Linker und Rechter Altruismus

Linke Politik Können Altruismus und Egoismus den politischen Lagern klar zugeordnet werden?

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Einige sehr interessante und vielbeachtete Beiträge haben sich in letzter Zeit mit dem Thema Altruismus beschäftigt, so von W. Endemann und Lukas Szopa. Nun wird Altruismus stets als Teil linken Gedankenguts gesehen, während Egoismus mehr als die Sache der Rechten gilt. Aber es gibt einen rechten Altruismus, und der wird, wie hier gezeigt werden soll, von links und rechts gleichermaßen betrieben.

Manchem mag die Vorstellung von rechtem Altruismus absurd erscheinen. Doch es wäre eine unzulässige Simplifizierung, Altruismus links und Egoismus rechts zu verorten. Schließlich kann man nicht behaupten, dass die Geschichte der Bundesrepublik links dominiert war. Abgesehen von der Ära Brandt, in der die linksorientierten Sozialdemokraten um Erhard Eppler etwas stärkeres Gewicht erhielten, kann man wohl eher von rechter Politik sprechen, die dieses Land prägte. Dennoch wurde eine Solidargemeinschaft geformt, die den Schutz der Schwachen in beispielhafter Weise garantiert. Das darf man nicht kleinreden, und das ist auch nicht der Punkt, um den es hier geht. Sondern: was linkes von rechtem Solidarverständnis unterscheidet, resultiert aus einer grundlegend verschiedenen Vorstellung von Humanismus. Es geht um die Positionierung in Bezug auf Gleichheit und Ungleichheit. Rechte Positionen entstehen aus einem naturrechtlichen Verständnis, wonach positive Anlagen und Leistungen automatisch zu Ungleichheit führen, was schließlich der Motor der Evolution und insofern unverzichtbar ist. Die darauf bauenden sozialdarwinistischen Modelle können nun zu rechtsextremem, faschistischem Gesellschaftsverständnis führen, sie können aber auch einen rechten Altruismus hervorbringen, wie wir es in der Nachkriegszeit erlebt haben. Diesen kennzeichnet die Selbstverpflichtung der Stärkeren, den Schwächeren beizustehen. Doch gilt das nicht auch für linke Positionen? Natürlich – aber der entscheidende Unterschied ist: Rechter Altruismus will dem Schwachen helfen, mit seiner Lebenssituation klarzukommen. Linker Altruismus will dem Schwachen helfen, stark zu werden.

Daraus wird deutlich, dass diese Unterscheidung nicht deckungsgleich ist mit den politischen Lagern, denn auch innerhalb der Linken gibt es einen starken Hang zu rechtem Altruismus. Norberto Bobbio, der mit „Rechts und Links“ (1994) die wohl bekannteste Schrift zu diesem Thema vorlegte, betont darin: »das Kriterium, nach dem man eine Rechte von einer Linken unterscheidet, entspricht nicht dem, auf Grund dessen man innerhalb der rechten und linken Lager den extremistischen vom gemäßigten Flügel unterscheidet.« Schaut man sich die Programme linker Parteien in Europa an, so findet man kaum weniger rechts-altruistisches Gedankengut als in denen ihrer politischen Gegner. Außer wohlfeilen Forderungen nach gleichen Bildungschancen zielt alles nur auf die Verbesserung der Lebenssituation der Schwächeren; das aber bedeutet eine Zementierung ihres sozialen Status.

Die Linke muss sich klarmachen, dass wirklich linke Positionen auf Egalitarismus zielen. Aber nicht auf Gleichmacherei, die den Level nach unten zieht, sondern auf einen positiven Egalitarismus, der den Menschen erhebt, indem er Alle mitnimmt. Womit wir wieder die Achillesferse der Linken getroffen hätten: sie muss zurück zu ihren Wurzeln. Sie muss für ein neues Wirtschafts- und Gesellschaftssystem kämpfen, statt zu versuchen, das Alte besser zu verwalten als die Rechten. Warum ist dieser Schritt so schwer? Weil es so aussichtslos erscheint, den Menschen diese Notwendigkeit zu vermitteln. Also versucht man, sich an einem fragwürdigen Reformismus zu beteiligen, um irgendwie Erfolg zu haben, ein wenig Macht und Einfluss zu gewinnen. Es ist der Umgang mit einer unaufgeklärten Öffentlichkeit, wie ihn Eva-Maria Mehrgardt kürzlich in einem Kommentar treffsicher beschrieb: »Der Dalai Lama, der in meiner Erfahrung als großer Gelehrter in tage- und manchmal wochenlangen Lehrveranstaltungen die Dialektik der buddhistischen Lehre vermittelt, beschränkt sich in der westlichen Öffentlichkeit zunehmend darauf, auf die Rolle des Mitgefühls hinzuweisen. Sicher hat er recht. Aber was tun wir damit? Manchmal befürchte ich, er denke, wir seien einfach ein bißchen doof und er spiele hier nur die Rolle des Lächel-Opas - wie ein Kind – weil mehr zu vermitteln einfach nicht drin ist. Sicher hat er recht.«

Auch die Linke glaubt, dass mehr zu vermitteln einfach nicht drin ist. Doch solange linker Altruismus nicht praktiziert wird – vielleicht erweist er sich gar als Utopie – ist mir ein rechter Altruismus, der auch wirklich von rechts kommt, lieber als ein halbherziger von links. Das Beispiel Griechenland hat nämlich wieder einmal bewiesen, dass der nicht funktioniert.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Klaus Fürst

Es ist die unüberwindliche Irrationalität, die dem Menschen den Ausgang aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit versperrt.

Klaus Fürst

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