Europa nach 2013: EU-Finanzrahmen 2014-2020

Knackpunkte Am 13. März 2013 hat das Europäische Parlament den Vorschlag der Regierungschefs für den EU-Finanzrahmen 2014 bis 2002 abgelehnt. Wo stehen wir zwei Monate danach?

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Mit der Annahme der "Entschließung des Europäischen Parlaments vom 13. März 2013 zu den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates im Rahmen seiner Tagung vom 7./8. Februar betreffend den mehrjährigen Finanzrahmen (2012/2803(RSP))" hat das Europäische Parlament (EP) den Vorschlag des EU-Rates zum Mehrjährigen Finanzrahmen 2014 bis 2020 zurückgewiesen. Nach intensiven Beratungen zwischen und innerhalb der Parlamentsfraktionen fiel das Abstimmungsergebnis sehr eindeutig aus: 506 Ja-Stimmen, 161 Nein-Stimmen und 23 Enthaltungen. (Zum Text der Entschließung – deutsche Fassung – geht es hier.)

Das EU-Parlament hat damit zum Ausdruck gebracht, dass es sich seiner Rechte in den Haushaltsverhandlungen nicht berauben lässt und dass es einen tragfähigen und zeitgemäßen Haushalt für die EU will, der nicht auf eine rechtswidrige und dauerhafte Verschuldung der EU hinausläuft und der den Herausforderungen der Krise entspricht, also nicht die Austeritätspolitik der Mitgliedsstaaten ungebrochen fortsetzt.
Vier Kernforderungen formuliert das Parlament in seiner Entschließung vom März 2013:

  • Nachtragshaushalt für 2013 über 11,2 Milliarden Euro. Ohne einen Nachtragshaushalt für 2013 würde im EU-Haushalt ein Defizit zwischen 16 und 19 Milliarden Euro entstehen. Durch Schulden darf diese Haushaltslücke nicht geschlossen werden. Somit bleibt nur die Möglichkeit eines Nachtragshaushalts oder die EU kann ihre von EU-Rat und Parlament gemeinsam beschlossenen Zahlungsverpflichtungen nicht einhalten. Eine Verschiebung der im laufenden Haushaltsjahr nicht mehr erfüllbaren Zahlungsverpflichtungen ins Folgejahr, wie in den letzten Jahren schon praktiziert, löst das Problem nicht, sondern lässt es nur größer werden, wie sich gezeigt hat. Im Interesse einer für alle Beteiligten planbaren und verantwortlichen Haushaltspolitik fordert das Europäische Parlament Verhandlungen über den Nachtragshaushalt 2013 bereits im Frühjahr dieses Jahres und nicht erst zum Jahresende. Dass das EU-Parlament einen Nachtragshaushalt 2013 in Höhe von 11,2 Milliarden Euro statt der zu erwartenden 16 bis 19 Milliarden Euro fordert, kann man als Kompromissvorschlag seitens der Abgeordneten interpretieren. Ein Nachtragshaushalt von 11,2 Milliarden Euro bewegt sich noch im Gesamtrahmen des MFR 2006 bis 2013 und kann mit einer qualifizierten Mehrheit verabschiedet werden. Ein höherer Nachtragshaushalt würde eine einstimmige Entscheidung erfordern, die in der gegenwärtigen Situation aussichtslos ist. Einige Mitgliedsstaaten – u.a. Frankreich – fürchten, dass sie infolge eines Nachtragshaushalt die von der EU vorgegebenen Defizitgrenzen nicht mehr einhalten können. Hier erweist sich die regide Sparpolitik des EU-Rates und der Mitgliedsländer als eine Falle, aus der sich zunehmend keinen Ausweg mehr finden.
  • Neuregelung der Eigenmittel der EU. Der Lissabon Vertrag schreibt vor, dass der EU-Haushalt aus Eigenmitteln zu finanzieren ist. Die gegenwärtigen EU-Eigenmittel, die sich aus Zöllen, aus Zuckerabgaben, aus einem Anteil der von den Mitgliedsstaaten erhobenen Mehrwertsteuer, aus den Steuern der EU-Beamten und aus Strafzahlungen von Unternehmen, die gegen das Wettbewerbsrecht der EU verstoßen, speisen, decken nur knapp 25 % des Haushaltsvolumens. dieser Zustand führt zu den ausschließlich an nationalen Eigeninteressen ausgerichteten Hahnenkämpfen zwischen Nettozahlern und Nettoempfängern. Deshalb fordert das EP seit längerem eine Reform der Eigenmittelausstattung des EU-Haushalts. Im Kern der Forderungen des Parlaments steht eine Neureglung des Mehrwertsteueranteils und die Zuweisung zumindest eines Teils der geplanten Finanztransaktionssteuer an den EU-Haushalt. Davon würden auch die Mitgliedsländer profitieren, da sich ihre jetzigen Beitragszahlungen entsprechend verringern würden. Die an sich vertragswidrigen Beitragszahlungen sind Folge der EU-Erweiterung des letzten Jahrzehnts und der Ausweitung der Aufgaben der EU. Die Eigenmittel der EU sind diesen Entwicklungen bisher nicht angepasst worden.
  • Revisionsklausel. Angesichts der gegenwärtigen Krise ist eine deutliche Erhöhung des EU-Haushalts, die eigentlich geboten wäre, kaum durchzusetzen. Die Revisionsklausel kann daher als eine weiteres Kompromissangebot seitens der europäischen Volksvertreter gedeutet werden. So könnte zunächst ein MFR verabschiedet werden, der der gegenwärtigen Krise Rechnung trägt, vorausgesetzt, dass alle bestehenden Zahlungsverpflichtungen der EU abgedeckt wären. Da gegenwärtig niemand sagen kann, wie die Situation in zwei oder drei Jahren aussieht, wäre es sinnvoll, den MFR nach zwei oder drei Jahren einer gründlichen Revision zu unterziehen und ihn den dann herrschenden Bedingungen anzupassen. Das hätte zudem den Vorteil, dass auch die nächste Legislaturperiode gestaltenden Einfluss auf den MFR bekäme (die nächste Wahlperiode läuft von Mitte 2014 bis Mitte 2019).
  • Mehr Flexibilität. Die Regeln für den EU-Haushalt sehen bisher keine Übertragungen aus einem der Haupt-Haushaltsabschnitt in einen anderen zu. Und Gelder, die bis zum Ende eines Haushaltsjahres nicht verausgabt sind, müssen an die Mitgliedsländer zurücküberwiesen werden. Ein höheres Maß an Flexibilität würde einerseits die Konflikte um den Haushalt entschärfen und andererseits eine situationsgerechtere Haushaltspolitik ermöglichen.

Der EU-Rat hat die Entschließung des Parlaments vom 13. März zur Kenntnis genommen. Allerdings lehnt der EU-Rat bisher Verhandlungen über die drei ersten Forderungen kategorisch ab. Lediglich bezüglich der EP-Forderung nach mehr Flexibilität signalisiert der Rat, dass er sich Beratungen zu diesem Punkt vorstellen kann. Er verbindet dieses Signal aber auch gleich wieder mit der Einschränkung, über die bisherigen Regelungen nicht nennenswert hinausgehen zu wollen.

Als Grund für sein Festhalten an dem MFR-Vorschlag vom 7./8. Februar 2013 nennt der Rat, dass die Verabschiedung des MFR Einstimmigkeit verlange. Die mühsam erzielte Übereinstimmung bezüglich des MFR-Vorschlags vom Februar wolle man nun nicht wieder infrage stellen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

klute

Jürgen Klute, Mitglied des Europäischen Parlaments von 2009 - 2014. Theologe, Sozialpfarrer, Publizist & Politiker aus dem Pott.

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