Milchbauern fordern faire Marktbedingungen

Protest Europäische Milchbauern wollen keine Subventionen, sondern faire Produktionsbedingungen, die vor allem Familienbetrieben die Existenz sichern können

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Unfaire Milchpreise und ein kaputter Milchmarkt in der EU haben zu Unmut und Protesten unter den Bauern geführt, wie hier im September in Brüssel
Unfaire Milchpreise und ein kaputter Milchmarkt in der EU haben zu Unmut und Protesten unter den Bauern geführt, wie hier im September in Brüssel

Foto: EMMANUEL DUNAND/AFP/Getty Images

(Brüssel, 16.11.2015) Das European Milk Board (EMB) mit Sitz in Brüssel hat am 16. November in einer Pressekonferenz anlässlich des Treffens der EU-Agrarminister erneut kostendeckende Produktionspreise für Milch gefordert.

Hintergrund dieser Forderung ist die Beendigung der 1984 eingeführten Quotenregelung für die Milchproduktion innerhalb der EU vom 31. März 2015. Die Quotenregelung diente der Begrenzung einer Überproduktion von Milch, die dann zum Teil eingelagert und zum Teil außerhalb der EU zu Dumpingpreisen verkauft wurde und wird – mit oft katastrophalen Folgen für die betroffenen Länder.

In Verbindung mit einem Nachfragerückgang von ca. 1 % nach Milchprodukten innerhalb der EU und in Verbindung mit den Boykottmaßnahmen gegenüber Russland, die auch Milchprodukte betreffen, hat die Aufhebung der Quotenregelung allerdings im laufenden Jahr zu einem erheblichen Milch-Preisverfall geführt. Der gegenwärtige Milchpreis liegt unterhalb der Produktionskosten. Um den Preisverfall wenigstens teilweise auszugleichen, reagieren viele Milchbauern mit einer Steigerung der Milchproduktion, was für die Milchkühe wie für den Milchmarkt negative Folgen hat.

Aus diesem Grund hat das EMB am 12. November EU-weite Protestaktionen durchgeführt, nachdem es zuvor schon eine Großdemo am 07. September in Brüssel gegeben hatte. Das EMB vertritt nach eigenen Angaben 20 Organisationen von milchproduzierenden bäuerlichen Familienbetrieben mit insgesamt rund 100.000 Mitgliedern aus 15 europäischen Ländern, die zusammen rund 75 % der Milchproduktion in der EU bestreiten. Mit den Protesten versucht das EMB den Druck auf die EU-Kommission weiter zu erhöhen, da sie aus seiner Sicht die politische Hauptverantwortung für die Krise der Milchbauern trägt.

Auf der Pressekonferenz im PressClub Brussels Europe begründete EMB-Präsident Romuald Schaber die Forderungen der europäischen Milchbauern und stellte das so genannte Marktverantwortungsprogramm (kurz: MVP) des EMB zur Regulierung des EU-Milchmarktes vor.

Im Kern, so Schaber, fordern die Milchbauern von der EU die Durchsetzung von Marktpreisen ein, die die Produktionskosten decken und den familiären bäuerlichen Milchbetrieben ihre Existenz sichern.

Dabei geht es ihnen nicht um Subventionen, sondern um einen Regulierungsmachanismus, der auskömmliche Markpreise gewährleistet.

Dazu schlägt der EMB vor, die bereits bestehende EU-Beobachtungsstelle für Milchpreise zu einer "handlungsfähigen zentralen Monitoringstelle" auszubauen.

Diese Monitoringstelle soll den EU-Milchmarkt beobachten, analysieren und gewichten und die eingehenden Daten indexieren. Der Milchpreis-Index soll anzeigen, ob die Milchpreise kostendeckend sind oder nicht und öffentlich zugänglich sein.

Wird die Kostendeckung unterschritten, fordern die Milchbauern ein dreistufiges Vorgehen der EU. Bei einer leichten Unterschreitung der Kostendeckungsgrenze soll es eine Frühwarnung geben. Sie hätte eine verstärkte Öffnung einer privaten Lagerhaltung der Produzenten und Anreizprogramme für eine stärken Eigenverbrauch an Milch z.B. in der so genannten Vollmilchkalberzeugung.

Reichen diese Maßnahmen nicht aus, um zur Kostendeckung zurückzukehren, dann wird von der Monitoringstelle offiziell ein Krisenstatus festgestellt. In dieser Phase sollen finanzielle Anreize geboten werden für eine zeitlich begrenzte Produktionsverringerung und gleichzeitig sollen Betriebe, die ihre Produktion während der offiziell festgestellten Krise erhöhen, mit einer Strafabgabe pro Liter mehr produzierter Milch belegt werden.

Sollten auch diese Maßnahmen nicht zum gewünschten Ziel führe, so der Vorschlag des EMB, soll es eine zwingende Produktionsbegrenzung für einen fest definierten Zeitraum geben.

EMB-Präsident Schaber betonte, dass mit diesem Programm zwei Ziele erreicht werden könnten. Zum einen erlaube das MVP eine sehr schnelle Reaktion auf Marktentwicklungen und könne somit Abstürze der Milchpreise für Erzeuger verhindern, die vor allem kleine Familienbetriebe in den Ruin treiben. Zum anderen sei das MVP sehr viel kostengünstiger als die bisherigen staatlichen Instrumente.

Ein unregulierter Markt, so Schaber weiter in Richtung EU-Agrar-Kommissar Hogan, führe zur Zerstörung von landwirtschaftlichen Betrieben vor allem in Regionen, in denen andere Erwerbsmöglichkeiten oft nicht zur Verfügung stünden. Er sieht die EU-Kommission in der Pflicht, eine Agrarpolitik zu entwickeln, die den Menschen, die in der Landwirtschaft tätig sind, "eine angemessene Lebenshaltung zu gewährleisten", denn sie erzeugen schließ unsere Grundnahrungsmittel.

Erfreulicherweise hat der EMB auch die Lage der Bauern außerhalb der EU im Blick. So heißt es in der heutigen schriftlichen Pressemitteilung des EMB: "Wir müssen hier in Europa dazu beitragen, dass unsere Welt nicht aus den Fugen gerät. Wir müssen die Existenz unserer Bauern sichern und dürfen auch die Erzeuger in Entwicklungsländern nicht ausbooten. Denn dadurch verstärkt sich letztendlich die Armut und es wird der Nährboden für gewaltsame Konflikte geschaffen. Eine verantwortungsvolle EU-Milchproduktion hat daher höchste Priorität.

Beachtenswert ist, dass das EMB nicht wie traditionelle Bauernverbände mehr Subventionen verlangt, sondern faire Marktbedingungen, die den Milchbauern eine angemessene Existenzsicherung aus eigener Arbeit ermöglichen. Bleibt zu hoffen, dass dieser Appell auf offene Ohren in der EU-Kommission und im EU-Rat trifft, denn der Reformprozess der EU-Agrarpolitik läuft zwar, aber von einem erfolgreichen Abschluss dieses Prozesses ist die EU noch weit entfernt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

klute

Jürgen Klute, Mitglied des Europäischen Parlaments von 2009 - 2014. Theologe, Sozialpfarrer, Publizist & Politiker aus dem Pott.

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