Kein Fracking-Foul zur Fußball-WM

Energiepolitik Angeblich will die Bundesregierung im Schatten der WM die umstrittene Gasfördermethode Fracking erlauben. Doch diese Befürchtung der Umweltschützer ist falsch
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Foto: Picture Allianz / dpa

Deutschland sitzt fahnenschwenkend vor den Großbildleinwänden der Republik und die Regierung verabschiedet heimlich ein windelweiches Gesetz zur umstrittenen Gasfördermethode Fracking: Das war das Horrorszenario der Umweltschützer. Seit Wochen hatten sich alle Medien darüber ausgelassen, dass noch vor der parlamentarischen Sommerpause ein Entwurf für ein neues Frackinggesetz beschlossen werden sollte – mitten in der WM-Zeit, wo sich (fast) alles nur um Fußball dreht.

Mittlerweile gibt es eine klare Entwarnung: Die Medienberichte wurden zurückgezogen, nachdem Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) die Gerüchte auf seiner Facebook-Seite dementierte. In einem Brief Gabriels an die Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Bundestags, Gesine Lötzsch (Linke), von Ende Mai hatte es hingegen eindeutig geheißen: "Eine Kabinettsbefassung – das gilt auch für die Ministerverordnung – mit den Entwürfen wird noch vor der Sommerpause angestrebt."

Das sei jedoch noch lange kein Gesetzentwurf, kontert Gabriel heute. Die Wut des Wirtschaftsministers richtete sich allerdings weniger gegen die großen Medienanstalten als gegen die Kampagnenorganisation Campact, die gegen lasche Vorschriften beim Fracking mit einer Online-Petition mobil macht. Nachdem Campact innerhalb von wenigen Tagen über 300.000 Unterschriften gesammelt hatte, erklärte Gabriel: "Campact schreibt in der letzten Fassung des Blog-Eintrags, Gabriel wolle 'nach Medienberichten' am kommenden Woche den Entwurf für ein Fracking-Gesetz durchs Kabinett bringen. Das ist falsch." Bisher habe es noch nicht einmal eine Ressortabstimmung gegeben.

Auch bestreitet das "Gabriel Team" auf seiner Facebookseite , dass es eine Art Freibrief für unkonventionelle Fördermethoden geben könnte. Stattdessen beabsichtige man mit dem neuen Entwurf, die "gesetzlichen Anforderungen von Fracking deutlich zu verschärfen". Die kommerzielle Nutzung von Schiefergas solle – wie sich aus dem Statement herauslesen lasse – auch weiterhin verboten bleiben.

Auch Ulrich Kelber (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär, findet: "Schade, dass eine NGO wie Campact, die ich sehr schätze und schon oft unterstützt habe, effekthaschend zu so billigen Tricks greifen muss." Kelber warf Campact auch mangelndes Fachwissen und Unkenntnis der parlamentarischen Verfahrenswege vor.

Campact fordert generelles Fracking-Verbot

Campact selbst versteht hingegen das Problem nicht: "Es gab den Brief an Frau Lötzsch und die Medienberichte", so Christoph Bautz vom Campact-Vorstand gegenüber klimaretter.info, "und außerdem ist es wichtig, dass viele Menschen gegen ein baldiges Fracking-Gesetz mobilisiert werden, wenn dieses den Einsatz giftiger Stoffe legalisiert." Dabei sei es völlig gleich, ob das Gesetz einige Wochen früher oder später auf dem Tisch liege.

Campact bezweifelt, dass bei einer erstmaligen Regelung des umstrittenen Frackings auch wirklich strenge Vorschriften herauskommen. In ihrem Aufruf fordert die Organisation ein bundesweites Frackingverbot – das würde allerdings auch die derzeit erlaubte konventionelle Förderung von Erdgas und Erdöl einschließen. So heißt es bei Campact: "Doch die Regierung will bundesweit Fracking per Gesetz ermöglichen."

Damit unterstellt Campact, dass Fracking als Technologie in Deutschland noch gar nicht angewandt wird – und das trifft nicht zu. Nur für die kommerzielle Schiefergas-Förderung existiert ein Moratorium. Erst in der vergangenen Woche wurde in Saal an der Ostsee eine neue Erdölförderanlage getestet – auch dort wird Fracking benutzt, um an das "schwarze Gold" zu kommen. Allerdings heißt es dort "Stimulierung" statt Fracking.

Der Verdacht liegt nahe, dass es sich um diesselbe Technologie handelt, die bei Schiefergas seit 2013 durch ein faktisches Moratorium verboten ist. Das bestätigt das Umweltbundesamt (UBA) auf Nachfrage von klimaretter.info in einem Schreiben: "Die Begriffe Stimulation und Fracking (Kurzform von engl. 'hydraulic fracturing') bezeichnen beide den Vorgang der hydraulischen Bohrlochbehandlung zur Risserzeugung im Lagerstättengestein. Das heißt, dass bei untertägigen Gesteinsschichten durch das Anlegen eines hohen Fluiddruckes aus einem Bohrloch heraus Risse erzeugt oder vorhandene Fluidwegsamkeiten erweitert werden."

Ist Fracking gleich Fracking?

Allerdings ist das Fracking bei konventionellen Lagerstätten wie Erdgas weitaus weniger umweltschädigend als bei Schiefergas, meint der Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung (WEG) auf Nachfrage von klimaretter.info. Der einfache Grund sei, dass bei Schiefergas nicht nur einmal, sondern sehr oft gefrackt werden müsse und auch mehr Chemikalien verwendet würden.

Das Umweltbundesamt hingegen meint, dass bei Erdöl- wie Erdgasförderung diesselben Anforderungen gelten sollten. Bei der Erdölförderung in Saal an der Ostsee beispielsweise sei eine "hydraulische Bohrlochbehandlung" vorgesehen, "bei der sogenannte Wegsamkeiten für die Förderung des Erdöls geschaffen werden sollen". Ebenso wie beim Fracking nach Gas, das in Gesteinsschichten mit einer geringen Durchlässigkeit verkommt, werde dabei ein Fluid eingesetzt, das aus einem Gemisch aus Wasser, Sand und chemischen Additiven bestehe. Zwar gehören Erdgas und Erdöl zu den sogenannten konventionellen Vorkommen, jedoch gibt es auch hier Lagerstätten, die, je nachdem wo das die Ressource liegt, leichter oder schwerer zugänglich sind. Klar ist, dass die unkonventionellen Lagerstätten von Gas, also Schiefergas, am kompliziertesten und teuersten zu fördern sind. Denn Schiefergas oder auch Kohleflözgas lagern immer noch im Muttergestein, wo sie auch entstanden sind. Diese Förderung rentiert sich deshalb eigentlich erst, wenn die Preise stark steigen, weil konventionelles Gas zur Neige geht.

Das UBA fordert daher, dass alle Förderungen von Gas und Erdöl, bei denen die Fracking-Technologie eingesetzt wird, strengen Vorschriften unterliegen, wie die Festlegung von Ausschlussgebieten wie Wasserschutzgebieten, das Verbot, toxische Chemiekalien beizumischen und – diese Forderung ist für viele Umweltschützer ebenfalls sehr wichtig: Die Behandlung und Entsorgung des Lagerstättenwassers.

Denn Umweltschützer beklagen seit langem die Verunreinigung des Bodens und des Wassers durch das kontaminierte Wasser, das bei der Förderung automatisch nach oben gespült wird. Bernd Ebeling von der Umweltinitiative Uelzen erklärte gegenüber klimaretter.info, dass es vor allem in Niedersachsen, wo seit Jahrzehnten nach Erdgas gefrackt werde, eine signifikante Schwermetallverunreinigung des Bodens gebe. Laut Medienberichten will nun das Land Niedersachsen offiziell prüfen, wie stark die Umweltbelastung ist. "Schwermetalle wie Quecksilber werden mit dem Lagerstättenwasser durch das Fracking an die Oberfläche gespült", kritisiert Umweltschützer Ebeling. Seine Initiative will selbst auch Proben untersuchen lassen. "Der Fall Niedersachsen zeigt, dass die Diskussion um Fracking total verlogen ist: In Deutschland wird seit Jahrzehnten gefrackt und damit die Umwelt verschmutzt", meint der Fracking-Gegner.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf klimaretter.info.

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Geschrieben von

Susanne Götze | klimaretter.info

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