Wat de Buer nich kennt, dat frett he nich! Das trifft auch auf unsere Energiegewohnheiten zu: Menschen, die schon seit langem in Regionen mit Kohlekraftwerken leben, finden diese auch nicht so schlimm. Andere, die jünger sind oder in Bundesländern mit mehr Windkraft wohnen, stehen den Erneuerbaren aufgeschlossener gegenüber – insgesamt aber will die satte Mehrheit der Deutschen Ökostrom und nur die Minderheit weiter Kohlestrom beziehen. Das ergab eine Studie des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen. Das als RWE-nah und industriefreundlich bekannte Institut hat damit vielleicht selbst nicht gerechnet – und relativiert die Zahlen an der einen oder anderen Stelle.
Für die Untersuchung mit dem Titel "Wie unbeliebt ist Kohle und wie beliebt sind Erneuerbare?" wurden 2013 deutschlandweit gut 6.500 repräsentativ ausgewählte Haushalte befragt, wie sie zu den aktuellen Fragen der Energiepolitik stehen. Ergebnis: Neben jungen Menschen bekennen sich vor allem Frauen zu erneuerbaren Energien. Ältere Menschen und Bürger der neuen Bundesländer sowie in Nordrhein-Westfalen halten hingegen der Kohle die Treue.
Teils erstaunlich sind auch die RWI-Resultate zur Ablehnung neuer Kohlekraftwerke: Eine klare Mehrheit der Befragten ist gegen neue fossile Anlagen – mit Rheinland-Pfalz an der Spitze mit satten 70 Prozent – Sachsens Bürger sind hingegen relativ kohlefreundlich mit nur 45 Prozent Gegenstimmen. Die Atomenergie ist flächendeckend die unbeliebteste Energieform mit über 70 Prozent Ablehnung.
Auftraggeber kann Ergebnis kaum glauben
Das klare Nein zur Kohle in den meisten Bundesländern relativiert das Institut aber folgendermaßen: Die Ergebnisse bezögen sich nur auf eine "Stichprobe", aufgrund "des überdurchschnittlichen Anteils höher gebildeter Leute" seien sie "überzeichnet". Ein klares Eigentor – denn das heißt: Je gebildeter die Menschen, desto größer die Ablehnung der Kohle. Sind Kohlebefürworter also dümmer? Die Antwort bleibt die Studie schuldig; für ein Interview waren die Studienautoren trotz mehrfacher Nachfragen nicht erreichbar.
Das Meinungsforschungsinstitut TNS Emnid hatte 2014 im Auftrag von Greenpeace eine Umfrage durchgeführt. Demnach wünschen sich 87 Prozent der Deutschen ein Ende der Braunkohle bis 2030. Etwa gleich viele halten neue Tagebaue für nicht verantwortbar, "wenn die Schäden für Umwelt und Natur groß sind". Vor einem halben Jahr hatte eine von der Umweltstiftung WWF und dem Ökostromanbieter Lichtblick in Auftrag gegebene Befragung bestätigt: Zwei von drei Bundesbürgern treten für einen Ausstieg aus der Kohleenergie ein.
Wind und Sonne sind klare Favoriten
Weitere Ergebnisse der neuen RWI-Umfrage: Über 80 Prozent aller Befragten sind Wind- und Solarenergie-freundlich eingestellt. Die Menschen aus norddeutschen Bundesländern wie Schleswig Holstein, Niedersachsen und Bremen, wo es schon viele Windräder gibt, sind den Erneuerbaren besonders gewogen; dort ziehen über 90 Prozent der Befragten die grüne Energie eindeutig vor. Allerdings finden nur 54 Prozent, dass der Ausbau auch subventioniert werden sollte – das wiederum passt in das Weltbild der Studienmacher, die in Gestalt von Manuel Frondel seit Langem die "Belastung" der Stromkunden durch die EEG-Umlage beklagen. Von Stichproben und "Überzeichnung" war an dieser Stelle nichts zu lesen.
Die Studie fragte auch bei Themen wie dem Trassenbau nach und kommt zu erstaunlichen Ergebnissen: Laut Umfrage sind deutschlandweit nur rund 16 Prozent komplett gegen den Bau neuer Stromtrassen, 62 Prozent halten diese für notwendig. Erstaunlich ist auch, dass es das zu erwartende Nord-Süd-Gefälle gar nicht gibt.
Zwar finden in Norddeutschland (Schleswig-Holstein: 67 Prozent) die Befragten die neuen Trassen für wichtiger als im Süden, aber auch in Bayern liegen die Zustimmungswerte immer noch bei 63 Prozent. Das kann natürlich an dem überdurchschnittlich hohen Anteil von gebildeten Leuten liegen, die meistens an solchen Studien teilnehmen – wie es in der Studie heißt. Auf jeden Fall stellt die Umfrage damit infrage, dass die Bürgerinitiativen der Trassengegner und der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) mit ihrer Ablehnung eine Mehrheit in der Bevölkerung vertreten.
"Unfaire" Strompreise
Besorgt sind die Bundesbürger laut RWI hingegen über die Zukunft der Strompreise: Über 60 Prozent stützen die Befürchtung, dass "Strom unbezahlbar" wird. Besonders starke Bedenken haben die Befragten in den neuen Bundesländern, vor allem in Mecklenburg Vorpommern (74 Prozent) und Sachsen-Anhalt (75 Prozent). Eine neue Studie des Bundes der Energieverbraucher bestätigt den Unmut gegenüber der Strompreisentwicklung: 80 Prozent fänden demnach die Strompreise "unfair" oder "eher unfair". Geht es um einen Anbieterwechsel, würden 68 Prozent für ein günstigeres Angebot auch einen neuen Vertrag schließen.
Diese Botschaft hingegen passt wieder ganz ins kohlefreundliche Bild der RWI-Studienautoren. Zwischen den Zeilen liest man aus der Studie heraus, dass die Angst vor hohen Kosten und der Atomausstieg die Kohleverstromung "notwendig" machen würden. An einer Stelle bricht es dann aus den Autoren heraus: "Dies erfordert den Erhalt bestehender, wenn nicht gar den Bau neuer Kohlekraftwerke." Eine erstaunliche Logik – auch vor dem Hintergrund, dass die Autoren weitere Umfragen fordern, um die Stimmung in der Bevölkerung zu messen. Da haben sie wohl ihre eigenen Ergebnisse nicht verstanden: Die Mehrheit will keine Kohle und 80 Prozent wollen die Energiewende!
Dieser Beitrag erschien zuerst auf klimaretter.info.
Kommentare 3
Hier ein paar Zitate des dänischen Statistikers und Ökonomen Björn Lomborg zur Klimapolitik, die ganz interessant sind, da es sich um eine Sicht auf Deutschland von außen handelt:
"Deutschland hat 2013 rund 2 Milliarden Euro für Klimaprojekte im Ausland zugesagt. Entsprechend einem Standard-Klimamodell würde dies die Temperaturen bis zum Jahr 2100 in so unbedeutendem Maße senken, dass es zu einer Hinauszögerung der Erderwärmung um 80 Minuten am Ende des Jahrhunderts entspricht."
"Die Ärmsten der Welt wollen die von Deutschland für Klimaprojekte zugesagten 2 Milliarden Euro lieber für Medizin, Nahrungsmittel und Wasser, nicht für die Senkung der CO2-Emissionen. Das kann man ihnen nicht übel nehmen."
"Subventionen schaffen keine Innovationen im Bereich der erneuerbaren Energien, denn für Unternehmer ist es viel sicherer, weiterhin auf stark subventionierte Windräder, Solar- und Biogasanlagen zu setzen, als bestehende Technologien weiterzuentwickeln und neue, praktikable Alternativen zu fossilen Brennstoffen zu erfinden."
Kleiner Nachtrag von mir:
Wie der Chefökonom des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und IPCC-Funktionär Prof. Otmar Edenhofer bereits 2010 schrieb: „Wir müssen uns von der Illusion verabschieden, dass Klimapolitik Umweltpolitik ist. Stattdessen geht es in der Klimawandel-Politik darum, dass wir de facto das Weltvermögen umverteilen“.
Was nun die überwiegende Abneigung gegen Kohle als Energieträger anbelangt, hat die Gehirnwäsche mit Bildern rauchender Kühltürme aus denen Wasserdampf in die Atmosphäre entweicht und kein CO2, ihre Wirkung bei den immer weniger naturwissenschaftlich gebildeten Schichten - auch wenn die ansonsten einen höheren Bildungsgrad haben mögen, der nichts über die Qualität und die tatsächliche Bildung noch über das Denkvermögen im Zusammenhängen aussagt - getan.
Noch eins: wer Wind- und Solarenergie haben will, muss entweder effiziente und kostengünstige Speicher zur Verfügung haben (gibt es nicht und wird es so schnell nicht geben und was es an Ideen dazu gibt ist lächerlich bis weltfremd) oder bei Dunkelheit und Windstille eine kostengünstige Alternative, die den Wind- und Sonnenstrom ersetzt. Das bedeutet im Klartext: Man benötigt dann eine komplette 2. Infrastruktur zur Energieerzeugung. Wie bitte soll die denn aussehen, wenn Kohlekraftwerke nicht mehr gewollt sind und es keine Kernkraftwerke mehr gibt und Öl- und Gas als strategisch problematisch anzusehen sind? Power to Gas? Mit einem unterirdischen Wirkungsgrad und noch einem Speicherproblem?
Man sollte bei allem Wunschdenken auch mal die Folgen betrachten. Und wenn 90 % der Deutschen gegen Kohle, Gas, Öl und Kernkraft sind. Momentan decken diese Energieträger fast 90 % des Weltenergiebedarfes ab. Und die 87 % aller Deutschen, die Greenpeace als Gegner der Kohle annimmt (Vermutlich sind auch Kleinkinder dabei) machen rd. 0,009 Promille der Weltbevölkerung aus, die andere Sorgen hat.
Hier ein sehr informatives Interview mit Gregor Czisch zu seiner Dissertation über die Versorgung mit erneuerbaren Energien in Deutschland, Europa und darüber hinaus:
http://www.flassbeck-economics.de/wachstum-und-entwicklung-fuer-immer-kann-die-menschheit-eine-oekologische-katastrophe-verhindern/
Aha, gebildete Menschen sind für den Windstrom und das hat RWE rausfinden lassen. Man kann das sehr wohl als ein Umswitschen in der Produktpallette lesen. Dieser Artikel folgt leider der nicht sehr faktensicheren Einschätzung bei der Windstromförderung handele es sich um einen Kampf Wind gegen Kohle sowie Großindustrie gegen Grassroots-Industrie. Das ist ein Ammenmärchen ohne Realitätsbezug. Längst ist RWE ganz dick im Windstromgeschäft, eine Westerwälder Windstromfirma wurde unlängst von Rosatom aufgekauft und die französische Atomindustrie ist dick im deutschen Repoweringgeschäft altiv. Hinzu kommt, dass die Zunahme der Kohleverbrennung gerade im Zuge der so genannten Energiewende sogar vom EEG-Think-Tank Agora Energiewende eingeräumt wurde. http://www.agora-energiewende.de/fileadmin/downloads/publikationen/Analysen/Trends_im_deutschen_Stromsektor/Analyse_Energiewende_Paradox_web.pdf
Vielleicht hilft meine Aufstellung auch mit anderen Ammenmärchen der Branche aufzuräumen. Nein, die Begeisterung für Windstrom ist kein Zeichen von Aufgeklärtsein, sondern bloß ein links-grüner Reflex ohne näheres Nachdenken. Wir sind ja schon gebildet und schlau, deshalb können wir die Propaganda ja unbesehen übernehmen. Mit echter Bildung im Sinne von Aufklärung hat das wenig zu tun. Jede/r, der sich wirklich intensiv mit den ökologischen Folgen und der zutiefst unsozialen Kostenverteilung beschäftigt (also auf Aufklärung setzt) kommt zu gänzlich anderen Schlüssen: http://rotherbaron.com/2016/01/10/das-windstromkartell-kleines-abc-seiner-durchsetzungsstrategien/