Burkini, Laizität und Demokratie

Burka, Burkini, Nikab Die Polizei in Nizza bricht demokratische Prinzipien, wenn sie Frauen zwingt, den Burkini am Strand abzulegen. Die Regierung beruft sich unzulässigerweise auf Laizität.

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Am 24.08.2016 berichteten Der Spiegel und andere Medien darüber, dass französische Polizisten am Strand von Nizza eine Frau gezwungen haben, ihren Burkini abzulegen.

Dieses Vorgehen der Polzei als überzogen zu kritisieren, wie es laut Spiegel einige Kritiker taten, trifft nicht den Kern der Sache. Das Vorgehen der Polizei ist nicht einfach nur überzogen, es verstößt gegen demokratische Prinzipien und ebenso gegen das Prinzip der Laizität.

Zum kleinen Einmaleins der Demokratie gehört, dass in einer Demokratie unterschiedliche Weltanschauungen, Religionen und Lebensformen gleichberechtigt nebeneinander bestehen (davon ausgenommen ist der Faschismus, der unter Demokraten nicht als Meinung, sondern als Verbrechen gilt).

Zur Demokratie gehört beides: Die kritische öffentliche Debatte über Burka, Burkini und Nikap und deren patriarchalische Herkunft und patriarchalischen Kontext. Aber es gehört eben auch zu einer demokratischen Gesellschaft, dass es Frauen gibt, die Bruka, Burkini und Nikap tragen oder tragen wollen.

Der Staat hat dieses Recht auf unterschiedliche Lebensmodelle zu respektieren und zu schützen. Genau deshalb ist ein demokratischer Staat zur religiösen und weltanschaulichen Neutralität verpflichtet. Nichts anderes ist mit dem Prinzip Laizität gemeint. Deshalb ist der polizeiliche Übergriff in Nizza ein Bruch dieser grundlegenden demokratischen Regel. Und ebenso verstößt dieses Vorgehen gegen das Prinzip der Laizität, da der Staat hier seine weltanschaulich neutrale Position verlassen hat und ein konkretes Lebensmodell aus der Öffentlichkeit verband und die Bürgerin damit diskriminiert und öffentlich gedemütigt hat.

Es ist egal, ob Frauen aus Tradition oder aus Überzeugung eine Burka, einen Burkini oder eine Nikab tragen. Auch wenn es vielen Menschen in unseren westeuropäischen Gesellschaften als unmodern gilt, in einer patriarchalen Familienstruktur zu leben, ist es doch das Recht von Menschen, in einer solchen Familienstruktur zu leben, wenn sie es wollen.

Wenn allerdings eine Frau, die aus solchen Verhältnissen ausbrechen will, dann muss sie dies auch tun können. An dieser Stelle sind gegebenenfalls Gesellschaft und Staat gefordert.

Wenn anderer Familienangehörige einer Frau, die die Burka oder den Nikab nicht mehr tragen will, dies nicht akzeptieren wollen und Druck auf sie ausüben, dann müssen eine demokratische Gesellschaft und ein demokratischer Staat diese Frau schützen, damit sie sich aus für sie aus welchen Gründen auch immer nicht mehr akzeptablen Familienstrukturen emanzipieren kann.

Solche Spannungen muss eine demokratische Gesellschaft aushalten können. Deshalb ist der Polizeiübergriff in Nizza ein Bruch demokratischer Prinzipien und eine strikt zu verurteilende öffentliche Demütigung einer Bürgerin.

Ein Verbot von Burka, Burkini und Nikab in der BRD wäre nicht minder ein Bruch demokratischer Prinzipien und der weltanschaulichen Neutralitätspflicht des Staates und würde die Tür zu öffentlichen Demütigungen muslimischer Frauen durch den Staat öffnen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

klute

Jürgen Klute, Mitglied des Europäischen Parlaments von 2009 - 2014. Theologe, Sozialpfarrer, Publizist & Politiker aus dem Pott.

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