Nieder mit der Anarchie! - Ein Zwischenruf

Anarchismus Der 1. Teil des Beitrags brachte große Resonanz. Hier ein Zwischenruf.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Dies ist noch nicht die versprochene Fortsetzung von Teil 1. Die Kommentatoren waren überaus fleißig, und der Respekt vor den geäußerten Meinungen gebietet es, diese im zweiten Teil zu berücksichtigen. Ich bitte also ein paar Tage um Geduld.

Diesen Zwischenruf möchte ich mit einer ganz persönlichen Erfahrung verbinden. Als der 1. Teil online ging, musste ich mich gegen Abend vom Kommentargeschehen lösen, weil ein Theaterbesuch anstand. Es war schön dort, aber mir gingen die tagsüber durchdachten Dinge nicht aus dem Kopf. Da sah ich das Orchester, dass sich der Macht von Komponist und Dirigent beugte, sich freiwillig und mit Begeisterung in dieses Herrschaftsverhältnis begab, weil es ohne dieses gar nicht existieren könnte. Niemand würde ernsthaft die Sinfonie infrage stellen, nur weil es auch möglich ist, zu jazzen und zu improvsieren.

Dann habe ich mir von Zeit zu Zeit das Publikum angeschaut. An dem Abend gab es ein Medley aus Stücken der neuen Spielzeit. Das kann man positiv sehen (da ist für jeden was dabei) oder negativ (wer weiß, ob mir da was gefällt). Hier erweist sich, ob Menschen zu etwas fähig sind, was essenziell für alle visionären Gesellschaftsentwürfe ist: Respekt. Da sitzt vor mir ein älterer Herr, und als ein Auszug aus einem Schauspiel gebracht wird, in dem ein somalischer Pirat aus seinem Leben erzählt, da fragt er seine Frau lautstark, was das denn soll. Schüttelt die ganze Zeit demonstrativ mit dem Kopf, um der nachfolgenden Darbietung aus "Gräfin Mariza" - ebenso demonstrativ - Beifall und Bravorufe zu spenden.

Es ist eben nicht (wie Chrislow in einem Kommentar vermutet) der übliche Generationenkonflikt, der mich umtreibt, der mir aufgibt, der nachfolgenden Generation etwas zu erklären. Die Jungen werden ihren Weg schon finden; was mir Angst macht, sind die Alten, Gesättigten, die in ihrem Haus aus Ignoranz und Selbstgerechtigkeit sitzen, stets bereit, dem starken Mann, der dieses Haus zu beschützen verspricht, willig zu folgen. Das zeigt sich aktuell daran, dass aus diesem Lager die unverfrorendsten Rechtfertigungen rechten Terrors kommen.

Was bringt es, dagegen zu schreiben? Die es betrifft, werden es ohnehin nicht lesen. Vielleicht tue ich es nur für mich, um mich aus der Herrschaft von Dummheit, Angst und Hass zu befreien. Vielleicht ist das mein persönlicher Anarchismus.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Klaus Fürst

Es ist die unüberwindliche Irrationalität, die dem Menschen den Ausgang aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit versperrt.

Klaus Fürst

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden