige die Wahl gewinnen würde, der genau diesen Schritt wagt. Der Mensch akzeptiert nämlich persönliche Opfer, wenn sie gerecht sind, also von Allen abgefordert werden. Dies haben viele soziologische Studien bewiesen. Aber wer liest die schon?

Wenn sich der Volkszorn entlädt – so viel wissen wir aus der Geschichte – schlägt die Stunde der Populisten, „die es schon immer gewusst haben und schon immer dagegen waren“. Davor bewahre uns Gott – aber der wird sich hüten.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Klaus Fürst

Es ist die unüberwindliche Irrationalität, die dem Menschen den Ausgang aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit versperrt.

Klaus Fürst

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