Themenwoche: Wie wollen wir in Zukunft leben?

Thema verfehlt! Gestern startete die ARD-Themenwoche #WIELEBEN – BLEIBT ALLES ANDERS? Den enttäuschenden Auftakt bildete die Talkrunde bei Anne Will.

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Schon die Anmoderation kann man eigentlich nur als Ironie verstehen, sie war aber wohl ernst gemeint:

»Wie wollen wir leben? - auf die Frage müssen unsere heutigen Gäste eine Antwort haben. Sie werden sie haben, denn alle drei nehmen für sich in Anspruch, unser Land führen zu wollen und auch führen zu können

Natürlich hatten sie die Antwort nicht, und das war auch vorhersehbar. Denn was passiert, wenn führende Köpfe verschiedener Parteien sich gegenüber sitzen? Reden Sie dann über Strategien und Zukunftsvisionen? Hat man das auch nur einziges Mal erlebt? Nein, sie machen Parteipolemik, zerreden sich in tagespolitischen Details und weisen dem Gegner Fehler in der Vergangenheit nach. Bestand auch nur die geringste Hoffnung, dass es mit Annalena Baerbock, Olaf Scholz und Friedrich Merz anders sein könnte?

Schon nach zwei Minuten spricht Anne Will Herrn Merz auf dessen Tätigkeit für Black Rock an, womit die Inhalte der folgenden Diskussion festgelegt ist: Finanzmärkte, Steuern, Konjunkturprogramme – eine Debatte, die es nicht wert ist, näher darauf einzugehen. Eine Debatte, die über Zustandsbeschreibungen nicht hinaus kommt. Thema verfehlt!

Es wurde zwar immer mal darauf hingewiesen, dass man doch eigentlich darüber reden wollte, wie wir in Zukunft leben möchten, aber bei dieser Feststellung blieb es auch. Vor allem aber war den Beteiligten wohl nicht klar, dass die Frage „Wie wollen wir leben?“ bedeutet: „Wie wollen die Menschen leben?“ Denn die Menschen werden dazu nie befragt. Es gibt keinen breiten gesellschaftlichen Diskurs darüber, wie unser Leben in der Zukunft, nicht einmal in naher Zukunft, aussehen soll.

Es ist das bekannte Phänomen: Man beschreibt den Weg, ohne das Ziel zu kennen. Immer wieder hieß es, man müsse Prioritäten setzen. Das ist sicher richtig, aber von welcher ideellen Basis aus? Meine Prioritäten sind sicherlich ganz andere als die von Herrn Merz oder die von Frau Baerbock oder die von Herrn Scholz. Bevor man Prioritäten setzen kann, muss man die Menschen befragen, was ihnen wichtig ist. Zweitens ist zu berücksichtigen, was real möglich ist, denn »eine bestimmte historische Praxis wird an ihren eigenen geschichtlichen Alternativen gemessen.« Diese Alternativen, die Herbert Marcuse hier anspricht, müssen zunächst aufgezeigt und mit den Menschen besprochen werden, erst dann können Prioritäten gesetzt werden.

Kurz vor Schluss der Sendung macht Anne Will Ernst und möchte nun endlich die Frage beantwortet haben, in welcher Gesellschaft wir eigentlich leben wollen. Und stellt dazu die Frage nach dem für sie offenbar wichtigsten Thema – haltet euch fest: »Wie spricht man gendergerecht?«

Ich betreibe den Blog ZukunftsAspekte, deshalb werde ich mir alle Sendungen dieser Themenwoche anschauen. Hoffen wir, dass einige dabei sind, die nicht mit dem Prädikat Thema verfehlt belegt werden müssen.

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Geschrieben von

Klaus Fürst

Es ist die unüberwindliche Irrationalität, die dem Menschen den Ausgang aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit versperrt.

Klaus Fürst

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