Til Schweiger fordert klare Ansagen

Zivilcourage Die Flüchtlingsproblematik führt uns erneut vor Augen, wie weit sich die Politik von der Sprache des Volkes entfernt hat, wie sie verlernt hat, Position zu beziehen

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"Wo ist der Politiker, der Klartext redet?"
"Wo ist der Politiker, der Klartext redet?"

Bild: Johannes Simon/Bongarts/Getty Images

Gestern Abend bei Maischberger. Einen deutlicheren Kontrast zwischen zivilgesellschaftlichem Engagement und politischer Phrasendrescherei habe ich selten erlebt. Auch nicht, dass die Unfähigkeit der Politik, die brennenden Probleme unserer Zeit zu lösen, so karikiert wird. Das heißt, karikiert ist nicht das richtige Wort, denn die Karikatur überzeichnet ja die Wirklichkeit. Aber das ging in diesem Falle gar nicht. Andreas Scheuer (CSU) und Sevim Dagdelen (LINKE) bedürfen der Karikatur weiß Gott nicht.

Der zugeschaltete Til Schweiger forderte von den Politikern mehr klare Ansage gegen Fremdenfeindlichkeit und faschistisches Gedankengut. Worauf Scheuer natürlich betont, dass dies sehr wohl getan wird - jeden Tag, jeden Tag, jeden Tag ...

Aber nicht nur Schweiger, auch die Journalistin Anja Reschke sieht das ganz anders. Sie berichtet von einer unglaublichen Begebenheit; leider ging das im allgemeinen Durcheinanderreden etwas unter:

Jetzt erzähl ich aber auch mal was aus dem Nähkästchen, das war eine Veranstaltung, bei der nicht gedreht werden durfte, da war eine aufgeheizte Stimmung, es war also außen rum Sicherheitspersonal, es waren einige einschlägige Rechte im Raum und natürlich eine aufgebrachte Menge von Leuten, die dieses Flüchtlingsheim verhindern wollen. Alle schrien da rum, sie wollen die da nicht haben, und dann steht eine einzige Frau auf, eine junge Frau, und sagt "Entschuldigung, ich wollte mal was anderes sagen, ich möchte gern wissen, wie ich den Flüchtlingen helfen kann." Was passiert? Ihr wird das Mikrofon entrissen, sie wird niedergeschrien, außen rum stehen zehn Sicherheitsleute, und der Innenminister von Sachsen, der vorne sitzt, sagt nicht: Entschuldigung, lassen Sie die Frau aussprechen, sondern es passiert nichts.

Scheuer erkennt sofort, wie brisant das ist, und damit diese Geschichte ja nicht vertieft wird, fährt er politprofessionell dazwischen : "Jeder erzählt hier von seinen Einzelerlebnissen..." Aber er hat Glück, die unbedarfte LINKEN- Vertreterin nimmt ihm die Aufgabe ab, weil sie das Bedürfnis verspürt, ihre "Hochachtung vor Menschen, wie Frau Reschke und Herrn Schweiger auszudrücken". Lustig, dabei die gequälten Gesichter von Reschke und Schweiger zu beobachten.

Der sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU), von dem hier die Rede war, müsste doch, wenn es sich wirklich so zugetragen hat, sofort seinen Hut nehmen; er wäre als Politiker gänzlich untragbar. Und das ist es, was Til Schweiger meint: wo ist der Politiker, der Klartext redet, der sagt: bis hierher und nicht weiter. Der nicht seine weichgespülten Phrasen von Mitmenschlichkeit abspult, von denen CSU-Scheuer meint, damit würde Tag für Tag von der Politik klar Position bezogen.

Besonders erschreckend die Szene, wo eine Frau in Freital, die auf die Frage, ob sie es denn gut findet, wenn die Rechten mit Steinen und Böllern werfen, antwortet: "Die werfen ja nicht auf Deutsche." Und selbst auf das Nachhaken: "Ja, aber doch auf Menschen!" bleibt sie dabei: "Aber eben nicht auf Deutsche."

Glaubt wirklich jemand ernsthaft, solche Menschen kann man mit politisch korrekter Ansprache umstimmen? Ich würde mir wünschen, in so einer Auseinandersetzung würden Angela Merkel oder Joachim Gauck auftreten, und zu dieser Frau sagen: "Was Sie da reden, ist Unsinn. Sie meinen, Menschen dürfen mit Steinen beworfen werden, wenn sie keine Deutschen sind? - So beginnt Faschismus! Wir können uns gern gemeinsam überlegen, wie wir die Probleme lösen, wir können uns jetzt gleich hier hinsetzen und zusammen darüber nachdenken. Aber wenn Sie glauben, Sie wären als Deutsche ein höheres Wesen, dann will ich mit Ihnen nichts zu tun haben. Faschismus wird in unserem Land nicht geduldet!"

Stattdessen das ewige: "Wir haben Verständnis für die Sorgen unserer Bürger." Nein, haben wir nicht! Wir haben Verständnis für die Not der Flüchtlinge - wahre Not, die die meisten unserer Mitbürger nur noch aus Erzählungen kennen. Wir haben kein Verständnis dafür, dass jemand bereit ist, seine Belange Faschisten anzuvertrauen, nur weil er Angst hat, sein Fahrrad könnte gestohlen werden oder seine Parkbank wird von einem Schwarzen besetzt. Ich würde mir wünschen, dass unsere Spitzenpolitiker das mal in aller Klarheit sagen. Dass sie in Kauf nehmen, wenn vielleicht einige Jammerbürger entsetzt sind: die nette Frau Merkel, das hätte ich ja nicht von ihr gedacht, was die jetzt für einen Ton anschlägt. - Dass sie stattdessen auf die vielen Rechtschaffenen setzen, die dann sagen würden: Jetzt ist sie auch meine Kanzlerin.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Klaus Fürst

Es ist die unüberwindliche Irrationalität, die dem Menschen den Ausgang aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit versperrt.

Klaus Fürst

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