Überraschend viele Menschen kamen im Sommer zum Klimacamp im Rheinischen Braunkohlerevier: Rund eintausend waren es, die den Widerstand gegen die Braunkohle fortsetzten.
Auf dem Camp wurde auch über das "Wie weiter" und das "Was tun" der Klimabewegung geredet. Die Organisatoren hatten ausdrücklich zu einer solchen Grundsatzdebatte eingeladen. Heraus kam unter anderem, dass die Klimabewegung nicht beim Kohleausstieg stehen bleiben kann, sondern die ganze Breite der Klimawandel-Ursachen politisch kampagnenfähig machen muss. Und zwar schon bald, denn der Klimawandel wartet bekanntlich nicht.
Glücklicherweise kann ein breiterer thematischer Blick auch bedeuten, dass neue politische Bündnispartner gefunden werden.
Tierproduktion als Belastung
Neben der Kohleverfeuerung
Neben der Kohleverfeuerung zählen auch der Verkehr oder der Gebäudesektor, der größte deutsche Primärenergieverbraucher, zu den Klimakillern. Und auf globaler Ebene findet eine weitere Treibhausgas-Quelle zunehmend Beachtung: die Tierproduktion. Sie trägt weltweit in etwa gleich viel zum Klimawandel bei wie der gesamte Verkehrssektor – je nach Studie 14 bis über 18 Prozent.Tierproduktion verursacht mehr als 70 Prozent der landwirtschaftlichen Emissionen und ist einer der wesentlichen Belastungsfaktoren für viele weitere planetare Grenzen wie den Stickstoff- und den Wasserkreislauf, den Landverbrauch und die Biodiversität.Gleichzeitig steuert die Tierproduktion durch ihre verschwenderische Art der Stoffumwandlung nur einen geringen und weitgehend ersetzbaren Teil der Nahrungsmittel bei – 17 Prozent der Energie- und 33 Prozent der Proteinversorgung. Deshalb können und müssen diese Emissionsquellen dringend beseitigt werden – und zwar nicht erst dann, wenn irgendwann der Kohleausstieg hierzulande politisch durchgesetzt wurde. Dazu richtet die immer noch wachsende Tierindustrie zu große Schäden an.Gewalt und GrausamkeitenAuch in Deutschland gibt es schon viele Menschen, die sich aus tierethischen und landwirtschaftspolitischen Gründen gegen die Tierindustrie engagieren. Wer sich mit den Lebensbedingungen von Hühnern, Schweinen, Rindern und anderen "Nutztieren" ernsthaft auseinandersetzt, kommt nicht umhin zu erkennen, dass die Nutzung mit großer Gewalt und Grausamkeit einhergeht. Aus der Ablehnung von Unterdrückung und Ausbeutung ergibt sich so auch eine Kritik am gegenwärtigen Umgang mit Tieren.Freilich dürfen die verschiedenen Argumente gegen die Tierproduktion nicht einfach addiert werden. Es geht auch nicht darum, ein Argument vor den Karren eines anderen zu spannen. Stattdessen müssen die gemeinsamen treibenden Faktoren hinter Klimawandel und wachsender Tierindustrie sichtbar gemacht und das Verbindende der verschiedenen Ansätze deutlich werden.Im vergangenen Jahr hat sich in Berlin das inzwischen bundesweite Netzwerk Animal Climate Action gegründet, das explizit die Klimaschäden der Tierproduktion in den Blick nimmt. Die Aktivisten treten für ein Ende der Tierproduktion und für eine solidarische ökovegane Landwirtschaft ein. Anders als breitere landwirtschaftspolitische Kampagnen, wie zum Beispiel "Wir haben es satt!", setzt Animal Climate Action einen besonderen Schwerpunkt beim Klimaschutz. Außerdem sucht das Netzwerk ganz offen den Schulterschluss mit der Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung.Verzichtet wird konsequenterweise auf eine Rechtfertigung der ökologischen Milch- und Fleischproduktion, die auch wissenschaftlich fragwürdig wäre, da zum Beispiel die extensive Tierhaltung in puncto Emissionen sowie Land- und Energieverbrauch kaum besser dasteht als die intensive. Im Vordergrund steht für das Netzwerk der Widerstand gegen die industrielle Tierproduktion, aber auch die neuerdings von der Bundesregierung propagierte "Bioökonomie".Mehr Themen, neue BündnisseFür dieses Wochenende organisiert die Gruppe als erste große Aktion eine Demonstration unter dem Motto "Tierproduktion stoppen – Klima retten" in Hannover. Anlass ist die "Eurotier", eine der wichtigsten internationalen Messen für Betriebe der Agrartierbranche.Das neue Netzwerk möchte dazu beitragen, dass die Klimabewegung breiter wird. Damit ist die Klimabewegung im Agrarsektor weiter als in anderen Bereichen, zum Beispiel bei der Gebäudewärme, wo es bislang kaum Anzeichen einer derartigen klimapolitischen Mobilisierung gibt. Zwar hat der durch das Volksbegehren 2013 bekannt gewordene Berliner Energietisch im Frühsommer einen Flyer "Klimagerecht Wohnen – bei bezahlbaren Mieten" herausgegeben. Aber der Bewegung mangelt es hier noch an einer flankierenden aktivistischen Komponente. Zu einer entsprechenden Verbreiterung der Klimabewegung in Richtung Landwirtschaft und Tierindustrie kann die Tierrechtsbewegung einen Beitrag leisten.Unstrittig ist, dass auch Lebensstile und Konsumverhalten sowohl auf individueller Ebene als auch in ihrer institutionellen Einbettung zum Klimawandel beitragen und dass dort Veränderungen nötig sind. Dass dies nur in Verbindung mit einer engagierten Ökonomie- und Wachstumskritik gelingen kann, wurde auch auf dem Klimacamp im Rheinland deutlich – und gehört mittlerweile zu den Grundüberzeugungen der Klimabewegung.Dieser Beitrag erschien zuerst auf klimaretter.info