Die Weltgemeinschaft arbeitet noch fieberhaft an einem neuen Klimavertrag für alle Länder – aber der Wendepunkt hin zu einer kohlenstoffarmen Welt könnte in diesem Jahr schon geschafft worden sein. Nachdem der globale Treibhausgasausstoß der Industrie im Jahr 2014 nur leicht angestiegen ist, dürfte er im Jahr 2015 um 0,6 Prozent sinken, wie es in einer Studie im Fachmagazin Nature Climate Change heißt. In den vergangenen zehn Jahren war der Treibhausgas-Ausstoß im Mittel noch um 2,4 Prozent angewachsen. Und noch etwas ist neu: Zwar hatte es auch in den vergangenen Jahren hin und wieder mal Emissionsrückgänge gegeben – allerdings hingen die mit Wirtschafts- und Finanzkrisen wie der von 2008 zusammen. Das ist in diesem Jahr nicht der Fall.
Der Grund: Der Energieverbrauch beginnt sich von der Wirtschaftsentwicklung weltweit abzukoppeln. Der Motor für diese Entwicklung ist der Boom der Ökoenergien und der Niedergang der Kohle. Der Bedarf an Kohle sank dieses Jahr etwa in Großbritannien um 16 Prozent, in den USA um 11 Prozent, in China um 6 Prozent und in Deutschland um 3 Prozent. Währenddessen steigt die Ausbaurate vor allem für Wind- und Solarkraftwerke weiter. Christoph Bals von der Umweltschutzorganisation Germanwatch sagt: „2013 und 2014 wurden weltweit mehr Kapazitäten im Erneuerbare-Energien-Bereich installiert als in den fossilen und nuklearen Energiesektoren zusammen.“
USA steigt auf
Besonders China könnte den Unterschied ausmachen und „Auslöser für einen Strukturwandel auf den internationalen Märkten sein“, heißt es im neuen Klimaschutzindex von Germanwatch und Climate Action Network, der in dieser Woche in Paris vorgestellt wurde. Das Klimaranking bewertet 58 Staaten, die mehr als 90 Prozent der weltweiten Emissionen auf sich vereinen. Noch befindet sich China, in absoluten Zahlen der größte CO2-Emittent der Welt, eher am unteren Ende des Rangliste. Allerdings entwickelt sich das Land langsam zu einer Dienstleistungsgesellschaft und baut Wind- und Solarenergie enorm aus.
Zu den Aufsteigern gehören die USA, die zwölf Plätze nach oben kletterten und nun auf Rang 34 landen. Honoriert wurden die Klimaschutz-Anstrengungen von US-Präsident Barack Obama – etwa seine Ablehnung der Öl-Pipeline Keystone XL. Deutschland konnte sich nur leicht um drei Plätze verbessern und liegt auf Platz 22 – im „mäßigen“ Bereich. Das liegt vor allem am hohen Braunkohle-Verbrauch 2013 und an den bisher nicht ausreichenden Plänen zur Umsetzung der eigenen Klimaziele. Zwar stünde Deutschland auch in Sachen Ökoenergien gut da, „aber andere Länder holen auf“, sagt der Autor des Klimaschutz-Index, Jan Burck von Germanwatch.
Großbritannien etwa hat seinen Erneuerbaren-Anteil am Energieverbrauch so stark erhöht wie kein anderes Land im Ranking. Im November 2015 hatte die britische Regierung außerdem angekündigt, bis 2025 ganz aus der Kohle auszusteigen.
Seit ein paar Jahren werden die ersten drei Plätze im Klimaschutz-Ranking freigelassen, um darauf hinzuweisen, dass kein Land genug tue, „um einen gefährlichen Klimawandel zu verhindern“. Auf den Rängen vier bis sechs rangieren Dänemark, Großbritannien und Schweden. Unter den Industrienationen schneiden vor allem Australien (59), Japan (58), Südkorea (57) und Kanada (56) schlecht ab.
Kommentare 4
Solche komplexen Indices, zum Weltklima oder zur Lebensqualität, erfreuen sich momentan großer Beliebtheit, Herr von Brackel.
Kann aber ein Rückgang von 0,6% der offiziellen CO-2 Produktion aus industriellen Quellen tatsächlich als Turning point ernst genommen werden? Ist er tatsächlich nicht durch eine weiterhin schwächelnde Weltkonjunktur und den Rückgang allein schon des Wachstums in China, erklärbar, der ja größer ausfällt, als offiziell verkündet wird? Mittlerweile gibt es im Reich der Mitte sogar Verteilungskämpfe unter großen Volksgruppen, um das Recht auf Ressourcennutzung.
Hinzu kommt, dass aktuell auch bekannt wird, wie sehr gerade die Schwellenländer bei den Angaben zum CO-2 Ausstoß anrechenbare Anteile weglassen oder unterschätzten (z.B. einigermaßen verlässliche Berechnungen des CO-2 und CH-4 Ausstoßes in der Landwirtschaft, die zunehmend gar nicht mehr vorwiegend für die Primärernährung produziert (Palmöl, Soja, Mais) und extrem energieaufwendige Anbausysteme mit einer Menge nicht in die Preise einfließender Externkosten bevorzugt (Deutsches Beispiel: Globale Vermarktung von Milch- und Fleischprodukten, EU- subventioniert, gleichzeitig Schädigung und Benachteiligung der Famlienlandwirtschaft und der regionalen Vermarktung, wo es nur geht).
Hinzu kommt, dass Schwellenländer mit ebenfalls wachsendem Anteil an der Weltproduktivität, genauso schwächeln, wie der Bevölkerungs- uind Industriegigant China.
Tatsächlich haben die USA Fortschritte gemacht. Aber wie werden denn die massiven Erschließungen des Schiefergases und der Ölsände auf dem Nordamerikanischen Kontinent eingerechnet? Wie preist der Index die extrem energieaufwendige Pflanzenproduktion und die Tiermast ein?
Mit welchen Faktoren und Multiplikatoren wird tatsächlich gerechnet?
Bei Lebensqualitätsindices ist zum Beispiel auffallend, dass individuelle Mobilität und überregionale Ressourcenverfügbarkeit einen sehr hohen Stellenwert hat und im Ranking nach oben bringt, während zum Beispiel biologische Diversität oder Landschaftsschönheit oder gar autarke Primärversorgung keinen hohen Stellenwert besitzt, manches Mal in Indices sich gar nicht abbildet.
Wird die Mobilität (für Personen und Güter) in der heutigen Form ein Maßstab für die ganze Erde, selbst mit Elektroantrieb oder Wasserstoff- Technologie, ist das trotzdem kein günstiger Ausgang.
Gerade eine Faktorierung von "Ökoenergie" erweist sich als besonders trügerisch. Die Produktion von Biodiesel oder Bioethanol ist zwar mittlerweile, auch durch erhebliche Transfers und Subventionen der öffentlichen Hand, auf Teilmärkten konkurrenzfähig, aber diese Wirtschaft ist keinesfalls so nachhaltig, was den Flächenverbrauch, die derzeit notwendige Intensivierung der Anbaumethoden und die Erhaltung der Produktivität der Flächeneinheiten angeht, wie erwartet. - Brasilien und Indonesien schaffen sich derzeit tickende Zeitbomben.
Statt der Karbonisierung des CO-2 in organischer Materie, werden derzeit gerade gigantische Dekarbonisierungen in Gang gesetzt!
Aktuell ist, dass trotz aller Selbstverpflichtungsanstrengungen und einer hin- und her schwankenden Gesetzgebung, -zu viel bleibt den Produzenten überlassen, die sich sogar ihre Energiebilanzen selbst schreiben-, der Schutz der Treibhausgas- Senken nicht sehr erfolgreich ist und die vor 10 Jahren noch enthusiastisch gefeierten, angeblich nachhaltigen Biomassemodelle alle zu optimistisch angelegt waren.
Beste Grüße
Christoph Leusch
Es sollte nicht vergessen werden, dass China immer noch zu einem guten Teil für den Export produziert. Insbesondere die USA und GB lagern damit auch einen Teil ihrer CO2-Emissionen und sonstigen Umweltbelastungen dorthin (und in andere Staaten) aus.
Und ob der Rückgang wirklich nicht an der sich verschärfenden Rezession in vielen Staaten liegt, sei einmal dahingestellt...
Ich finde das auch immer sehr verlogen, in welcher Art und Weise die Emissionen den Ländern zugeschrieben werden.
Ähnlich der Atomausstieg der Bundesregierung. Es ist ja sehr zu begrüßen, dass wir deutsche AKWs dicht machen. Aber in Pekzeiten dann Atomstrom von Frankreich kaufen? Oder in Brasilien neue AKWs bauen?
Soweit ich weiß wird aber sehr viel mehr Strom ex- als importiert, insofern passt der Vergleich nicht ganz. Und der Export von AKWs kommt hierzulande (bzw. in Frankreich) auch nicht wirklich in Fahrt.
China sitzt natürlich andererseits jetzt an der Quelle und kann die Exportindustrie einfach abschalten bzw. runterfahren - und genau das geschieht ja auch schon in Ansätzen.